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G7-Gipfel endet als G6-Runde: Donald Trump hat Wichtigeres zu tun
Nur ein Minimalkonsens zu Nahost, Desinteresse am gemeinsamen Vorgehen gegenüber Russland oder dem Ende des Zollstreits: Das Treffen in Kanada dokumentiert die Krise des Multilateralismus.

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Die Rocky Mountains haben in Kanada zwei Tage lang die imposante Kulisse für den G7-Gipfel geboten. Im übertragenen Sinne sehr „rocky“, also „stürmisch“ oder „wackelig“, ist dieser Tage auch die See globaler Zusammenarbeit.
Krisen und Kriege überall. Und mehr denn je zeigt sich, dass der vor 50 Jahren aus der Taufe gehobene „Weltwirtschaftsgipfel“ nicht mehr das Forum ist, um Stabilität zu gewährleisten.
Donald Trumps frühzeitige Abreise dokumentiert den Bedeutungsverlust und die Uneinigkeit dessen, was als „der Westen“ bezeichnet wird. Etwas milder fällt das Urteil allein deshalb aus, weil immerhin ein kleinster gemeinsamer Nenner zum Nahostkonflikt zu Papier gebracht werden konnte. Und das auch nur, weil nicht zuletzt die deutsche Seite eine sehr viel kritischere Haltung der Briten gegenüber dem Kurs der israelischen Regierung diplomatisch einfangen konnte.
Die Gipfelerklärung betont nun, dass Israel ein Recht zur Selbstverteidigung habe und der Iran niemals in den Besitz einer Atombombe gelangen dürfe. Dennoch seien nun dringend Schritte hin zu einer Deeskalation der Lage nötig. Solche Appelle sind wichtig, gemeinsame politische Schritte, um auf ihre Umsetzung hinzuwirken, waren in den kanadischen Bergen ein zu hohes Ziel.
Viel mehr als ein Höflichkeitsbesuch war die Stippvisite des US-Präsidenten in der Runde der traditionellen Verbündeten am Ende deshalb nicht. Oder muss man sich mittlerweile schon damit zufriedengeben, dass der vermeintliche Anführer der freien Welt überhaupt erschienen ist? Für die anstehenden Entscheidungen dazu, wie es im Nahen Osten weitergehen kann, meint Amerikas Oberbefehlshaber jedenfalls, die übrige G6-Runde nicht zu brauchen.
Und leider hat er mindestens teilweise recht damit: Die Europäer spielen mit ihrer notorischen Uneinigkeit in Bezug auf Israel dort nur eine Nebenrolle. Und selbst als Ort westlicher Selbstvergewisserung taugt der G7-Gipfel nur noch bedingt, da im wichtigsten Mitgliedsland selbst so viele Gewissheiten infrage gestellt werden und die US-Regierung sein demokratisches Fundament ins Wanken bringt.
Europas Interessen kommen zu kurz
Die Europäer bezahlen einen hohen politischen Preis dafür, dass Trump Wichtigeres zu tun hatte und den zweiten Tag der Zusammenkunft schwänzte: Sinnbildlich dafür steht, dass Indiens Premier Narendra Modi seinen Flieger umkehren ließ, als er von der Abreise des Amerikaners hörte.
So kam auch kein Treffen Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zustande, das die EU-Vertreter vermitteln wollten. Es hätte wohl mehr Zeit mit Trump gebraucht, um bei gemeinsamen Russland-Sanktionen mit den USA oder einem Ende des Zollstreits weiter voranzukommen.
Das Desinteresse des US-Präsidenten daran wie auch an dem Gesprächsformat selbst ist nun öffentlich dokumentiert. Oder warum sollte Trump sonst schon wieder beklagen, dass Kremlchef Wladimir Putin nach der Annexion der Krim 2014 nie wieder zu einem G8-Gipfel eingeladen wurde?
Bundeskanzler Friedrich Merz, der zu Beginn des Gipfels noch Einheit und Stärke des Westens sowie den vertraulichen Austausch untereinander beschwor, konnte da auch keine Wunderdinge vollbringen.
Ein Draht zu Trump ist zwar aufgebaut worden bei seinem Besuch in Washington, die Europäer sprechen sich mit Merz als Kanzler auch viel enger ab als mit dessen Vorgänger Olaf Scholz. Trumps Prioritäten sind dennoch teils andere. Für den Kanzler kann es deshalb weiterhin nur darum gehen, den dadurch angerichteten Schaden im transatlantischen Verhältnis zu begrenzen und den eingeleiteten Prozess der Abkehr von den europäischen Verbündeten zu verlangsamen.
Der Nato-Gipfel in der kommenden Woche ist proaktiv schon auf einen Tag verkürzt worden. Das reduziert das Eklatpotenzial. Dort darf sich Trump vor allem dafür feiern lassen, die Europäer zu sehr viel höheren Verteidigungsausgaben gebracht zu haben – und schnell wieder abreisen.
Das vorerst weiter gültige Bekenntnis zur Nato ist extrem wichtig für Europas Sicherheit. Die weitere US-Unterstützung der Ukraine wäre es auch. Trumps nächste Stippvisite dürfte aber wieder nicht die erhoffte Klarheit bringen.
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