
© AFP/Jiji Press/Japan Pool
Angespannte Stimmung, hohe Sicherheitsstufe: Unter den G7 wächst in Hiroshima das Gefühl eines neuen Kalten Krieges
Beim G7-Gipfel in Hiroshima steht offiziell der Frieden im Vordergrund. Tatsächlich aber herrscht angespannte Stimmung aufgrund der geopolitischen Weltlage.
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Die Regierungschefs sahen etwas steif aus, als sie vor diesem einmaligen Denkmal standen und irgendwie freundlich schauen sollten. Es nieselte, im Hintergrund ragte der „Atomic Dome“ über ihre Köpfe, jene Ruine mit Kuppelturm, die deutlicher als jedes andere Gebäude an die Wehen durch Atomwaffen erinnert.
Am 6. August 1945 wurde Hiroshima von der ersten in einem Krieg eingesetzten Atombombe verwüstet. Der ramponierte „Atomic Dome“ war das einzige Gebäude der Innenstadt, das nicht völlig zerstört wurde. Und vor dieser Kulisse posierten die hohen Politiker nun.
Das Bild bei Regenwetter fasst zusammen, wie delikat dieser G7-Gipfel in Hiroshima ist: Inmitten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und weiterer geopolitischer Spannungen wollen diese sieben führenden Industriestaaten und die EU zeigen, dass sie für Frieden stehen.
Dies wird der wichtigste G7-Gipfel der japanischen Geschichte.
Fumio Kishida, Premierminister Japans
Fumio Kishida, Premierminister des Gastgebers Japan, hat Hiroshima auch deshalb als Standort ausgewählt, weil sich Hiroshima seit Jahrzehnten für Pazifismus und nukleare Abrüstung einsetzt. Die Zerstörung zu Ende des Zweiten Weltkriegs will man hier als Mahnung für die gesamte Menschheit verstanden wissen.
Allerdings schwebt über diesem G7-Gipfel das Gegenteil von Friedfertigkeit. „Dies wird der wichtigste G7-Gipfel der japanischen Geschichte“, hat Kishida im Voraus erklärt. Der Premier des ostasiatischen Landes hat sich schon vor dem offiziellen Beginn des dreitägigen Treffens mit diversen Regierungschefs auf bilateraler Ebene besprochen.
Diesmal geht es um eine verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Dafür präsentiert sich das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs pazifistisch eingestellte Japan in Hiroshima als Hegemon Asiens, flankiert von potenten Freunden.
Angespannte Stimmung, hohe Sicherheitsstufe
Am Donnerstagabend begrüßte Kishida etwa US-Präsident Joe Biden, dessen Land zahlreiche Militärbasen in Japan unterhält, und erklärte die Stärke dieser Allianz. Dann traf sich Kishida mit Italiens Ministerpräsidenten Giorgia Meloni und dem britischen Premier Rishi Sunak – mit diesen beiden Staaten entwickelt Japan derzeit ein neues Kampfflugzeug.
Und nach einem Treffen mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz hieß es in einer Presseerklärung, die zwei Staaten würden auch in Bezug auf die Sicherheitsherausforderungen China und Nordkorea „eng zusammenarbeiten.“
Die Stimmung in Hiroshima ist seit Beginn der Woche angespannt. Jene Straßen, die zur größten Verkehrsachse führen, auf der die Delegationen der teilnehmenden Staaten entlangfahren, sind großspurig abgesperrt. Die Vertreter der G7 – die neben Gastgeber Japan noch aus den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada sowie die EU bestehen – sind stark von der akkreditierten Presse abgeschottet.
Industriemaschinen, Werkzeuge und andere Technologie, die Russland für den Wiederaufbau seiner Kriegsmaschinerie nutzt.
sollen laut G7-Staatschefs durch Sanktionen vom internationalen Handel abgetrennt werden.
Das Pressezentrum ist einige Kilometer von jenem Hotel, in dem die Regierungschefs tagen, entfernt. Der Zugang ist verboten. Die Sicherheitsstufe ist hoch.
Die hier ausgestrahlte Potenz zeigte sich am Freitag auch in Gestalt des ersten offiziellen Statements. „Wir, die Anführer der G7, bestätigen unsere Verpflichtung, gemeinsam gegen Russlands illegalen, ungerechtfertigten und unprovozierten Angriffskrieg gegen die Ukraine einzustehen.“
Russland-Sanktionen werden verstärkt
Die militärische wie finanzielle Unterstützung für die Ukraine werde nicht enden. Was sich auch darin ausdrückt, dass an diesem Wochenende der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi spontan zum Gipfel dazustoßen soll. Die Sanktionen gegen Russland werden unterdessen einmal mehr verstärkt.
Im Statement heißt es etwa, die G7-Staaten werden dafür sorgen, dass diverse mit dem Militär verbundenen Wirtschaftssektoren in Russland vom internationalen Handel abgetrennt werden: „Industriemaschinen, Werkzeuge und andere Technologie, die Russland für den Wiederaufbau seiner Kriegsmaschinerie nutzt.“
Ebenso durch Sanktionen soll das russische Diamantengeschäft blockiert werden, durch das der Krieg derweil subventioniert wird. Zudem wolle man seine Abhängigkeit von russischen Rohstoffen insgesamt weiter reduzieren.
Drittstaaten sollen fortan nicht nur dazu ermutigt werden, bei dieser Initiative mitzuziehen. Gegen diejenigen, die Russlands Krieg unterstützen, wollen die G7-Staaten zukünftig eigens aktiv werden. Dies ist nicht zuletzt als Fingerzeig in Richtung China zu verstehen.
Seit dem erneuten Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 besteht schließlich die Sorge, dass China es Russland bald nachmachen und das von Peking reklamierte Taiwan angreifen könnte. Für diesen Fall haben zumindest die USA und Japan mehrmals angedeutet, dass sie auf der Seite Taiwans stünden.
Unklar ist aber, ob die westlichen Staaten ähnliche Sanktionen wie solche gegen Russland auch gegen China beschließen würden. Von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist jeder G7-Staat deutlich stärker abhängig als von Russland. Um dies zu vermeiden, bemühen sich die in Hiroshima konferierenden Staaten allerdings auch, durch eine Diversifizierung der Wertschöpfungsketten ihre Abhängigkeit von China zu vermeiden.
Nicht zuletzt deshalb hat der Gastgeber Japan Südkorea, Indien, Indonesien, Australien, Brasilien, Vietnam, die Komoren und die Cookinseln eingeladen.
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