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Premier Netanjahu besucht das israelische Militär in Gaza.

© IMAGO/ZUMA Press Wire/IMAGO/Maayan Toaf/Israel Gpo

Gefangen im Kriegsmodus: Für Israel ist die Waffenruhe mit der Hisbollah nur eine Atempause

Die Feuerpause mit der Hisbollah feiert Premier Netanjahu als Erfolg. Doch von echter Sicherheit ist Israel weit entfernt. Dabei könnte es die neue Stärke nutzen, um sich langfristig zu schützen.

Christian Böhme
Ein Kommentar von Christian Böhme

Stand:

Israel strotzt vor Selbstbewusstsein. Es fühlt sich so stark und so mächtig wie selten zuvor. Zu Recht.

Die Hisbollah zu einer Waffenruhe gezwungen, die Hamas weitgehend unschädlich gemacht, den Iran in die Schranken gewiesen – kaum einer hätte das vor gut einem Jahr für möglich gehalten. Nach dem 7. Oktober 2023, jenem traumatischen Tag des Massakers durch die Hamas.

Damals war Israel in seinen Grundfesten erschüttert. Wehrlos, verunsichert und gedemütigt als Staat, der sich seiner Überlegenheit rühmte und sich sicher wähnte. Heute triumphiert das Land über seine Feinde.

Nur: Was zählen die militärischen Erfolge der vergangenen Monate, wenn daraus nicht eine Perspektive für halbwegs ruhige Zeiten in Nahost entsteht? Daran scheint niemand in Israel zu denken. Zu sehr steckt man im Kriegsmodus fest.

Die Rede eines Feldherren

Wenn es dafür noch eines Nachweises bedürft hätte – Benjamin Netanjahu hat ihn erbracht, als er am Dienstagabend die Zustimmung seiner Regierung zu einer Feuerpause mit der Hisbollah verkündete. Seine Rede ähnelte weniger der eines Ministerpräsidenten, sondern der eines Feldherren.

26.09.24

Da war nicht etwa von Entspannung oder der Chance auf ein dauerhaftes Ende der Feindseligkeiten die Rede. Vielmehr drohte Netanjahu allen Gegnern des jüdischen Staats mit unerbittlicher Bestrafung, falls sie einen Angriff wagen sollten.

Das Abkommen mit der Hisbollah, so der Premier, erlaube es Israel, sich auf den Konflikt mit dem Iran zu konzentrieren. Außerdem könnten sich die Truppen erholen.

Im Klartext: Für Netanjahu ist die Waffenruhe an der Nordfront lediglich eine Atempause. Das Wort „Frieden“ kam ihm offenbar überhaupt nicht in den Sinn. Den meisten Israelis vermutlich auch nicht.

Die Menschen im libanesischen Tyros freuen sich über die Waffenruhe.

© REUTERS/Adnan Abidi

Das ist nicht verwunderlich, sondern verständlich. Sie sehen sich in einem Existenzkampf, der in den Köpfen lange Zeit nicht mehr präsent war. Zu sehr herrschte der Glauben vor, die verschiedenen Konflikte im Nahen Osten seien ohne großen Aufwand zu managen.

Waffengewalt allein reicht nicht

Heute sind viele Menschen in Israel fest davon überzeugt, dass allein Waffengewalt hilft, um Sicherheit zu erlangen und die befürchtete Auslöschung abzuwenden. Die jüngsten Erfolge auf den Schlachtfeldern scheinen diese Sichtweise zu stützen.

Dabei wäre es gerade jetzt möglich, nicht allein dem kurzfristigen Schutz zu huldigen. Denn auf lange Sicht lässt sich der Kriegsmodus nicht aufrechterhalten. Zu sehr bringt er Israel wirtschaftlich, politisch und militärisch an seine Grenzen.

Bevor das geschieht, sollte echte Führung darin bestehen, den Weg der Diplomatie zu beschreiten. Denn die könnte sich auf die wiedergewonnene Stärke stützen – ein gutes Fundament, um von der Schwäche der Feinde auf Dauer zu profitieren.

Derzeit ist das allerdings Wunschdenken. Nach Überzeugung der Regierenden in Jerusalem sogar ein Zeichen gefährlicher Naivität. Netanjahu jedenfalls hat die Menschen in Israel auf die nächsten Schlachten eingestimmt.

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