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11.11.2025, Ukraine, Gebiet Donezk: Auf diesem Foto leisten Sanitäter dem verwundeten Soldaten Oleg Solontschak an einem Stabilisierungspunkt in der Nähe von Kostjantyniwka in der Region Donezk erste Hilfe.

© dpa/Iryna Rybakova

„Hat noch kein lebender Mensch in Kriegszeiten gesehen“: Ukrainische Soldaten leiden offenbar an Krankheit aus dem Ersten Weltkrieg

In den Truppen Kiews soll der Gasbrand um sich greifen. Für gewöhnlich ist die Krankheit behandelbar – doch an der Front ist eben nichts normal.

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Wenig Personal und ein Himmel voller Drohnen: Immer wieder wird über die prekäre Situation der ukrainischen Frontsoldaten berichtet – deren Versorgung selbst dann schwierig ist, wenn sie nicht – wie derzeit in Pokrowsk – durch eine russische Zangenbewegung vom Nachschub abgeklemmt werden. Eine der Folgen: Schuss- oder Explosionswunden bleiben zu lange unbehandelt. So können sich Bakterien ausbreiten – und Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg werden wach.

Der britische „Telegraph“ berichtet über die Infektionskrankheit Gasbrand, die vor allem im Ersten Weltkrieg verbreitet war, als verwundete Soldaten keine Antibiotika erhielten. Die Mittel wurden erst nach dem Krieg entwickelt, beginnend mit der Entdeckung von Penicillin im Jahr 1928. Und nun ist diese Erkrankung, bei der sich kleine Gasblasen unter der Haut bilden, offenbar zurück.

Drohnen erschweren die Evakuierung – und zwingen Mediziner in den Keller

Denn die Bedingungen für Gasbrand sind wieder günstig: Militärsanitäter erklärten dem „Telegraph“, dass der Drohnenkrieg die Evakuierung der verwundeten Soldaten fast unmöglich gemacht habe. In einem Krieg, der wie kein anderer in der Geschichte durch Drohnen bestimmt wird, ist die Gefahr von oben offensichtlich zu groß geworden. Doch selbst wer es in eines der improvisierten Feldkrankenhäuser schafft, kann nicht sicher sein, zu überleben.

Die Zeitung hat mit einem Sanitäter aus der östlichen Kriegsregion Saporischschja gesprochen. Er wird im Text „Alex“ genannt und berichtete von Bunkern und den Kellern verlassener Gebäude, die als Krankenhäuser hergerichtet worden seien. Inzwischen würde die Behandlung meist nur noch dort passieren, da andere Orte wegen der Drohnen zu gefährlich geworden seien. Doch unter der Erde sind die Mediziner offenbar nicht auf eine adäquate Behandlung von Gasbrand vorbereitet.

Sie heilen im Grunde nur die drängendsten, lebensbedrohlichen Krankheiten“, sagte Alex dem „Telegraph“. Dem Bericht nach seien die Einrichtungen häufig nicht steril und ihre Versorgung mit dem benötigten Material gestalte sich schwierig, da die Transportfahrzeuge Ziele der russischen Armee seien.

Die Konsequenz: „Wir haben es mit Verletzungskomplikationen zu tun, die noch nie von einem lebenden Menschen in Kriegszeiten gesehen wurden“, sagte Alex. Doch bei der Behandlung von Gasbrand ist der Zeitfaktor eben entscheidend, wie der Sanitätsoffizier Alastair Beaven im Artikel zu bedenken gibt. Je länger man warte, desto schlechter.

Unbehandelt ist der Gasbrand „eine extrem lebensbedrohliche Infektion mit einer Sterblichkeitsrate von fast 100 Prozent“, sagte der Mikrobiologie-Professor Lindsey Edwards dem „Telegraph“.

Neben der Zeit gibt es ein weiteres Problem: Antibiotikaresistenzen. Die haben Sanitäter Alex zufolge stark zugenommen. Dieses Problem bezieht sich also auf Fälle, in denen Antibiotika zwar für einen verletzten Soldaten verfügbar sind, sein Körper jedoch nicht darauf anspricht.

Ursächlich sind dem Bericht zufolge „konfliktbedingte Verletzungen, eine verzögerte oder unvollständige Antibiotikabehandlung, eine unterbrochene Gesundheitsversorgung und der häufige Einsatz von Breitbandantibiotika“. (TMA)

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