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US-Präsident Donald Trump nimmt am 24. Juni 2025 am Rande eines NATO-Gipfels an einem Abendessen für NATO-Staats- und Regierungschefs teil.

© REUTERS/TOBY MELVILLE

Update

Verstecktes Uran und unklare Schäden: Das Rätsel um Irans Atomprogramm geht weiter

Eine erste geheimdienstliche Einschätzung geht offenbar davon aus, dass Trumps Bombardement vom Wochenende Irans unterirdische Atomanlagen nicht zerstören konnte. Doch es gibt auch andere Analysen.

Stand:

Die US-Angriffe im Iran haben Teherans Atomprogramm offenbar nur um einige Monate zurückgeworfen. Eine erste geheimdienstliche Einschätzung geht davon aus, dass das Bombardement vom Wochenende Irans unterirdische Atomanlagen nicht zerstören konnte, melden die Zeitung „New York Times“ und der Sender CNN.

Beide Medien berufen sich auf mit dem Bericht vom militärischen US-Geheimdienst (DIA) vertraute Beamte. Experten und Mitgliedern der US-Regierung zufolge handelt es sich bei dem mit dem Vermerk „low confidence“ (geringe Zuversicht) versehenen Papier lediglich um eine erste Einschätzung von einem der insgesamt 18 US-Geheimdienste.

Am Sonntag hatte US-Präsident Donald Trump erklärtdass die drei wichtigsten Atomanlagen des Irans in Isfahan, Natans und Fordo „vernichtet“ worden seien. Die Rede war von einem „Todesstoß“ für das iranische Atomprogramm.

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Der Geheimdienstbericht widerspricht dieser Darstellung: Demnach sollen in der tief in den Berg gebauten Anlage in Fordo nur die Eingänge und die Stromversorgung zerstört worden sein, die unterirdischen Gebäude darunter aber nicht. Fordo wurde genutzt, um mit etwa 3000 Zentrifugen Uran anzureichern.

Der fünfseitige Bericht geht zudem davon aus, dass der Iran seinen Bestand - gut 400 Kilogramm - an angereichertem Uran bereits vor den Angriffen an andere Orte verlegt hat, schreibt die „New York Times“. Auf Satellitenaufnahmen aus der vergangenen Woche sind tatsächlich vor einem der Zugänge von Fordo 16 Lastwagen geparkt. Ob und was genau dort abtransportiert wurde, ist jedoch unklar.

Was aktuell über die Folgen des Angriffs auf Fordo bekannt ist:

1. War der US-Angriff ausreichend?

Vermutlich nicht. Denn auch erste israelische Untersuchungen sind den US-Medienberichten zufolge zum Ergebnis gekommen, dass die unterirdischen Anlagen in Fordo nicht zerstört wurde.

Experten gingen laut der „New York Times“ vor dem Angriff davon aus, dass das Areal tage- oder sogar wochenlang hätte bombardiert werden müssen, um es zu zerstören. Bei dem Schlag auf Fordo in der Nacht zu Sonntag hatten die USA zwölf große bunkerbrechende Bomben eingesetzt, die speziell für diesen Zweck entwickelt wurden.

Der demokratische Kongressabgeordnete Mike Quigley, der auch Teil des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses ist, erklärte gegenüber der „Washington Post“, dass er sehr skeptisch sei, dass das iranische Nuklearprogramm wirklich signifikant verzögert wurde.

Einschlagkrater um die Atomanlage Fordo.

© AFP/-

Denn: Bei den Geheimdienstbriefings der vergangenen Jahre sei die Einschätzung gewesen, dass ein einziges Bombardement nicht reichen würde, um das iranische Atomprogramm zu zerstören. „Mir wurde immer gesagt, dass man den Job mit Bodentruppen erledigen müsse.“

2. Wie schätzen Experten die Folgen für Irans Atomprogramm ein?

CNN zufolge soll der Angriff das iranische Atomprogramm „höchstens um ein paar Monate“ zurückgeworfen haben. Die Zeitung „New York Times“ sprach von weniger als sechs Monaten.

Zuletzt gingen die US-Geheimdienste davon aus, dass der Iran innerhalb von drei Monaten eine Atombombe hätte bauen können.

Nach israelischer Einschätzung soll das Regime hierfür unter anderem geheime Anreicherungsanlagen betrieben haben. Insgesamt ist von 30 Orten die Rede, wo der Iran sein Atomprogramm vorangetrieben hat. Teheran hingegen behauptet seit langem, dass dies nur zivilen Zwecken diene.

Anfang Juni hatte sich bereits der oberste UN-Atomwächter, Rafael Grossi, zunehmend beunruhigt über das iranische Nuklearprogramm geäußert. Der rasche Anstieg der Mengen von beinahe atomwaffentauglichem Uran im Iran gebe Anlass zu „großer Sorge“, sagte Grossi bei einem Treffen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien.

David Albright, Nuklearwaffenexperte beim unabhängigen Militärforschungsinstitut „Institute for Science and International Security“ (ISIS) in Washington, wies auf X darauf hin, dass neue Informationen, die nach dem DIA-Report auftauchten, darauf hindeuteten, dass doch mehr angereichertes Uran zerstört worden sei, als zuvor angenommen. Es sei „schwer zu glauben“, zu welchem Schluss der DIA kommt. Albright arbeitete früher als Chefinspektor der Internationalen Atomenergiebehörde im Iran.

In der Nacht zu Mittwoch hatte der Experte einen ausführlichen Bericht über die Schäden an den iranischen Atomanlagen veröffentlicht. Die Analyse stützt sich auf aktuelle Satellitenbilder, Informationen der israelischen Armee und ein großes Archiv über das iranische Nuklearprogramm, das ISIS besitzt.

Insgesamt hätten die Angriffe Israels und der USA das iranische Zentrifugenanreicherungsprogramm effektiv zerstört, schreibt Albright. Die Infrastruktur für den Bau von Atomwaffen sei schwer beschädigt worden. Die Zeit, die Iran für den Bau selbst einer nicht mit Raketen bestückbaren Atomwaffe benötigen würde, habe sich somit erheblich verlängert.

Zu den wichtigsten Auswirkungen der Angriffe Israels und der USA zählt Albright:

  • Die Beseitigung oder schwere Beschädigung der meisten Zentrifugen am Standort Natans und erhebliche Schäden am unterirdischen Standort Fordo.
  • Die Zerstörung und Beschädigung mehrerer Anlagen im Nuklearkomplex Isfahan, darunter eine Anlage zur Umwandlung von angereichertem Uran in Uranmetall und eine weitere zur Umwandlung von Natururan in Uranhexafluorid. 
  • Durch den Angriff auf den Schwerwasserreaktor IR-40 in Arak wurde der Reaktor wahrscheinlich zerstört, wodurch eine potenzielle künftige Quelle für Plutonium, das für Kernwaffen verwendet werden könnte, ausgeschaltet wurde. 
  • Darüber hinaus wurden mehrere Anlagen zerstört, die in der Vergangenheit und in jüngster Zeit an der Entwicklung von Kernwaffen beteiligt waren. Nicht alle Nuklearanlagen wurden angegriffen, und für einige Anlagen, insbesondere unterirdische Anlagen, seien weitere Schadensbewertungen erforderlich.

Was ein Militärexperte zu den Zerstörungen sagt

Militärexperte Gustav Gressel von der Landesverteidigungsakademie in Wien sagte dem Tagesspiegel, dass die Lage schwierig zu beurteilen sei. Niemand wisse, wo der Iran seine Uranreserven versteckt hält. „Allerdings wurden die meisten Anlagen schwer getroffen.“

Ohne funktionierende Anreicherungsanlagen könne der Iran sein Uran nicht bis zur Waffenfähigkeit anreichern. Für den Bau von Atombomben ist es aber in hochangereicherter Form nötig.

Auf dem Weg zur Bombe sind laut Gressel außerdem noch weiterverarbeitende Anlagen nötig. „Das ist alles andere als trivial, die Anlagen haben die Israelis zerstört.“

In der Folge sieht der Experte den Iran weiter zurückgeworfen, als es im Geheimdienstbericht steht: „Man muss damit rechnen, dass der Iran Jahre bis Jahrzehnte braucht, um wieder da hinzukommen, wo er war. Dementsprechend sieht man auch, dass er gesprächsbereit ist, denn er braucht jetzt in jedem Fall Zeit zur Wiederherstellung von Produktionskapazitäten.“

Ein Rückwurf um nur einige Monate, wie der DIA-Report nahelegt, wäre „hart“. „Dann müsste der Iran über geheime Anlagen zur metallischen Bearbeitung von Uran verfügen, denn Isfahan wurde von den Israelis ziemlich stark getroffen.“

3. Was sagen die Israelis?

Nach den Angriffen auf iranische Atomanlagen ist das Ausmaß der Schäden nach Einschätzung der israelischen Armee derzeit noch nicht klar. „Es ist noch zu früh, um die Ergebnisse des Einsatzes zu beurteilen“, sagte der israelischer Militärsprecher Effie Defrin am Mittwoch bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Er fügte aber hinzu: „Ich glaube, wir haben dem Atomprogramm einen schweren Schlag versetzt. Wir haben es um mehrere Jahre zurückgeworfen.“

4. Wie reagiert Donald Trump auf den DIA-Bericht?

US-Präsident Donald Trump wies die Medienberichte über den DIA-Report noch am Dienstagabend deutscher Zeit zurück. „Die Nuklearanlagen im Iran sind vollständig zerstört!“, erklärte er auf seiner Onlineplattform Truth Social.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in Den Haag berichtete Trump, dass ein israelisches Kommando die Atomanlage in Fordo nach dem US-Angriff inspiziert habe. „Es war totale Zerstörung“, sagte der US-Präsident am Rande des Nato-Gipfels. Weitere Details nannte er jedoch nicht. Seine Aussage löste Spekulationen aus, ob der israelische Geheimdienst Mossad nach dem Angriff vor Ort war. 

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Weiter erklärte Trump: „Ich habe gehört, dass Israel gerade einen Bericht darüber erstellt, und mir wurde gesagt, dass es sich um eine totale Auslöschung (der Anlage in Fordo, Anm. d. Red.) handelt.“

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, bestätigte am Dienstag die Echtheit des DIA-Berichts. Sie sagte jedoch, das Papier sei „völlig falsch und als ‘streng geheim’ eingestuft worden, aber trotzdem durchgesickert“. Die Weitergabe dieser „angeblichen Einschätzung“ sei ein „klarer Versuch“, Trump und die „mutigen Kampfpiloten“ zu diskreditieren.

Leavitt bezeichnete die Mission als „perfekt ausgeführt“ und erklärte im Onlinedienst X: „Jeder weiß, was passiert, wenn man vierzehn 30.000-Pfund-Bomben perfekt auf ihre Ziele abwirft: totale Vernichtung.“

Abgeordnete des US-Kongresses sollten eigentlich am Dienstag über die Folgen des Militäreinsatzes gegen den Iran unterrichtet werden. Das Treffen wurde aber auf Donnerstag (für Mitglieder des Senats) und Freitag (für Mitglieder des Repräsentantenhauses) verschoben. (mit Agenturen)

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