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Der russische Präsident: Wladimir Putin.

© dpa/Alexander Zemlianichenko

Update

Propaganda-Show in Russland: Putin spottet über deutsche Wirtschaft und schlägt USA „Raketenduell“ vor

Putin prahlt bei einem TV-Auftritt mit Russlands ökonomischen Daten. Militärisch sieht er die Ziele in der Ukraine bald erreicht – gleichzeitig provoziert er den Westen.

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Auftritt des russischen Machthabers vor einem Millionen-Publikum: Wladimir Putin hat fast drei Jahre nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine die wirtschaftliche Stärke seines Landes gelobt. Ungeachtet der massiven Sanktionen des Westens zog der Kremlchef eine insgesamt zufriedenstellende Wirtschaftsbilanz des abgelaufenen Jahres – vor allem im Vergleich zu westlichen Industrienationen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2024 um 3,9 Prozent, „vielleicht sogar vier Prozent“ wachsen, prognostizierte er der Agentur dpa zufolge.

In den vergangenen beiden Jahren habe das BIP sogar um acht Prozent zugelegt. Im gleichen Zeitraum habe Deutschland null Prozent Wachstum gezeigt, sagte Putin demnach. Alle EU-Staaten würden ein geringeres Wachstum verzeichnen als Russland, sagte er in seiner im Staatsfernsehen übertragenen kombinierten Jahrespressekonferenz und Bürgersprechstunde in Moskau. Dabei äußert er sich traditionell zu den drängendsten Problemen des Landes – und nutzt den mehrstündigen Auftritt stets für seine Propaganda.

Es gibt hier einige Probleme, nämlich die Inflation, eine gewisse Überhitzung der Wirtschaft.

Wladimir Putin, russischer Machthaber

Putin gestand allerdings ein, dass es Probleme bei der Bekämpfung der Inflation gebe. Seinen Angaben nach sind die Preise im Jahresverlauf um 9,2 bis 9,3 Prozent gestiegen. Dies hänge aber etwa bei den Lebensmitteln damit zusammen, dass der Verbrauch gestiegen sei. „Es gibt hier einige Probleme, nämlich die Inflation, eine gewisse Überhitzung der Wirtschaft und die Regierung sowie die Zentralbank sind bereits damit beauftragt, das Tempo zu drosseln“, sagte Putin.

Sanktionen behindern den Import, besonders von Lebensmitteln. Der Statistikbehörde Rosstat zufolge sind Kartoffeln seit Jahresbeginn fast doppelt so teuer geworden, Zwiebeln sind 45 Prozent teurer, Kohl 40,3 Prozent. Die Preisanstiege seien „nicht angenehm“ und „besorgniserregend“, sagte Putin.

Ökonomen warnen Berichten zufolge vor einem deutlichen Einbruch der Wachstumsraten im kommenden Jahr. Neben der hohen Inflation macht der russischen Wirtschaft auch der sehr hohe Leitzins Probleme, der bei 21 Prozent liegt.

Zuletzt hatte es einen Verfall der Rubel-Währung gegeben, er verlor im November um rund 15 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Viele Analysten machten der Agentur Reuters zufolge dafür Panikkäufe von Fremdwährungen verantwortlich.

„Raketenduell“ mit den USA

Militärisch gab sich Putin triumphal – und bezog sich dabei unter anderem auf eine neue Waffe: Am 21. November hatte die Armee des russischen Machthabers eine prinzipiell atomar bestückbare Hyperschallrakete vom Typ Oreschnik auf die ukrainische Industriestadt Dnipro abgefeuert. Der Kremlchef schlug den USA nun ein „Raketenduell“ vor, um zu zeigen, dass die neue ballistische Waffe von keinem US-Raketenabwehrsystem abgefangen werden könne.

Es gibt keine Chance, diese Raketen abzuschießen.

Wladimir Putin, russischer Präsident, über die Hyperschallwaffe Oreschnik

Wir sind zu einem solchen Experiment bereit“, sagte Putin. Wenn der Westen an der Leistungsfähigkeit der Rakete zweifle, könne er gern ein von allen verfügbaren Flugabwehrwaffen geschütztes Ziel in Kiew benennen, das von Oreschnik beschossen werden solle, so der Machthaber.

„Es gibt keine Chance, diese Raketen abzuschießen.“ Putin reagierte damit auf die Frage des russischen Armeesenders Swesda, der eine angebliche Einschätzung westlicher Experten dazu zitiert hatte, dass Oreschnik im Anfangsstadium leicht zu bekämpfen sei.

Bei dem Angriff auf Dnipro war der Schaden gering gewesen. Das Geschoss trug keine nuklearen Sprengköpfe. Putin bekräftigte am Donnerstag aber, dass Russland im Notfall auch zum Einsatz von Atomwaffen bereit sei. Die neue Doktrin erlaube es, auch einen Angriff nichtnuklearer Länder, die von Atommächten unterstützt würden, mit einem Atomschlag zu beantworten, wenn die Souveränität Russlands bedroht sei. Die nuklearen Sicherheitsgarantien beträfen auch das benachbarte Belarus.

Die Lage im Ukrainekrieg ändere sich gerade deutlich, sagte Putin den Berichten zufolge weiter. Russland sei dabei, seine vorrangigen Ziele zu erreichen. Er bekräftigte seine Bereitschaft, über ein Ende des Kriegs zu verhandeln. Dabei sei er auch zu Eingeständnissen bereit, sagte der 72-Jährige auf eine Frage des US-Senders NBC. „Politik ist die Kunst der Kompromisse.“ Details dazu nannte er nicht. Zugleich warf der Kremlchef der Ukraine einmal mehr vor, Verhandlungen zu blockieren.

Putin „jederzeit“ zu Gespräch mit Trump bereit

Putin betonte, er sei zu einem Treffen mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump bereit. „Ich weiß nicht, wann ich ihn sehen werde. Er sagt dazu nichts“, sagte er der Agentur AFP zufolge. „Ich habe seit mehr als vier Jahren nicht mit ihm gesprochen. Ich bin dazu bereit, natürlich. Jederzeit“, fügte er demnach hinzu. „Und ich bin auch bereit, ihn zu treffen, wenn er will“, sagte Putin weiter. Er sei sich sicher, „dass wir uns viel zu sagen haben“.

Trump hatte am Montag Gespräche mit den Präsidenten von Russland und der Ukraine angekündigt, um Wege zu Beendigung des Ukrainekrieges auszuloten. „Wir müssen das Gemetzel beenden“, sagte Trump vor Journalisten in seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida. Deshalb werde er mit Kreml-Chef Putin und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj sprechen.

Putin will nicht mit Selenskyj verhandeln

Der Republikaner, der am 20. Januar sein Amt antritt, hatte im Wahlkampf eine schnelle Beendigung des Ukrainekonflikts angekündigt. Bei einem Besuch in Paris Anfang Dezember forderte eine „unverzügliche Waffenruhe“ und Verhandlungen. Er sagte auch, dass die Ukraine „wahrscheinlich“ mit weniger Hilfe aus Washington rechnen müsse.

Putin sprach nun Selenskyj ab, ein legitimer Partner für den Abschluss von Friedensverhandlungen zu sein. Dessen Amtszeit sei abgelaufen, und die ukrainische Verfassung erlaube auch im Kriegsrecht keine Verlängerung seiner Vollmachten, behauptete der Kremlchef der dpa zufolge.

Einzig das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, und deren Vorsitzender seien jetzt noch berechtigt, einen Friedensschluss zu unterzeichnen, so Putin. Die ukrainische Führung betont hingegen, dass Selenskyjs Vollmachten weiter gültig seien.

Putin sagte demnach weiter, dass er prinzipiell auch bereit sei, mit Selenskyj Frieden zu schließen – allerdings nur, wenn er vorab in Neuwahlen bestätigt werde. Die Amtszeit Selenskyjs ist 2024 abgelaufen. Wegen der laufenden Invasion und der Besetzung eines beträchtlichen Teils des ukrainischen Territoriums hat Selenskyj die Präsidentenwahl unter Berufung auf das Kriegsrecht abgesagt.

Putin weicht bei Frage zu Kursk aus

Mehr als vier Monate nach Beginn der ukrainischen Offensive im russischen Gebiet Kursk sah sich Putin der Agentur dpa zufolge auch unangenehmen Fragen ausgesetzt. Eine Bewohnerin der Region fragte demnach, wann die Menschen endlich nach Hause zurückkehren könnten und alles wieder aufgebaut werde.

Putin zeigte sich zuversichtlich, dass Moskaus Armee die Kontrolle der Grenzregion Kursk wiedererlangen werde. „Wir werden sie unbedingt hinausschmeißen“, sagte er. Bis wann dies geschehen werde, könne er allerdings „im Moment leider nicht beantworten“, sagte er der AFP zufolge weiter.

Nach der Befreiung der Region werde der komplette Schaden erfasst, sagte Putin. „Alles wird wieder aufgebaut.“ Straßen und die Infrastruktur würden instand gesetzt. Er bat die Menschen in der Region, die ihre Wohnungen verloren haben und in Notunterkünften untergebracht sind, um Geduld.

Die Ukraine hatte im August in der russischen Grenzregion Kursk eine überraschende Militäroffensive gestartet und rund tausend Quadratmeter Land besetzt. Die Offensive war jedoch bald ins Stocken geraten und Russland konnte mittlerweile große Teile seines Gebietes wieder zurückerobern.

Der seit 2000 amtierende Putin hatte seine große Fragestunde seit 2001 Jahr für Jahr abgehalten – die einzige Unterbrechung war die Zeit zwischen 2008 und 2012, als er Ministerpräsident war. Auch im Jahr 2022 war die Pressekonferenz abgesagt worden.

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