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Papst Franziskus ist am Ostermontag gestorben.

© AFP/FILIPPO MONTEFORTE

Kommt jetzt wieder ein italienischer Papst?: Wie es nach dem Tod von Franziskus weitergeht

Das Protokoll schreibt erstmal Trauer vor. Doch die Spekulationen über die Nachfolge von Papst Franziskus sind längst entbrannt. Wer Chancen auf das höchste Amt der katholischen Kirche hat.

Stand:

Bei aller menschlichen Anteilnahme am Schicksal des Papstes, bei aller Trauer über seinen Tod bleiben die Römer nüchterne Naturen: „Se muore il Papa si fa un nuovo – wenn der Papst stirbt, macht man einen Neuen“, lautet ein geflügeltes Wort am Tiber.

Die Ewige Stadt, die schon mehr als 260 Päpste hat kommen und gehen sehen, ist diesbezüglich ziemlich unsentimental. Zunächst muss allerdings der Tod des alten Papstes festgestellt werden.

Dies ist Sache des „Camerlengo“, des Vorstehers der Heiligen Kammer. Früher geschah dies, indem der Kämmerer – so die deutsche Bezeichnung für den „Camerlengo“ – an das Sterbebett des Papstes trat und den Heiligen Vater fragte, ob er schlafe. Kam keine Antwort, schlug er ihm dreimal mit einem silbernen Hammer auf die Stirn; erfolgte erneut keine Reaktion, wurde der Papst offiziell für tot erklärt.

Diese Zeiten sind freilich schon länger vorbei. Heute werden zur Feststellung des Todes Ärzte beigezogen, und das brachiale Hammerritual entfällt. Der 77-jährige irisch-stämmige US-Kardinal Kevin Joseph Farrell, der heute das Amt des Camerlengo ausübt, zieht dem Verstorbenen den Fischerring vom Finger und zerbricht diesen gemeinsam mit dem päpstlichen Siegel. Ring und Siegel sind die Insignien der Macht der Päpste.

Danach wird der „Generalvikar Seiner Heiligkeit für das Bistum Rom“, also der Vertreter des Papstes als Bischof von Rom, über den Tod des Pontifex informiert. Der römische Stellvertreter ist seit dem vergangenen Oktober der sizilianische Kardinal Baldassare Reina: Er hat die Aufgabe, dem Volk von Rom auf dem Petersplatz den Tod des Kirchenoberhaupts zu verkünden.

Papstwahl kann sich über Wochen ziehen

Mit dem Ableben des Papstes beginnt die sogenannte Sedisvakanz, die Zeit, in welcher der Heilige Stuhl unbesetzt ist. Neun Tage wird der Tod des Nachfolgers Petri nach festem Ritus betrauert, nach mindestens 15 und spätestens 20 Tagen tritt das Konklave in der Sixtinischen Kapelle zur Wahl des neuen Pontifex zusammen.

Wahlberechtigt sind alle Kardinäle, die beim Tod des Papstes jünger als 80 Jahre alt sind – derzeit sind es 136. Das sind deutlich mehr als die 120, die Papst Paul VI. als Höchstgrenze festgelegt hatte.

Die Wahl erfolgt in der Regel über mehrere Wahlgänge und kann sich über Tage oder sogar Wochen hinziehen. Ist ein neuer Papst gefunden und hat dieser die Annahme der Wahl erklärt, steigt aus dem Kamin über der Sixtinischen Kapelle der berühmte weiße Rauch auf.

Irgendwann wird weißer Rauch über der Sixtinischen Kapelle aufsteigen und es heißt: „Habemus papam.“ Doch bis dahin kann es dauern.

© imago stock&people/imago stock&people

Wer der Nachfolger von Franziskus werden könnte, weiß derzeit wohl freilich nur der Heilige Geist. Dieser wird die Kardinäle – so heißt es – bei der Wahl des neuen Pontifex begleiten und unterstützen.

Die personellen Weichen für die Wahl seines Nachfolgers hat Franziskus, der mit bürgerlichem Namen Jorge Maria Bergoglio heißt, selber gestellt: 108 der 136 wahlberechtigten Kardinäle des kommenden Konklave wurden bei insgesamt zehn Konsistorien von ihm ernannt. Mehr als 20 verdanken ihr rotes Birett, den Kardinalshut, noch Franziskus’ Vorgänger Benedikt XVI., fünf weitere wurden von Johannes Paul II. ernannt.

Viele konservative Kardinäle wahlberechtigt

Doch trotz der erdrückenden Übermacht der „Bergoglio-Kardinäle“ im kommenden Konklave ist es keineswegs ausgemacht, dass der Nachfolger von Franziskus dessen Kurs einfach weiterführen wird.

Das liegt in erster Linie daran, dass die von Franziskus ernannten wahlberechtigten Kardinäle aus mehr als 50 verschiedenen Ländern stammen. Viele kennen sich kaum, was die Bildung von Seilschaften erschwert.

Die Kardinäle bei der letzten Papstwahl im Jahr 2013.

© imago stock&people

Der „Papst vom anderen Ende der Welt“, wie sich der Argentinier Bergoglio nach seiner Wahl 2013 genannt hatte, hat bei seinen Kardinalsernennungen den Einfluss der „Peripherie“ und des globalen Südens in der katholischen Weltkirche gestärkt, auf Kosten vor allem der Europäer.

Aber unter den Kardinälen der „Peripherie“ gibt es zu den verschiedenen Fragen – Stichworte Frauenordination, Zölibat, Haltung gegenüber homosexuellen Paaren – sehr unterschiedliche Positionen.

Viele der „Bergoglianer“ zeichnen sich zwar durch ihr Engagement für die sozial Schwachen, für den Frieden, für die Umwelt und für die Migranten aus. Aber in dogmatischen Fragen sind gerade die Kardinäle aus Afrika und Asien tendenziell deutlich konservativer als diejenigen aus dem „Westen“.

Italienische Kardinäle wünschen sich einen Landsmann

Vatikanexperten und Spezialisten für das „Toto-Papa“, wie in Italien die Spekulationen über die Papstnachfolge genannt wird, sind sich diesmal ziemlich einig, dass der Ausgang des bevorstehenden Konklaves so unvorhersehbar ist wie lange nicht mehr.

Klar ist, dass die italienischen Kardinäle, die über Jahrhunderte beinahe sämtliche Päpste gestellt hatten, nach einem polnischen, einem deutschen und einem argentinischen Papst nun wieder einen der ihren als Stellvertreter von Petrus sehen wollen.

Vor wenigen Tagen erst empfing er den US-Vize-Präsidenten JD Vance im Vatikan: Pietro Parolin gilt als einer der Favoriten unter den potenziellen Papst-Nachfolgern.

© AFP/HANDOUT

Die Italiener stellen im Konklave mit 17 Wählern immer noch einen beachtlichen Machtblock. Zum Vergleich: Deutschland hat nur drei wahlberechtigte Kardinäle.

Als „Papabili“, also als mögliche Papstnachfolger, gelten unter den italienischen Purpurträgern Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, Chefdiplomat des Vatikans und als Nummer Zwei im Vatikan rechte Hand Papstes.

Chancen eingeräumt werden aber auch dem Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, Matteo Zuppi, sowie dem lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa. Die beiden gelten als überzeugte „Bergoglianer“ und könnten zu Spitzenkandidaten der „Progressiven“ im Konklave werden.

Das Problem ist: Die italienischen Kardinäle, und ganz besonders die Kurienkardinäle, genießen bei vielen anderen Purpurträgern keinen besonders guten Ruf, weil sie – zu Recht oder zu Unrecht – als intrigant gelten.

Kaum Chancen für deutsche Kardinäle

Neben den Italienern gibt es aber durchaus noch weitere europäische Kardinäle, denen Chancen eingeräumt werden, Nachfolger von Franziskus zu werden: Immerhin stellen die Europäer, obwohl ihr relatives Gewicht im Konklave unter Franziskus abgenommen hat, mit 54 wahlberechtigten Kardinälen immer noch 46,5 Prozent des Wahlgremiums.

Zum erweiterten Kreis der europäischen Papabili zählen der luxemburgische Kardinal Jean-Claude Hollerich und der Malteser Mario Grech. Beide hatten bei der Organisation der Weltsynode Schlüsselpositionen inne und haben sich dabei als Vermittler und Zuhörer profiliert. Beide gelten als eher liberale, weltoffene Kardinäle, die einen sehr guten Draht zu Franziskus hatten.

In Deutschland ist der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bekannt, in Rom werden ihm allerdings nur geringe Chancen auf den Papststuhl eingeräumt.

© dpa/Oliver Berg

Zu den Hoffnungsträgern der konservativen Fraktion zählen der Ungar Peter Erdö (Erzbischof von Budapest), der Niederländer Willem Eijk (Erzbischof von Utrecht) und der Franzose Jean Marc Aveline (in Algerien geborener Erzbischof von Marseille).

Wenig Chancen eingeräumt werden bei diesem Konklave den drei deutschen Kardinälen Reinhard Marx, Gerhard Ludwig Müller und Rainer Maria Woelki – schon allein deshalb, weil Deutschland vor noch nicht allzu langer Zeit einen Papst hatte.

Oder kommt ein afrikanischer Papst?

Es ist aber ohnehin fraglich, ob der nächste Papst ein Europäer sein wird. Viele Vatikankenner glauben, dass diesmal die Zeit reif sein könnte für den ersten asiatischen oder afrikanischen Papst.

Der Anteil der afrikanischen Kardinäle im Konklave ist unter Franziskus von 9 auf 16 Prozent; gestiegen; die Zahl der Purpurträger aus Asien erhöhte sich von 9 auf 22 Prozent.

136
wahlberechtigte Kardinäle gibt es.

Unter den Afrikanern zählen der Erzbischof von Kinshasa, Fridolin Ambongo Besungu, und der erzkonservative einstige Präfekt der Gottesdienstkongregation, Robert Sarah aus Guinea, zu den Favoriten.

Der frühere Benedikt-Vertraute Sarah ist ein erklärter Gegner von Franziskus, lehnt jegliche Öffnung ab und wäre ein idealer Kandidat für all jene Kardinäle, die das Pontifikat Franziskus’ so schnell wie möglich vergessen machen wollten.

Der meist genannte Papstanwärter aus Asien wiederum ist seit Jahren Luis Antonio Tagle, der ehemalige Erzbischof von Manila und frühere Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Tagle wäre bei weitem nicht so konservativ wie Sarah.

Angst vor „Trumpisierung“ des Vatikans

Natürlich warten auch die US-Kardinäle schon lange darauf, dass einer der ihren den Heiligen Stuhl erklimmen wird. Immerhin ist die katholische Kirche Nordamerikas die wichtigste Geldgeberin des Vatikans.

Und die USA könnten mit dem ehemaligen Erzbischof von Washington, Wilton Daniel Gregory, sogar einen Kandidaten ins Rennen schicken, der wie Sarah oder Besungu ebenfalls als erster schwarzer Papst in die zweitausendjährige Geschichte der katholischen Kirche eingehen könnte: Er ist der erste US-Kardinal afroamerikanischer Abstammung.

Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.

Sprichwort im Vatikan

Mit seinen 77 Jahren ist Gregory allerdings bereits zu alt, um ernsthafte Chancen zu haben. Auch die anderen US-Kardinäle können sich nicht allzu grosse Hoffnungen machen: Die Trump-Anhänger unter ihnen, allen voran ihr reaktionärer Wortführer Raymond Leo Burke, werden nach der Wahl ihres Idols zum Präsidenten der USA die Sorge der übrigen Kardinäle vor einer „Trumpisierung“ der katholischen Kirche zu spüren bekommen.

Angesichts der personellen Zusammensetzung des Konklaves ist es aber eher unwahrscheinlich, dass es nach Franziskus zur großen, konservativen Restauration kommen wird. Aber eine mehr oder weniger markante Kurskorrektur ist nicht auszuschließen.

US-Kardinal und Trump-Anhänger Raymond Leo Burke.

© REUTERS/Yara Nardi

Vielleicht wird man in einigen Tagen mehr wissen: Jeden Tag werden nun weitere Papstwähler aus aller Welt in Rom eintreffen und sich im Rahmen der sogenannten Generalkongregationen über mögliche Kandidaten austauschen.

Offiziell dienen diese Gespräche der Vorbereitung des Konklave; gleichzeitig übernehmen die Generalkongregationen auch die Leitung der Kirche während der Sedisvakanz. Theoretisch sind die Gespräche der Kardinäle geheim wie das Konklave selber.

Ob dennoch Informationen über mögliche Nachfolger durchsickern, bleibt abzuwarten. Zumindest bisher scheint das Rennen um die Nachfolge von Papst Franziskus aber völlig offen, Favoriten gibt es keine.

Das ist nicht weiter tragisch, denn auch für vermeintliche Favoriten haben die Römerinnen und Römer ein geflügeltes Wort bereit: „Wer als Papst – also als Favorit – ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.“

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