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Nato-Truppen.

© AFP/DANIEL MIHAILESCU/File

Konzept soll im Juni präsentiert werden: Europäische Staaten arbeiten offenbar an Plan, um die Nato zu übernehmen

Bisher ist die Allianz auf eine Führung der USA ausgelegt. Ohne US-Systeme könnten Europäer gar nicht kämpfen. Eine Reihe von Staaten will das laut einem Bericht ändern – und Trump entgegenkommen.

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Eine Reihe europäischer Staaten arbeitet offenbar an einem Plan, um schrittweise die militärische, organisatorische und finanzielle Verantwortung innerhalb der Nato von den USA zu übernehmen. Ein entsprechender Vorschlag soll der neuen Regierung im Weißen Haus unter Donald Trump unterbreitet werden, wie die „Financial Times“ unter Berufung auf an den Verhandlungen beteiligte Politiker berichtet. Das Konzept soll demnach auf dem Nato-Gipfel in Den Haag im Juni präsentiert werden.

Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die nordischen Staaten seien nach Angaben mehrerer europäischer Regierungsvertreter an den inoffiziellen Gesprächen beteiligt. Ziel ist es demnach, dass die europäischen Staaten innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre in der Lage sein sollen, Europa selbstständig zu verteidigen.

Ein zentraler Punkt des Vorschlags soll eine verbindliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben sowie der gezielte Aufbau militärischer Schlüsselkapazitäten, die bisher noch von den USA bereitgestellt werden, sein. Dabei geht es allerdings wohl ausschließlich um nicht-nukleare Waffen. Somit wäre die Nato auch weiterhin vom US-Nuklearschirm abhängig. Details zu den anvisierten Kapazitäten nennt der Bericht nicht.

Europäische Armeen könnten ohne US-System oftmals gar nicht kämpfen

Bisher ist die Nato in ihrer gesamten Organisation darauf ausgelegt, dass die USA das Kommando übernehmen und einen Großteil der militärischen Kapazitäten stellen, während die europäischen Armeen mit ihren entsprechenden Fähigkeiten in zugewiesenen Bereichen unterstützen. Entscheidend – und kurzfristig unersetzbar – für die Nato-Strategie sind vor allem US-amerikanische Satellitentechnologie, Aufklärungsschiffe und -flugzeuge, Luftbetankung, Kommunikationssysteme, Luftabwehrsysteme und Cyberabwehr.

Zudem verfügen die USA über eine ganze Reihe nuklearer und nicht-nuklearer Waffensysteme, die kein anderes Mitglied hat. Immer noch sind 80.000 US-Soldaten sowie große Flotten- und Luftwaffenverbände in Europa stationiert. Trump beschwert sich seit Jahren, dass die USA damit faktisch für die Verteidigung Europas aufkommen müssten. Europäischen Staaten wie Deutschland wirft er dagegen vor, jahrelang ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Nato nicht erfüllt und ihre Armeen vernachlässigt zu haben.

Immer wieder weckten Bemerkungen Trumps zudem Befürchtungen, die USA könnten sich ganz oder teilweise aus dem Verteidigungsbündnis zurückziehen. Allerdings hat das Weiße Haus dem immer widersprochen, sich offiziell zur Nato bekannt und seine Verpflichtungen bislang vollständig erfüllt.

Beobachter gehen allerdings davon aus, dass sich Washington auf strategischer Ebene zunehmend aus Europa und dem Nahen Osten zurückziehen will, um sich stärker auf China und den Pazifikraum zu konzentrieren.

Neue europäische Verteidigungsallianz wäre komplizierter

Nato-Experten argumentieren laut Bericht, dass es dennoch einfacher sei, das bestehende Bündnis mit geringerer US-Beteiligung weiterzuführen, als eine völlig neue Struktur aufzubauen. Die gemeinsame Kommandostruktur, Verteidigungspläne und Zielvorgaben sind bereits etabliert. In einer neuen, rein europäischen Lösung müssten diese erst mühsam neu verhandelt werden.

Bereits jetzt zeichnen sich Veränderungen ab. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, investieren massiv in Aufrüstung. Großbritannien und Frankreich treiben den Aufbau einer „Koalition der Willigen“ voran, die unabhängig von den USA in der Lage sein soll, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Beide stellten der Ukraine zudem erstmals Aufklärungsdaten zur Verfügung, die bisher ausschließlich von den USA kamen. Auch eine europäische Alternative zum US-Satellitennetzwerk „Starlink“, das an der Front in der Ukraine unerlässlich ist, wird weiterentwickelt.

Doch es gibt auch Bedenken bei der neuen Initiative. Einige Länder plädieren dem Bericht der „Financial Times“ zufolge dafür, nicht proaktiv Neuverhandlungen zur Lastenverteilung zu führen, da dies die USA zu einem schnelleren Rückzug motivieren könnte. Europäische Alternativen aufzubauen, würde in jedem Fall nicht nur Milliarden kosten, sondern auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

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