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Der französische Ministerpräsident François Bayrou (li.) mit Mitgliedern seiner Regierung in der Assemblee Nationale.

© dpa/THIBAUD MORITZ

Krise in Frankreich: Wie lange wird sich die Regierung diesmal halten?

Sein Vorgänger war nur drei Monate im Amt. Premier François Bayrou versucht diese Woche, worüber die letzte Regierung gestürzt war: ein Haushaltsgesetz durchzubringen. Mit Erfolg?

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Frankreich hatte allein im Jahr 2024 vier Ministerpräsidenten. Seit dem Sturz der Regierung Michel Barniers im Dezember ist jetzt François Bayrou im Amt.

Er bastelt an dem längst überfälligen Haushaltsgesetz – seinen Vorgänger hatten Linke, Sozialisten und Rechtsextreme darüber zu Fall gebracht. Am Montag will er den ersten Teil per Verfassungsartikel 49.3 ohne Abstimmung durch das Parlament bringen. Darauf folgt sicher am Mittwoch eine Vertrauensabstimmung.

Die neue Regierung hat auch keine Mehrheit im Parlament, die Parteien stehen sich inhaltlich teilweise diametral gegenüber. Wie lange wird Bayrou sich im Amt halten können? Zwei Experten und eine Expertin ordnen die Lage ein. Weitere Folgen des Formats „3 auf 1“ finden Sie hier.


Kommt der Haushalt durch, hat die Regierung sechs Monate gewonnen

Mit Verhandlungsgeschick könnte es Premier Bayrou gelingen, einen Haushalt durchs Parlament zu bringen. Dann wäre der Weg für die nächsten sechs Monate frei, bis zum nächsten Haushaltsverfahren.

Dabei folgt er der Linie: Ein Haushalt ist besser als kein Haushalt. Auch wenn die nötigen Zugeständnisse teuer werden, ein weiteres Misstrauensvotum käme noch teurer.

So hat er seinen Gesetzentwurf durch den Senat (zweite Parlamentskammer) gebracht, durch den Vermittlungsausschuss, es fehlt noch die endgültige Zustimmung der ersten Kammer. Dafür muss er die Sozialisten aus der linken „Volksfront“ lösen. Sie schwanken noch zwischen „konstruktiver“ und „Frontalopposition“.

Den Ausschlag könnte ein alter Bekannter geben: François Hollande sitzt wieder im Parlament. In der Stichwahl zum Präsidentenamt 2012 hatte Bayrou dazu aufgerufen, ihn zu unterstützen. Enthalten sich die Sozialisten jetzt, wäre anstelle der Abwahl der Regierung der Haushalt angenommen und der Weg für Bayrou frei.


Der Eiertanz kann jederzeit zu Ende sein

Die Minderheiten-Regierung Bayrou kann jederzeit über den Haushalt stürzen. Einen ersten Misstrauensantrag nach der Regierungserklärung hat sie zwar bereits überlebt – weil die Sozialisten sich ihm nicht angeschlossen hatten. Damit war die Fraktion erstmals seit der Parlamentswahl im vergangenen Sommer aus dem Linken-Bündnis ausgeschert.

Doch ohne Koalitionsbildung ist die Unterstützung punktuell und keine Garantie für gar nichts. Bayarou versucht nun in Sachen Haushalt, Linke und Rechtsextreme knapp unterhalb ihrer Schmerzgrenze zu enttäuschen, damit sie stillhalten.

Dann aber überschattete auch in Frankreich plötzlich die Migrationsdebatte wieder alles. Bayrous völlig unnötige TV-Äußerungen, dass ausländische Einflüsse auf ein Volk positiv seien, „solange sie einen bestimmten Anteil nicht überschreiten“, und sein Vokabular der „Überflutung“ hatten dazu geführt, dass die Sozialisten erzürnt die Haushaltsgespräche zunächst aussetzten.

Allerdings: So unnötig waren Bayrous Worte eben doch nicht – sie sollen die Rechtsextreme Le Pen bei Laune halten. Daher: Es bleibt also beim Eiertanz – und wie sich die Fraktionen bei den Abstimmungen diese Woche verhalten, ist offen.


Frankreich braucht eine Wahlrechts-Reform

Die politische Krise wirkt zunehmend systemisch. Die V. Republik ist auf stabile Mehrheiten des Präsidenten in der Nationalversammlung ausgelegt. Diese wird Macron nicht mehr bekommen.

Wie lange Bayrou sich hält, ist daher fast nebensächlich. Kaum jemand – Politiker nicht und Wähler schon gar nicht – glauben, dass eine erneute Wahl daran grundsätzlich etwas ändern würde.

Für Frankreich stellt sich damit die Frage, wie es demokratisch weitergeht. Debatten um eine Wahlrechtsreform gibt es seit Jahren, nun werden sie neu geführt.

Dass kurzfristig etwas wie der deutsche Parlamentarismus entsteht, die „republikanische Monarchie“ ersetzt, ist illusorisch – zumal der Blick nach Deutschland vermehrt von Sorgen, statt von Bewunderung geprägt ist.

Was bleibt, sind Experimente, etwa mit Referenden. Premierminister Bayrou könnte diese Entwicklung einleiten. Der letzte französische Volksentscheid, daran sei erinnert, lehnte 2005 eine europäische Verfassung ab – deren Inhalte dank des Lissabon-Vertrags aber doch kamen.

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