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Der syrische Interimspräsident Ahmed al-Sharaa und Mazlum Abdi nach der Unterzeichnung des Abkommens.

© REUTERS/SANA

Kurden einigen sich mit Damaskus : Syriens Interimspräsident und SDF-Chef unterzeichnen Vereinbarung

Syrien soll Gesamtstaat bleiben. Der neue Herrscher in Damaskus, Ex-Dschihadist Ahmed al-Scharaa, und der Oberkommandeur der kurdischen Autonomieregion, Mazlum Abdi, signieren ein historisches Abkommen.

Stand:

Die autonomen Strukturen der syrischen Kurden sollen in den Gesamtstaat integriert werden – die neue Regierung in Damaskus hätte zumindest formal Zugriff auf die Kurdenregion im Norden des Landes. Darauf, melden Nachrichtenportale aus der Region, einigten sich am Montag der syrische Interimspräsident, der Ex-Dschihadist Ahmed al-Sharaa, und der Kommandeur der kurdischen De-facto-Armee SDF, Mazlum Abdi.

Der kurdische Sender „Rudaw“ mit Sitz im Irak nannte das Abkommen „wegweisend“, was nicht übertrieben wäre. Mit Beginn des syrischen Bürgerkrieges erkämpften die Kurden im Norden und Osten des Landes weitgehende Autonomie. Die dortige Selbstverwaltung wird von der säkularen Kurdenpartei PYD regiert und wurde in den letzten Jahren von Islamisten, der türkischen Armee und der Zentralregierung von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad attackiert. 

Alle kurdischen Institutionen in den syrischen Staat?

Nachdem vor einigen Monaten die Islamisten-Miliz HTS das Assad-Regime stürzte und die Regierung in Damaskus übernahm, suchte die Kurdenführung mit ihr das Gespräch. Der Spitze der multiethnischen, überkonfessionellen SDF, die von Kurden dominiert wird, ging es darum, Gefechte zwischen dem arabischen Süden und dem kurdischen Norden zu verhindern.

Überraschend haben sich nun der frühere Dschihadist Sharaa und der von den USA unterstützte Abdi offenbar geeinigt. So seien „alle zivilen und militärischen Institutionen“ im kurdischen Nordosten des Landes „unter die Verwaltung des syrischen Staates zu integrieren, einschließlich Grenzübergängen, des Flughafens sowie der Öl- und Gasfelder“, schrieb am Montag die informierte „Rudaw“-Redaktion.

Demnach sollen kleinere Komitees einen Weg skizzieren, um das Abkommen bis Jahresende umzusetzen. Vereinbart wurde:

  1. Gewährleistung des Rechts aller Syrer auf Vertretung und Teilnahme am politischen Prozess und an allen staatlichen Institutionen auf der Grundlage ihrer Kompetenz, unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen Herkunft.
  2. Die kurdische Gemeinschaft ist eine heimische Gemeinschaft im syrischen Staat: Er garantiert ihr Recht auf Staatsbürgerschaft und verfassungsmäßigen Rechte.
  3. Waffenstillstand in allen syrischen Gebieten
  4. Integration aller zivilen und militärischen Institutionen im Nordosten Syriens in die Verwaltung des syrischen Staates, einschließlich Grenzübergängen, des Flughafens sowie der Öl- und Gasfelder.
  5. Sicherstellung der Rückkehr aller vertriebenen Syrer in ihre Heimatorte und Gewährleistung ihres Schutzes durch den syrischen Staat.
  6. Unterstützung des syrischen Staates im Kampf gegen die Überreste des Assad-Regimes und alle Bedrohungen seiner Sicherheit und Einheit.
  7. Ablehnung von Aufrufen zur Spaltung, Hassreden und Versuchen, in der syrischen Gesellschaft nun Zwietracht zu säen.
  8. Die Exekutivkomitees sollten daran arbeiten, die Vereinbarung bis zum Jahresende umzusetzen.

Unklar blieb am Montag, was mit den noch bis zu 50.000 in der Kurdenregion inhaftierten Anhängern des „Islamischen Staates“ (IS) geschehen soll. Nach dem Sturz des IS als Territorialmacht wurden massenhaft Dschihadisten in stadtähnliche Camps verbracht, dort leben auch deren Familien aus dem einstigen IS-Regime im syrisch-irakischen Grenzgebiet.

Wie reagiert der türkische Präsident Erdogan?

Die SDF, insbesondere deren YPG-Einheiten, hatten den IS aus den meisten Orten der Region vertrieben. Dennoch greifen die türkische Armee und mit ihr verbündete Islamisten der Söldnertruppe SNA die kurdische Autonomiezone seit Jahren regelmäßig an: Inzwischen sind weite Gebiete der syrischen Kurden von türkischen Truppen besetzt. Das schwächt nach Ansicht internationaler Beobachter den Kampf gegen den Dschihadismus, immer wieder konnten IS-Leute aus den erwähnten Camps fliehen.

Ankara betrachtet die in Nordsyrien regierende PYD als Schwesterpartei der auch in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK: Die PKK kämpft um kurdische Autonomie in der Türkei, ihr Hauptquartier liegt in der nordirakischen Kurdenregion. Der in der Türkei seit 1999 inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan hat kürzlich zu einem Waffenstillstand, Friedensgesprächen und möglichen Auflösung der militanten Partei aufgerufen.

Vor einem Monat wiederum traf sich Syriens Übergangspräsident al-Scharaa in Ankara mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Beide eint ihre islamistische Herkunft – und vielleicht ihr machtpolitischer Pragmatismus.

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