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„Maduro ist ein leichtes Ziel“: Würden die USA wirklich Venezuela angreifen?
US-Präsident Donald Trump droht dem venezolanischen Machthaber mit Militär. Der lässt Milizen im Land bewaffnen. Wie Menschen in Venezuela die bedrohliche Lage erleben.
Stand:
Als Maria vor einigen Tagen aus dem Fenster in einem Viertel ihrer Stadt schaute, fuhren dort plötzlich ein Wasserwerfer und mehrere Lastwagen vor. Eine Reihe von Männern und Frauen in Ausrüstung hantierten, wie sie die Szene dem Tagesspiegel beschreibt, etwas unbeholfen mit Schutzschilden.
Maria heißt eigentlich anders. Ihre Identität bleibt hier anonym, weil allein ihre Aussagen für sie gefährlich werden können. „Sie hören unsere Telefone ab“, schreibt sie per Nachricht und meint die venezolanische Regierung. Dann erzählt sie, wie vor dem Fenster des Gebäudes zivile Milizen für den vermeintlichen Krieg trainiert wurden.
Auslöser dafür sind die USA: Die Beziehungen zwischen beiden Ländern befinden sich auf einem Tiefpunkt. Verbal attackieren sich US-Präsident Trump und der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro schon lange. Ersterer bezeichnet Maduro als Narco-Boss, Zweiterer Trump als Imperialisten.
Die USA schossen bereits zwei Boote ab
In den vergangenen Wochen aber folgten auf die Worte erste Taten: Die USA stationierten mehrere Kriegsschiffe vor der Küste Venezuelas und schossen anschließend zwei Boote ab – laut Aussagen der Trump-Regierung waren sie mit Drogen in Richtung USA unterwegs. Der Fernsehsender NBS berichtete vor wenigen Tagen, das US-Militär bereite mögliche Angriffe auf Drogenhändler in Venezuela vor.
Es wirft die Frage auf: Könnten die USA tatsächlich Venezuela angreifen?
Phil Gunson hält das für unwahrscheinlich. Er arbeitet als Analyst bei der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group und lebt in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. „Die USA haben keine klare außenpolitische Linie gegenüber Venezuela.“ Auf der einen Seite gebe es Leute in der Trump-Regierung, die eine harte, militarisierte Drogenpolitik verfolgten.
„Maduro ist ein leichtes Ziel, an dem sie testen können, wie weit sie gehen können: Er ist international nicht legitimiert, isoliert. Gegen andere Länder wie Mexiko oder Kolumbien sind solche Militärschläge derzeit undenkbar“, sagt Gunson. Auch, wenn Trump sie bereits mehrfach androhte.
Auf der anderen Seite, sagt der Analyst, gebe es Leute in der Trump-Regierung, die die Massenabschiebungen intensivieren wollten. „Solche wie der stellvertretende Stabschef Stephen Miller. Es mag widersprüchlich klingen, aber wenn sie einen Krieg anfangen, können sie den Alien Enemies Act gegen venezolanische Staatsbürger in den USA einsetzen.“
Das Gesetz von 1798 erlaubt es der US-Regierung, Verfahren vor Einwanderungsgerichten zu umgehen, um Ausländer zu inhaftieren und abzuschieben, die aus einer „feindlichen Nation“ stammen.

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Und dann, sagt Gunson, gibt es noch eine dritte Position. Die von Marco Rubio: „Er hat es verstanden, die beiden Lager miteinander zu verbinden – weil er Maduro stürzen will.“ Die Bedrohung von außen könnte im Land allerdings einen gegenteiligen, einenden Effekt haben.
„Selbst aus der moderaten Opposition hört man Menschen sagen: Das ist eine Frage unserer Souveränität. Wenn die USA angreifen, werde ich mein Land verteidigen.“
Laut einem „New York Times“-Bericht soll eine Gruppe um die Oppositionsführerin María Corina Machado mit der Trump-Regierung an einem Plan für die Machtübernahme arbeiten. Wie genau dieser aussehen soll, ist ungewiss.
Die Panzer auf der Straße, das Militärtraining – das ist Show.
Phil Gunson, Analyst in Venezuela
„Es gibt durchaus die Sorge, dass die Lage dann noch schlimmer werden könnte“, sagt Analyst Gunson. „Wer gewährleistet die Sicherheit im Land, wenn Maduro ohne eine Absprache mit dem venezolanischen Militär entmachtet würde? Die Gefahr ist groß, dass dann Chaos ausbricht.“
Das Regime in Caracas jedenfalls ist nervös. Maduro lässt derzeit zivile Milizionäre trainieren und schwört sein Land auf Krieg ein. „Die Panzer auf der Straße, das Militärtraining – das ist Show“, sagt Phil Gunson. „Die Milizen, von denen Maduro häufig spricht, sind schlecht trainiert und noch schlechter bewaffnet. Sie sind keine Gefahr für die USA.“

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Auch Maria, die die Trainings mit eigenen Augen gesehen hat, sagt: Es gehe dabei nicht um einen Krieg gegen die USA, sondern um einen Krieg gegen die Bürgerinnen und Bürger Venezuelas.
„Da haben sich Leute hingestellt und so getan, als wären sie Demonstranten der Opposition. Die anderen haben dann mit dem Wasserwerfer geübt, sie auseinanderzutreiben“, sagt sie. „So sichtbar, am helllichten Tag, das habe ich bisher noch nicht gesehen. Es wirkt so, als wolle die Regierung Stärke demonstrieren – aber nicht um den USA, sondern um uns Angst zu machen.“
Venezuela steckt in einer wirtschaftlichen Krise
Seit über einem Jahr hält sich Maduro gewaltsam an der Macht. Bei der Wahl vergangenen Juli soll er massiven Betrug begangen haben, viele Länder der Welt haben ihn deshalb bis heute nicht als Präsidenten anerkannt.

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Er regiert autokratisch. Die meisten Oppositionspolitikerinnen und -politiker – so auch Edmundo González, der vermutlich eigentliche Gewinner der vergangenen Präsidentschaftswahlen – sind inzwischen ins Ausland geflohen. Proteste in den Tagen nach der Wahl wurden von Polizei und Milizen gewaltsam niedergeschlagen.
Jetzt, wo die Spannungen mit den USA steigen, sei die Stimmung im Land sehr gemischt, erzählt Phil Gunson. „Es gibt die, die die USA bejubeln und auf eine Invasion hoffen. Dann gibt es die, die aufrichtig Angst haben. Und dann wieder welche, die Witze darüber machen.“
Zu denen gehört auch Maria: „Ich habe gelacht, als ich dieses armselige Training gesehen habe. Und habe das Gefühl, dass aus dieser Situation auch eine Chance erwachsen kann für uns Menschen im Land. Da ist eher Ungeduld als Angst“, sagt sie. Zu diesem Zeitpunkt ist für sie jede Veränderung eine gute. Auch, wenn sie eine US-Militärintervention beinhalten sollte.
Über die politische Situation hinaus steckt Venezuela seit Jahren in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, ausländische Sanktionen verschärfen die Lage. 2023 lebte mehr als die Hälfte der Bevölkerung in extremer Armut, der Mindestlohn beträgt umgerechnet weniger als einen US-Dollar. Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wird die Inflation bis Ende 2025 bei 254 Prozent liegen.
Und so machen die meisten Venezolanerinnen und Venezolaner während dieser angespannten Zeiten vor allem eines: weiterarbeiten.
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