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Eine Drohnenaufnahme zeigt beschädigte Gebäude in Myrnohrad.

© REUTERS/OBTAINED BY REUTERS

Manipulierte Ukraine-Karte?: ISW-Mitarbeiter soll Frontverlauf für Wettgewinn verfälscht haben

Geht es um die Ukraine-Berichterstattung oder Kriegsanalysen, dann werden häufig die Frontverlaufskarten vom ISW herangezogen. Nun soll ausgerechnet eine dieser Karten manipuliert worden sein.

Stand:

Ein Mitarbeiter der US-amerikanischen Denkfabrik „The Institute for the Study of War“ (ISW) soll eine interaktive Livekarte zum aktuellen Frontverlauf im Ukrainekrieg manipuliert haben. Die Anpassung erfolgte brisanterweise genau zu dem Zeitpunkt, an dem auf der Online-Glücksspielplattform „Polymarket“ eine Wette zu einem russischen Durchbruch bei Myrnohrad entschieden wurde. Das geht aus einer Recherche des Investigativmediums „404 Media“ hervor, die bereits Anfang Dezember veröffentlicht wurde.

Das ISW veröffentlicht regelmäßig einen Lagebericht zum Ukrainekrieg, Einschätzungen von Militäranalysten und detaillierte Karten zum aktuellen Frontverlauf. Für die Karten werden mitunter öffentlich zugängliche Informationen („Open Source Intelligence“, kurz: OSINT), Satellitenbilder, Regierungsangaben und Frontberichte in Social-Media-Kanälen analysiert.

Das ISW schreibt auf seiner Webseite, dass seine Einschätzungen zu den aktuellen Frontverläufen von internationalen Leitmedien, „politischen Entscheidungsträgern, Geheimdienstmitarbeitern und Militärs“ genutzt werden.

Bei der Wettplattform „Polymarket“ handelt es sich um einen kryptowährungsbasierten Vorhersagemarkt mit Sitz in New York. Weil Nutzerinnen und Nutzer hier ihr Geld auf den Ausgang von Ereignissen aus nahezu jedem Themengebiet setzen können – wie Promi-Trennungen, Wahlen, Naturkatastrophen, Kriegsgeschehen – gerät die Plattform immer wieder in die Kritik und wurde beispielsweise von der „Zeit“ als „Gamification des Weltgeschehens“ bemängelt.

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Was weiß man über die Manipulation der ISW-Karte?

Der „404 Media“-Recherche zufolge wird derzeit auf „Polymarket“ eine Wette angeboten, bei der man auf das Eroberungsdatum der ostukrainischen Stadt Myrnohrad setzen kann. Die Wette ist aktuell immer noch online und bietet zwei Fristen zur Auswahl an: eine vollständige Eroberung bis zum 31. Dezember oder bis zum 31. Januar.

Auch am 15. November gab es auf „Polymarket“ einen solchen Stichtag. Die Wette „Wird Russland Myrnohrad einnehmen?“ generierte der Investigativrecherche zufolge bereits ein Umsatzvolumen von mehr als einer Million US-Dollar.

Laut dem Wettanbieter gilt Myrnohrad als von Moskau erobert, sobald russische Truppen gemäß der aktuellen ISW-Frontkarte eine Kreuzung zwischen Vatutina Vulytsya und Puhachova Vulytsya erobert haben. Ist diese Kreuzung rot markiert, bedeutet das demnach eine russische Kontrolle.

„404 Media“ zufolge war genau dieser Bereich auf der ISW-Karte unmittelbar vor dem Wettende und dem Abrechnungszeitraum am 15. November rot markiert und damit unter Russlands Kontrolle. „Nach der Marktentscheidung verschwand die rote Schattierung auf der Karte wieder“, heißt es in der Recherche. Das wiederum deute darauf hin, dass ein IS-Mitarbeiter mit den entsprechenden Bearbeitungsrechten „die Karte vor der Marktentscheidung verändert hat“.

Was sagen „Polymarket“ und das ISW zu dem Vorfall?

Dem Investigativmedium zufolge habe „Polymarket“ bislang noch nicht mit einer Stellungnahme reagiert.

Wir entschuldigen uns bei unseren Lesern und Kartennutzern.

ISW-Stellungnahme

Das ISW seinerseits räumte zeitnah nach dem Vorfall ein, dass es eine „unautorisierte und nicht genehmigte Änderung an der interaktiven Karte“ gegeben habe. Auf seiner Webseite schreibt der US-Thinktank, dass diese Anpassung „vor Beginn des normalen Arbeitsablaufs am 16. November wieder rückgängig gemacht wurde“. Demnach habe es „keine Auswirkungen auf die Kartierung durch das ISW“ gegeben. „Wir entschuldigen uns bei unseren Lesern und den Nutzern unserer Karten für diesen Vorfall“, schreibt die Denkfabrik.

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Auch auf X veröffentlichte das ISW seine Stellungnahme. Der Beitrag wurde von dem selbsternannten „Poly Trader“ und nach eigenen Angaben ehemaligen Wirtschaftswissenschaftler im US-Beraterstab, Douglas Campbell, kommentiert. Unter der Stellungnahme veröffentlichte der Analyst Karten anderer Analyseplattformen und schrieb an das ISW: „Eine Sache, die Sie rückblickend vielleicht auch untersuchen sollten, ist Pokrowsk.“

Campbell verweist in dem Zusammenhang auf abweichende Angaben von anderen Kartografen und auf eine nachträgliche Anpassung. „Möglicherweise haben euch russische Telegram-Kanäle ausgetrickst“, mutmaßt der Trader. Andernfalls sei es auch denkbar, dass sich russische Soldaten an einem bestimmten Ort Standort lokalisieren ließen, „um sich auf dem Markt zu bereichern“. Campbell fordert in dem Zusammenhang schnelle Aufklärung. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben bislang nicht.

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