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Merz-Plan wackelt jetzt schon: Pistorius bremst bei Taurus-Lieferung an die Ukraine – und es gibt weitere Probleme
Der wahrscheinliche nächste Verteidigungsminister ist in der Taurus-Frage anderer Meinung als Friedrich Merz. Davon abgesehen wäre der Einsatz der modernen Marschflugkörper nicht so einfach, wie es scheint.
Stand:
Die Taurus-Debatte ist wieder da. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Lieferung der modernen Marschflugkörper an die Ukraine vehement abgelehnt – sein wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz (CDU) hat sich nun aber wieder offen dafür gezeigt. Boris Pistorius (SPD) jedoch, der geschäftsführende und wahrscheinlich auch nächste Verteidigungsminister, bleibt skeptisch.
Bei einer SPD-Konferenz in Hannover widersprach Pistorius Darstellungen, dass er schon immer für eine solche Waffenhilfe gewesen sei. „Ich habe das nie gesagt“, behauptete der SPD-Politiker. Für die Lieferung von Taurus gebe es zwar gute Argumente. Es gebe aber auch „viele Argumente, gute Argumente dagegen“. Nur einen Teil davon könne man öffentlich diskutieren.
Auch zur Abstimmung mit den Verbündeten, die von Merz in Aussicht gestellt wurde, äußerte Pistorius sich skeptisch. „Ich kenne keinen europäischen Partner mit einem solchen System. Von daher ist das mit der Abstimmung auch so eine Sache“, sagte der Verteidigungsminister. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist der Taurus kein Thema, es wird nur allgemein betont, die Ukraine weiterhin auch militärisch zu unterstützen.
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SPD-Generalsekretär: Entscheidung gemeinsam treffen
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat in der Taurus-Debatte eine gemeinsame Entscheidung der absehbaren schwarz-roten Koalition gefordert – und zwar offenbar gegen die Lieferung. „Ich gehe davon aus, dass Friedrich Merz, wenn er vollumfassend in Kenntnis gesetzt wird von den Diensten, dass er dann noch mal sehr deutlich abwägt. Und wir werden diese Entscheidung gemeinsam treffen“, sagte Miersch am Mittwoch im RTL/ntv-„Frühstart“. Es gebe dazu eine klare Beschlusslage in der SPD-Bundestagsfraktion. „Wir waren ja immer schon auch dagegen“, sagte Miersch. „Ich gehe davon aus, dass wir hier nicht zu einer Eskalation beitragen wollen, dass wir nicht Kriegspartei werden wollen. All die Gründe, die dazu geführt haben, dass wir Taurus nicht geliefert haben. Und davon gehe ich auch aus, dass es so bleibt.“
Unterstützung für Merz aus Union und von den Grünen
In der Union sowie bei den Grünen stießen die Äußerungen von Merz aber vorwiegend auf Unterstützung. Mit den Taurus-Marschflugkörpern ließen sich „russische Versorgungslinien zerstören“, argumentierte der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter am Mittwoch im Sender rbb. Einwände, die Ukraine könne mit den Flugkörpern Moskau angreifen, wies Kiesewetter zurück. Allenfalls lasse sich vom äußersten Norden der Ukraine aus der Südrand von Moskau erreichen, was aber militärisch „sinnlos“ sei. Darauf deutet auch eine Analyse hin.
Großbritannien und Frankreich haben Marschflugkörper geliefert
Von den europäischen Verbündeten haben bisher Großbritannien und Frankreich Marschflugkörper an die Ukraine geliefert. Die Storm Shadow und Scalp genannten, fast identischen Waffensysteme gelten aber als weniger präzise als Taurus und sollen eine geringere Reichweite haben. Allerdings geht unter anderem Waffenexperte Fabian Hoffmann von der Universität Oslo davon aus, dass zumindest die Marschflugkörper im ukrainischen Arsenal eine ähnliche Reichweite haben wie der Taurus.
Merz hatte am Sonntag seine Bereitschaft zur Lieferung des Taurus bekräftigt. „Nicht, dass wir selbst in diesen Krieg eingreifen, sondern dass wir die ukrainische Armee mit solchen Waffen ausrüsten“, sagte er in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Er habe aber immer gesagt, dass er das nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun würde.
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Aus Moskau kam anschließend die bekannte Warnung vor einer Eskalation. Der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, bezeichnete Merz als „Nazi”. Medwedew hat für den russischen Präsidenten Wladimir Putin schon lange die Rolle des propagandistischen Scharfmachers übernommen. Beleidigungen, Lügen und das Schüren von Ängsten sind sein Stil.
Der Taurus ist keine Wunderwaffe
Was die russische Regierung von einer Taurus-Lieferung hält, ist die eine Sache. Befürworter auf der anderen Seite sollten sich aber wohl auch nicht zu große Hoffnungen machen. Eine schnelle Kriegswende dürfte vom Taurus nicht zu erwarten sein.
Zuvor müssten ukrainische Soldaten für die Bedienung und Zielprogrammierung ausgebildet werden, wie Militärexperten dem Tagesspiegel bereits zuvor erklärten.
Da der Taurus von Flugzeugen aus abgefeuert wird, müsste die Ukraine die Su-24 oder F-16 in ihren Beständen umrüsten – was nach Einschätzung Nico Langes von der Münchener Sicherheitskonferenz aber „schnell möglich“ ist. „Auch wenn immer wieder behauptet wird, das würde lange dauern und sei sehr teuer.“
Bliebe noch das Mengenproblem. Im Mai 2023 bezifferte der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter die Zahl der einsatzbereiten Taurus-Marschflugkörper auf lediglich „um die 150“. Die Zeitung „Welt“ berichtete im März 2024 von ungefähr 300 einsatzfähigen Taurus. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Deutschland alle davon an die Ukraine abgeben würde. (mit dpa/AFP)
Hinweis: Die Angaben zur vermuteten Taurus-Distanz wurden um die Einschätzung eines Militärexperten ergänzt. Demnach können die bisherigen Marschflugkörper im ukrainischen Arsenal und der Taurus ungefähr dieselbe Distanz zurücklegen.
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