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Unaufgeklärte Gewaltwelle in der Ukraine: Militärkommissar mit Jagdgewehr erschossen, zwei Explosionen an Mobilisierungszentren
Drei Angriffe innerhalb von zwei Tagen und zwei Tote: Am Wochenende häuften sich Attacken gegen Mobilisierungsbeamte in der Ukraine. Kyjiws Heereschef fragt sich, wo der Aufschrei bleibt.
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In der Ukraine häuften sich zuletzt Angriffe gegen Mobilisierungszentren und deren Mitarbeiter: Mindestens zwei Menschen sind allein dieses Wochenende getötet worden. Die Hintergründe der Vorfälle sind unklar, doch erste Stimmen aus der Ukraine vermuten eine Sabotagekampagne des russischen Geheimdienstes. Beweise gibt es dafür nicht.
Der jüngste Vorfall ereignete sich am Sonntagabend, als es offenbar in der Nähe eines Mobilisierungszentrums in der Stadt Pawlohrad zu einer Explosion gekommen war. Das teilte die Polizeibehörde der Region Dnipropetrowsk mit. Vorläufigen Informationen zufolge soll am Sonntagabend um kurz nach 19:30 Uhr (Ortszeit) „ein nicht identifizierten Objekts“ detoniert sein. Dabei soll ein Mann verletzt worden sein, wie die Polizei mitteilte. Ermittler seien vor Ort und würden den Vorfall untersuchen.
Damit ist das der zweite Vorfall dieser Art innerhalb von zwei Tagen. Am Samstag war bei einer Explosion in einem Mobilisierungszentrum in der westukrainischen Stadt Riwne ein Mensch ums Leben gekommen. Sechs weitere wurden Polizeiangaben zufolge verletzt.
Die betroffenen Einrichtungen sind für die Einberufung von Wehrdienstpflichtigen in die Armee zuständig. Zuletzt standen sie in der Ukraine vermehrt in der Kritik: Auf sozialen Netzwerken kursieren etwa Videos von Männern, die von Mobilisierungsbeamten auf der Straße aufgegriffen und in Kleinbussen zur Musterung abtransportiert werden, Berichten zufolge kam es dabei in der Vergangenheit auch zu Schlägen und Gewalt durch die Beamten.
Andriy Kovalenko, Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation in der Ukraine, vermutet hinter den Explosionen die russischen Geheimdienste GRU und FSB, wie er auf seinem Telegram-Kanal schrieb. „Parallel dazu hat sich die Medienkampagne seit 2022 intensiviert, aber die Russen haben besonders seit 2024 versucht, die Mobilisierung zu untergraben“, schrieb Kovalenko. Beweise für seine Behauptung liefert er allerdings nicht.
Kommissar mit Jagdgewehr erschossen
Am Samstag kam es im Gebiet Poltawa zu einem Gewaltverbrechen gegen einen Mobilisierungsbeamten: Die ukrainischen Streitkräfte berichteten von einem bewaffneten Mann, der einen Mobilisierungskommissar an einer Tankstelle aufforderte, seine Waffe abzugeben. Der Kommissar begleitete zu dem Zeitpunkt gerade eingezogene Männer zu einem Ausbildungszentrum. Als jener sich weigerte, schoss der Angreifer mit einem Jagdgewehr auf den Militäroffizier und entkam mit einem der eingezogenen Männer. Nach Angaben der Polizei von Poltawa nahmen Polizeibeamte den mutmaßlichen Täter und den eingezogenen Mann fest.
Der ukrainische Heeres-Befehlshaber Mychajlo Drapatyj hat nach dem Fall eine wachsende Gewalt gegen Militärangehörige in der Ukraine beklagt. „Die Tötung von Militärangehörigen im Hinterland ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Wir dürfen nicht einfach stillschweigend der wachsenden Welle der Missachtung gegenüber den Verteidigern der Ukraine zuzusehen“, teilte der Generalmajor bei Facebook mit.
Generalmajor warnt vor noch mehr Toten
Als Chef der ukrainischen Bodentruppen kritisierte Drapatyj es als „unerträglich“, dass ein Aufschrei in der Gesellschaft über die Gewalt gegen die Verteidiger des Landes im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg ausbleibe. Es habe auch schon andere Fälle von Erniedrigung und Aggression gegen Soldaten gegeben. „Und jetzt haben wir direkte bewaffnete Überfälle.“
Wenn es keine blitzschnelle und harte Reaktion auf die Willkür gegen die Soldaten gebe, „werden wir noch mehr Tote bekommen“, warnte er. „Wir sind verpflichtet, denjenigen mit Wertschätzung zu begegnen, die zu den Waffen gegriffen haben und um den Preis ihres eigenen Lebens unser Zuhause verteidigen.“ (dpa, AFP, Tsp)
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