
© REUTERS/Sofiia Gatilova
Moskau nutzt sie aus – Kiew droht ihnen mit Knast: Immer mehr ukrainische Jugendliche spionieren für Russland
Via Telegram oder WhatsApp werben russische Agenten ukrainische Jugendliche an, heißt es in Medienberichten. Für „leichtes Geld“ sollen sie spionieren und sogar Brandanschläge durchführen.
Stand:
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB soll vermehrt ukrainische Jugendliche für Spionage- und Sabotageakte gegen das eigene Land rekrutieren. Das berichten die US-amerikanischen Nachrichtenseiten „New York Times“ und „Financial Times“ unter Berufung auf Angaben des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU).
Demnach sei Anfang vergangener Woche ein 16-jähriger Ukrainer festgenommen worden, der in der südukrainischen Stadt Dnipro versucht habe, mithilfe seines Smartphones Fotos von einem Militärstützpunkt zu machen.
Dem SBU zufolge ist der junge Mann vom russischen Geheimdienst FSB über die Messenger-App Telegram rekrutiert worden. Man habe ihm eine nicht genannte Summe Geld angeboten. Im Gegenzug sollte der 16-Jährige Fotos von ukrainischen Truppenstandorten machen und diese zusammen mit den genauen Standortdaten verschlüsselt an Kontaktpersonen des FSB übermitteln, heißt es weiter.
Der Generalleutnant des ukrainischen SBU, Wassyl Maljuk, berichtete der „Financial Times“, dass der Kreml gezielt Jugendliche als „Kriegswaffe gegen die eigene Bevölkerung“ einsetzt. „Der Feind ist aggressiv und verübt zahlreiche Verbrechen gegen die nationale Sicherheit, einschließlich der Rekrutierung von Agenten aus unseren eigenen Reihen“, so der SBU-Chef.
Dem Sicherheitsdienst der Ukraine zufolge wurden seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres mehr als 700 Personen festgenommen, weil sie im Auftrag des russischen Geheimdienstes den Versuch von Spionage, Brandstiftung oder Bombenanschlägen unternommen hätten. In mindestens 175 Fällen waren die festgenommenen Personen unter 18 Jahre alt. Das entspricht einem Viertel aller Tatverdächtigen – die Tendenz ist dem SBU zufolge steigend.
Wie läuft die Rekrutierung durch den FSB ab?
Die russischen Rekrutierungsversuche laufen dem ukrainischen Sicherheitsdienst zufolge nach einem gängigen Schema ab. Zunächst werden die Jugendlichen über die Kanäle Telegram, Discord, WhatsApp oder Viber von einer anonymen Person kontaktiert. Die Teenager werden mit Versprechungen gelockt, sie könnten schnell und einfach viel Geld verdienen.
Sobald die Jugendlichen sich interessiert zeigen, wird der Kontakt zu einer Ansprechperson des russischen Geheimdienstes hergestellt. Diese schicken konkretere Anweisungen über den zuvor genutzten Messenger-Kanal. Je nach Art und Ausführung des Auftrags werden den Minderjährigen Zahlungen zwischen 100 und 1000 US-Dollar (85 bis 850 Euro) angeboten.
Russland sucht „junge und verletzliche“ Ukrainer
Nach Angaben des SBU konzentrieren sich Russlands Rekrutierungsversuche zunehmend auf ukrainische Teenager und junge Erwachsene. Unter den Angeworbenen sollen vornehmlich Menschen sein, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, wohnungslos sind oder infolge des anhaltenden Krieges zu Halb- oder Vollwaisen wurden.
Ukrainische Regierungsvertreter warnen, dass es sich bei den jüngsten Anwerbungsversuchen nicht um bloße Einzelfälle handelt. Mit den Rekrutierungen via Messenger-App wolle Moskau die Ukraine gezielt „von innen heraus destabilisieren“. Der FSB will vor allem „junge und verletzliche“ Menschen zu Agenten machen, heißt es weiter.
Wie reagiert Kiew auf Russlands Rekrutierungsversuche?
Infolge der Zunahme russischer Rekrutierungsversuche hat die Ukraine eine landesweite Aufklärungskampagne gestartet. Via YouTube veröffentlichte das ukrainische Ministerium für Kultur und Informationspolitik ein Video, das sich gezielt an Jugendliche richtet. Kontaktanfragen via Messenger-App seien „eine Falle, die dich in eine Waffe verwandeln sollen“, heißt es darin.
Am Ende des Videos ruft die Behörde dazu auf, „ungewöhnliche Angebote“ via Messenger umgehend zu melden. Mithilfe der App „FSB-Bot“ können Betroffene auffällige Kontaktversuche einreichen. Der Chatbot wird via Telegram bereitgestellt, „da dieser Messenger am häufigsten von den Besatzern genutzt wird, um Jugendliche und Minderjährige zu rekrutieren“, teilte der SBU mit. Bis Ende Mai waren dort etwa 50 Meldungen über Anwerbungsversuche des FSB eingegangen, berichtete die ukrainische Jugendpolizei.
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Mit der landesweiten Informationskampagne „Verbrennt den FSB“ wollen das ukrainische Ministerium für Informationspolitik und der SBU junge Menschen vor russischen Rekrutierungsversuchen warnen und für das Thema sensibilisieren. Der Slogan der Kampagne: „Verbrennt nicht eure eigenen Leute! Verbrennt den Feind!“
Zu den Aufklärungsmaßnahmen gehören unter anderem Informationsveranstaltungen in ukrainischen Schulen. In Klassenräumen erklären SBU-Agenten den Kindern, wie sie russische Rekrutierungsversuche erkennen und melden können. Bei Präsentationen Ende 2024 gab es „praktische Ratschläge, wie man vermeiden kann, ein Werkzeug in den Händen des Feindes zu werden“, berichtete der ukrainische Sicherheitsdienst via Telegram.
Glaubt nicht den Märchen, die die Russen erzählen. Ihr bekommt kein Geld, sondern eine echte Gefängnisstrafe.
Informationskampagne des SBU
Auf einer der Aufklärungsveranstaltungen warnte der Sprecher des SBU, Artem Dekhtyarenko, die Kinder eindrücklich vor einer Zusammenarbeit mit russischen Geheimdiensten, heißt es in dem Telegram-Beitrag. Wer sich „für leichtes Geld“ auf ein solches Angebot einlässt und Spionage- oder Sabotageakte in Form von Sprengungen oder Brandstiftungen plant, dem drohen drei mögliche Szenarien. „Das erste ist der Tod durch Sprengstoff. Das zweite ist die Verstümmelung – wenn man denn das Glück hat, eine Explosion zu überleben. Das dritte ist das Gefängnis. Denn der SBU und die Nationale Polizei finden alle Verbrecher“, ermahnte Dekhtyarenko die Kinder.
In dem Aufruf via Telegram heißt es schließlich „Glaubt nicht den Märchen, die die Russen erzählen. Ihr bekommt kein Geld, sondern eine echte Gefängnisstrafe. Die strafrechtliche Verantwortung für Terroranschläge oder Sabotage beginnt im Alter von 14 Jahren.“
Kiews Abschreckung in Form von strafrechtlicher Verfolgung wird indes nicht nur angedroht, sondern offenbar auch in die Tat umgesetzt. Dem 16-jährigen Ukrainer, der beim Fotografieren militärischer Einrichtungen erwischt wurde, droht nach seiner Festnahme eine Anklage wegen Hochverrats, berichtet die „Financial Times“. Damit könne eine lebenslange Haftstrafe einhergehen.
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