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Das Frachtschiff „Vezhen“ lag am Montagmorgen weiter südlich von Karlskrona in Südschweden vor Anker. Es steht unter Verdacht, vorsätzlich ein Datenkabel berchädigt zu haben. War es Sabotage durch Russland?

© AFP/JOHAN NILSSON/TT

Nach erneutem Kabelschaden in der Ostsee: Schweden ermittelt wegen „schwerer Sabotage“ – Lettland hat erste Videoaufnahmen

Wie konnte es zum Schaden am Unterseekabel zwischen Lettland und Schweden in der Ostsee kommen? Die Ursachensuche läuft – auch am Meeresgrund. Von dort gibt es nun erste visuelle Eindrücke.

Stand:

Nach der Beschädigung eines Unterseekabels in der Ostsee hat Lettland erste Fortschritte bei der Suche nach der Ursache gemacht. Bei Untersuchungen an der Schadensstelle habe die lettische Marine in Zusammenarbeit mit schwedischen Partnern erste Videoaufnahmen vom Meeresgrund erhalten, sagte Ministerpräsidentin Evika Silina nach der Regierungssitzung in Riga.

Demnach sei es sehr wahrscheinlich, dass die beschädigte Stelle des Kabels ausfindig gemacht worden sei. Doch sei die Sichtweite in einer Tiefe von etwa 100 Meter sehr gering, sagte sie. Spezialisten und Ermittler würden die erhaltenen Informationen daher weiter analysieren.

Zwischen Schweden und Lettland war am Wochenende ein Seekabel beschädigt worden, das vom lettischen staatlichen Rundfunk- und Fernsehzentrum (LVRTC) genutzt wird. Die Behörden in Stockholm ermitteln wegen möglicher schwerer Sabotage und haben ein verdächtiges Schiff festgesetzt. Aus Lettland haben sich Marinetaucher und Experten des LVRTC auf den Weg zur Schadensstelle gemacht, die sich rund 130 Kilometer vor der lettischen Küste befindet.

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Zur Untersuchung wird nach Angaben von Marine-Chef Maris Polencs ein torpedoähnliches Gerät mit akustischen Sensoren eingesetzt, das auf den Meeresgrund hinabgelassen wird. Damit könnte dann der Standort des Kabels bestimmt und auch gefilmt werden. „Das ist ein zeitaufwendiger und ziemlich komplizierter Prozess. Wir müssen auf die Ergebnisse warten, bevor wir sagen können, ob das Kabel auf die eine oder andere Weise beschädigt ist“, sagte Polencs.

Ministerpräsidentin Evika Silina sprach weiter auch von Fortschritten bei der Befragung der Besatzungen mehrerer Schiffe, die das Kabel möglicherweise beschädigt haben könnten. Zudem teilte sie mit, dass an mehrere Länder Rechtshilfeersuchen gerichtet worden seien. Nähere Angaben dazu machte die lettische Regierungschefin nicht.

Das unter maltesischer Flagge fahrende Schiff „Vezhen“ lag am Morgen weiter südlich von Karlskrona in Südschweden vor Anker. Bei ihm waren zu dem Zeitpunkt ein Patrouillenschiff und ein Boot der schwedischen Küstenwache.

Frachter-Besitzer: „Keine böswillige Tat“

Der Chef des bulgarischen Schifffahrtsunternehmens Navibulgar, dem Besitzer des verdächtigten Schiffs „Vezhen“, Alexander Kalchew, bestritt am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP jegliche Sabotage. 

Das Frachtschiff Vezhen wird derzeit in Karlskrona von den schwedischen Behörden untersucht. Hier zu sehen: der Anker.

© IMAGO/TT/IMAGO/Johan Nilsson/TT

„Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht sagen können, dies sei eine böswillige Tat gewesen“, sagte Kalchew der AFP. Aufgrund des schlechten Wetters sei einer der Anker des Schiffs beschädigt worden und zu Boden gesunken. „Es ist möglich, dass er dort über den Meeresboden geschleift wurde“, sagte Kalchew. Später sei der Anker eingeholt worden. Nach einem Bericht des schwedischen Senders TV4 weist der Anker am Frachter Beschädigungen auf.

Das Unternehmen Navibulgar hat nach eigenen Angaben einen Anwalt verpflichtet, um „die Interessen der Besatzung und des Unternehmens zu verteidigen“. Das Schiff unter maltesischer Flagge transportierte Düngemittel von Ust-Luga in Russland nach Südamerika.

Deutschland beteiligt sich an Seekabel-Ermittlungen

Zwischenzeitlich erklärte ein Regierungssprecher Deutschlands, dass man sich an der Aufklärung beteilige. Er verwies in Berlin vor Journalisten auf die Nato-Operation „Baltic Sentry“ (deutsch: Ostsee-Wachposten) mit deutscher Beteiligung. Diese leiste einen Beitrag zur Klärung des Sachverhalts, sagte er.

„Der Vorfall zeigt erneut, wie verwundbar die kritische Unterwasserinfrastruktur ist“, so der Sprecher. Die Erhöhung der Präsenz in der Ostsee im Rahmen der Nato und der bessere Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur seien für die Bundesregierung von zentraler Bedeutung.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, es sei das Wesen hybrider Bedrohungen, dass man auch hier wieder nicht genau wisse, was vorgefallen sei. Deutschland habe für das Treffen der EU-Außenminister an diesem Montag in Brüssel, bei dem über das Thema beraten werden sollte, konkrete Vorschläge gemacht. Er nannte etwa eine engere Koordinierung zwischen EU und Nato und einen besseren Informationsfluss. „Wir müssen uns gewahr sein, dass diese hybriden Bedrohungen nur noch zunehmen werden.“

Mutmaßliche Sabotageakte in den letzten Wochen

In den vergangenen Wochen hatten mutmaßliche Sabotageakte an Kabeln und Leitungen in der Ostsee immer wieder für Aufsehen gesorgt. Die Schäden sollen dabei jeweils vorsätzlich von Schiffsankern verursacht worden sein, beim letzten der Vorfälle im Dezember durch das von Finnland festgesetzte Schiff „Eagle S“, das zur sogenannten russischen Schattenflotte gehören soll.

Damit sind Tanker und andere Frachtschiffe mit undurchsichtigen Eigentümerstrukturen gemeint, die Russland benutzt, um Sanktionen infolge seines Einmarsches in die Ukraine etwa beim Öltransport zu umgehen.

Gegen Dutzende dieser Schiffe hat die EU mittlerweile Sanktionen erlassen. Der tatsächliche Umfang der Flotte dürfte jedoch weitaus größer sein – Litauens Präsident Gitanas Nauseda sprach auf dem Gipfel von 600 bis zu 1.000 Schiffen, die nach Schätzungen auf den Meeren umherfuhren. (dpa, Reuters, AFP)

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