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Ein AWACS (Airborne Warning and Control System)-Flugzeug der Nato zur Überwachung des polnischen Luftraums.

© AFP/JOHN THYS

Update

Russische Kampfjets im Ostseeraum abgefangen: Estland hält Reaktion auf Moskaus Flieger für angemessen

Drei russische Kampfflugzeuge sind nach Angaben Estlands in den Luftraum des Nato-Landes eingedrungen. Es folgte ein Abfangmanöver, das Estland für richtig hält.

Stand:

Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur hat die Reaktion seines Landes und der Nato auf die Verletzung seines Luftraums durch Russland als angemessen bewertet. Der Vorfall habe gezeigt, dass die Nato-Luftabwehr effektiv und gut funktioniere und auch die Bereitschaft bestehe, notfalls Gewalt anzuwenden, sagte er nach einem Treffen im Parlament in Tallinn. Dort kamen der Nationale Verteidigungsausschuss sowie der Auswärtige Ausschuss zu einer gemeinsamen außerordentlichen Sitzung zusammen. Auch Außenminister Margus Tsahkna sagte: „Die Nato hat angemessen reagiert.

Nach estnischen Angaben waren am Freitag drei russische Kampfjets nahe Vaindloo unerlaubt in den Luftraum des baltischen EU- und Nato-Staates eingedrungen. Die Nato habe sofort reagiert und die russischen Flugzeuge abgefangen. „Die Nato handelt genau wie vereinbart. Es gab keine direkte militärische Bedrohung für Estland, aber wir akzeptieren absolut nicht, dass Russland den estnischen und Nato-Luftraum verletzt“, sagte Tsahkna.

Russlands Darstellung zurückgewiesen

Zuvor hat Estland der Moskauer Darstellung widersprochen, wonach russische Kampfjets den estnischen Luftraum auf einem Flug zur Exklave Kaliningrad nicht verletzt hätten. Das Verteidigungsministerium in Tallinn veröffentlichte auf dem Portal X eine Karte mit der angeblichen Flugroute der drei Maschinen vom Typ MiG-31.

Demnach flogen die Russen am Freitag nicht in dem schmalen internationalen Korridor über dem Finnischen Meerbusen, sondern etwa zehn Kilometer tief im estnischen Luftraum. Der Flug führte demnach in gerader Linie an der Ostseeküste Estlands entlang.

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Polen lässt eigene Flugzeuge aufsteigen

Nach den Luftraumverletzungen hat Polen eigene und verbündete Flugzeuge aufsteigen lassen. Damit solle die Sicherheit des polnischen Luftraums gewährleistet werden, teilte das Einsatzkommando der Streitkräfte des Nato-Mitglieds auf der Plattform X mit. Zudem seien die bodengestützte Luftabwehr und die Radaraufklärung in höchste Bereitschaft versetzt worden.

Die ukrainische Luftwaffe hatte zuvor vor russischen Raketen- und Drohnenangriffen gewarnt, woraufhin in fast der gesamten Ukraine Luftalarm ausgelöst wurde.

Am Freitag hatte Polen mitgeteilt, dass sich zwei russische Kampfjets im Tiefflug einer polnischen Bohrinsel in der Ostsee genähert hätten. Dabei wurde nach Angaben des Grenzschutzes die Sicherheitszone über der Plattform verletzt. Zur Verletzung der Staatsgrenze sei es allerdings nicht gekommen, sagte eine Sprecherin der Behörde dem Sender TVN24.

Dieses Bild soll einen russischen MiG-31-Jet über der Ostsee zeigen.

© AFP/Forsvarsmakten

Die russischen Flugzeuge in Estland hätten laut Außenministerium in Tallinn keine Flugpläne übermittelt, ihre elektronische Kennung ausgeschaltet gehabt und auch keinen Funkkontakt mit der estnischen Flugsicherung gehalten. An der Luftraumüberwachung der Ostsee beteiligte Nato-Jets aus Italien fingen die Flugzeuge nach Angaben des Verteidigungsbündnisses ab.

Was genau bei dem Abfangmanöver passiert ist, blieb zunächst unklar. Für gewöhnlich steigen bei solchen Luftraumverletzungen Kampfflugzeuge auf, identifizieren die anderen Jets und begleiten sie wieder aus dem Luftraum hinaus. 

Die Nato habe „umgehend“ auf die russische Lufraumverletzung reagiert, erklärte Sprecherin Allison Hart im Onlinedienst X. Es handle sich um ein „weiteres Beispiel für das rücksichtslose Verhalten Russlands und die Fähigkeit der Nato, darauf zu reagieren“.

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Als Reaktion hat Estland formell eine Artikel-4-Konsultation mit den Nato-Partnern angefordert. Das gab Estlands Premierminister Kristen Michal bekannt. Artikel 4 des Nato-Vertrags regelt einen förmlichen Beratungsmechanismus, wenn ein Mitgliedstaat die Unversehrtheit seines Staatsgebiets als bedroht ansieht.

Zuletzt berief Polen vergangene Woche nach dem Abschuss mutmaßlicher russischer Drohnen im Osten des Landes eine Artikel-4-Konsultation ein. Eine Nato-Sprecherin erklärte, der Nordatlantik-Rat werde Anfang kommender Woche zusammentreten, um im Detail über den Vorfall zu beraten.

„Von beispielloser Dreistigkeit“

Der estnische Außenminister Margus Tsakhna hatte zuvor erklärt, Russland habe den Luftraum seines Landes zwar in diesem Raum bereits vier Mal verletzt, der nun festgestellte Vorfall sei aber „von beispielloser Dreistigkeit“. Russische Flugzeuge waren bereits am 13. Mai, am 22. Juni und zuletzt am 7. September in den Luftraum der nördlichsten baltischen Republik eingedrungen.

„Russlands immer weitergehendes Austesten von Grenzen und wachsende Aggressivität müssen mit einem raschen Anstieg des politischen und wirtschaftlichen Drucks beantwortet werden“, erklärte der estnische Außenminister Tsakhna.

Estlands Staatspräsident Alar Karis bezeichnete den Vorfall als „weitere Provokation“ bezeichnet. „Es ist völlig klar, dass die Luftverteidigung eine Priorität der Nato sein muss“, schrieb er auf der Plattform X. Unter Verweis auf den neuen Nato-Einsatz „Eastern Sentry“ zur Sicherung des Luftraums an der Ostflanke fügte er hinzu: „Ich bin zuversichtlich, dass sie sich auf alle von Russland ausgehenden Luftbedrohungen entlang der gesamten Ostflanke konzentrieren wird.“

US-Präsident Donald Trump zeigte sich besorgt. „Das gefällt mir nicht. Ich mag es nicht, wenn so etwas passiert“, sagt Trump vor Journalisten. „Das könnte großen Ärger geben.“ Er werde sich in Kürze über den Vorfall informieren lassen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte das Eindringen russischer Kampfflugzeuge in den Luftraum Estlands „empörend“ und forderte eine entschlossene Reaktion der westlichen Verbündeten seines Landes. Russland weite seine „destabilisierende Tätigkeit“ aus, erklärte Selenskyj am Freitagabend im Onlinedienst X. 

„Das sind keine Zufälle. Das ist eine systematische russische Kampagne gegen Europa, gegen die Nato, gegen den Westen. Und sie erfordert eine systematische Reaktion“, schrieb Selenskyj weiter. Er forderte ein „starkes Vorgehen“ sowohl einzelner Staaten als auch im Verbund. Insbesondere bekräftigte er seine Forderung nach harten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland und zusätzlicher Militärhilfe für die Ukraine. 

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bezeichnete den Vorfall im Onlinedienst X als „extrem gefährliche Provokation“. Es handle sich nach dem Vordringen russischer Drohnen in den Luftraum Polens und Rumäniens bereits um die „dritte Verletzung des EU-Luftraums binnen weniger Tage“ und fache die „Spannungen in der Region“ weiter an.

Der Präsident des Europäischen Rates, Antonio Costa, nannte die Verletzung des estnischen Luftraums durch russische Kampfjets eine „weitere inakzeptable Provokation“. Der Vorfall zeige die drängende Notwendigkeit, Europas Ostflanke zu verstärken. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen bei ihrem Treffen am 1. Oktober in Kopenhagen über eine „kollektive Antwort“ auf die Verletzung des europäischen Luftraums durch Russland beraten.

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Wie das Außenministerium in Tallinn weiter mitteilte, bestellte es den Geschäftsträger der russischen Botschaft ein, um gegen die Verletzung des estnischen Luftraums zu protestieren.

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind Mitglieder von EU und Nato. Sie gehören zu den entschlossensten Unterstützern der Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg.

Keines der drei baltischen Länder verfügt über eigene Kampfjets, der Luftraum der drei Länder wird daher von Nato-Verbündeten überwacht, die sich abwechselnd an dieser Aufgabe beteiligen. Seit August 2025 leitet die italienische Luftwaffe das sogenannte Air Policing über Estland, Lettland und Litauen. Die deutsche Luftwaffe hatte sich zuletzt von März bis November 2024 an der Luftraumüberwachung beteiligt.

Im November 2015 hatte eine mutmaßliche Luftraumverletzung Russlands zu einer tiefen diplomatischen Krise zwischen Moskau und Ankara geführt. Damals schossen türkische F-16-Jets ein russisches Kampfflugzeug ab. Während die Türkei Russland eine Luftraumverletzung vorwarf und damit den Abschuss begründete, bestritt Moskau stets über türkischem Gebiet geflogen zu sein. (AFP, dpa, jmi)

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