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Nächstes Krisentreffen der EU: Welche US-Hilfen kann Europa ersetzen – und welche nicht?
Erst stoppten die USA die Waffenhilfe an die Ukraine – jetzt auch die Weitergabe von Geheimdienstinformationen. Ein Experte erklärt, wo Europa einspringen kann.
Stand:
Es ist bereits das zweite europäische Krisentreffen innerhalb weniger Tage – und die Krise wird immer größer.
An diesem Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder über einen Milliarden-Verteidigungsplan sprechen, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen hat. Dabei soll es unter anderem um Militärhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine gehen.
Schon am vergangenen Sonntag – da war der Schock über den historischen Eklat im Weißen Haus noch ganz frisch – hatten sich mehr als ein Dutzend hochrangiger westlicher Politiker in London getroffen.
Beraten wurde dabei über einen möglichen Waffenruhe-Plan, der zum einen die Wogen mit Washington glätten und zum anderen das ukrainische Bedürfnis nach verlässlichen Sicherheitsgarantien berücksichtigen sollte.
Neue Herausforderung: US-Waffenstopp
Seitdem jedoch hat sich die Lage noch weiter verschärft: Zum Wochenbeginn strich US-Präsident Donald Trump der Ukraine sämtliche Militärhilfen. Betroffen davon sind selbst Waffen, die bereits bestellt waren oder sich sogar schon im Auslieferungsprozess befanden.
Bislang kann nur darüber spekuliert werden, ob Trump die Entscheidung möglicherweise wieder zurücknehmen könnte, falls ein ursprünglich geplanter US-ukrainischer Rohstoff-Deal doch noch zustande kommt.
So stellt sich mehr denn je die Frage, was europäische Staaten in dieser schwierigen Lage konkret für die Ukraine tun können. Welche US-Waffen können sie ersetzen – und welche nicht?
Drohnen können Artillerie teilweise ersetzen
„Bei der Artilleriemunition müssten wir Europäer fähig sein, zumindest in diesem Jahr die Verluste auszugleichen“, sagt Militäranalyst Franz-Stefan Gady dem Tagesspiegel. „Zumal die Infanterie durch den Einsatz von Minen und Drohnen unterstützt wird; beides produziert die Ukraine selbst.“
Insbesondere in der Drohnenproduktion hat die Ukraine in den vergangenen drei Kriegsjahren enorme Fortschritte erzielt.
Für viele Angriffe setzen die ukrainischen Streitkräfte mittlerweile selbst gebaute unbemannte Flugkörper ein, etwa gegen Militärstandorte sowie Öl- und Gasanlagen im russischen Hinterland. An der Front spielen Kampf- und Aufklärungsdrohnen ebenfalls eine elementare Rolle.
Auch Experte Gady sagt: „Drohnen bekommen einen immer höheren Stellenwert und können die Artillerie zumindest teilweise ersetzen.“ Und er betont: „Mittlerweile gehen 50 Prozent von Russlands Verlusten an der Front auf ukrainische Drohnenangriffe zurück.“

© dpa/Efrem Lukatsky
Das dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ukrainische Artillerie trotzdem auf Nachschub aus Europa angewiesen sei – nach dem Wegfall der US-Hilfen erst recht.
„Sollten die Europäer es nicht schaffen, die Verluste auszugleichen, dann wäre die unmittelbar größte Konsequenz, dass die ukrainische Feuerrate sinkt und die Verteidigung zu bröckeln beginnt“, so Gady. „Es könnte bereits in zwei oder drei Monaten so weit sein, dass man die Artilleriemunition rationieren muss.“
Auch Weitergabe von Geheimdienstinformationen gestoppt?
Noch größere Sorge bereitet vielen Beobachtern allerdings etwas anderes: die Möglichkeit, dass der Waffenlieferstopp erst der Anfang gewesen sein könnte von Donald Trumps Versuch, Kyjiw in ein schnelles Kriegsende zu seinen – und Kremlchef Wladimir Putins – Bedingungen zu zwingen.
Starlink ist bislang eines der wichtigsten Elemente der ukrainischen Kriegsführung.
Franz-Stefan Gady, Militärexperte
Am Mittwochnachmittag teilte CIA-Direktor John Ratcliffe mit, dass die USA mittlerweile auch die Weitergabe von Geheimdienstinformationen an die Ukraine gestoppt hätten, zumindest vorerst. Das dürfte für Kyjiw ein herber Schlag sein, denn viele Experten sind sich einig, dass Europa im Aufklärungsbereich nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügt, um das zu kompensieren.
„Es bleibt abzuwarten, was das Ende der Waffenhilfe genau bedeutet“, sagt Analyst Gady. Auch er betont allerdings: „Die Unterstützung bei der Gefechtsfeldaufklärung würde meiner Einschätzung nach sogar schwerer wiegen als amerikanische Waffenlieferungen.“

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Der Experte fügt hinzu: „Es gibt hier einiges, was die Amerikaner machen, was nicht im Detail öffentlich bekannt ist und was die Ukraine in ihrer Kriegsführung unterstützt. Wenn das alles komplett wegfällt, dann hätte das natürlich wirklich systemische Konsequenzen.“
Auch Starlink-Abschaltung befürchtet
Einige Beobachter befürchten zudem, dass die USA der Ukraine in naher Zukunft auch noch Elon Musks Satellitensystem Starlink abschalten könnten.
Erst kürzlich berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider, dass entsprechende Maßnahmen in Washington im Gespräch seien. Zudem fällt Musk immer wieder mit Aussagen auf, die zeigen, dass von seiner einstigen Solidarität mit der angegriffenen Ukraine nicht mehr viel übrig ist.
„Starlink ist bislang eines der wichtigsten Elemente der ukrainischen Kriegsführung“, sagt Gady. Einfach zu ersetzen sei das nicht: „Es gibt zwar einige Alternativen, die sind aber noch nicht im großen Stil einsetzbar und teilweise technologisch nicht ausgereift.“
Und damit nicht genug: „Sowohl bei ukrainischen als auch bei ausländischen Produkten ist zudem die große Frage, inwiefern sie gut genug von russischen elektronischen Kampfmitteln abgeschirmt sind und ob sie ausreichend Bandbreite haben, um größere Vernetzungen auf dem Gefechtsfeld zu ermöglichen.“
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