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Joe Biden ist schon jetzt der älteste US-Präsident aller Zeiten.

© dpa/AP/Susan Walsh

Nochmal vier Jahre Präsident?: Fünf Gründe, die für Bidens erneute Kandidatur sprechen – und fünf dagegen

US-Medien zufolge könnte Präsident Biden am Dienstag eine erneute Kandidatur bekannt geben. Unumstritten ist die nicht, auch der Erfolg wäre ihm nicht garantiert.

An diesem Dienstag könnte es endlich Klarheit geben. Wie US-Medien berichten, plant US-Präsident Joe Biden, öffentlich anzukündigen, was schon längst klar scheint: dass er 2024 eine zweite Amtszeit anstrebt. Die Ankündigung würde damit auf den Tag genau vier Jahre nach seiner letzten erfolgen.

Vieles spricht dafür, dass es dann zu einer Revanche mit Donald Trump kommen könnte. Der Republikaner hat bereits erklärt, 2025 ins Weiße Haus zurückkehren zu wollen. Doch was spricht für eine erneute Kandidatur von Joe Biden – und was dagegen?


PRO

1. Er hat es schonmal geschafft
Für Biden spricht, dass er den Populisten Trump schon einmal geschlagen hat. Das gelang ihm als Vertreter des moderaten Parteiflügels und mit dem Versprechen, das polarisierte Land wieder zusammenzuführen.

Sein Team argumentiert, dass die Mehrheit der Amerikaner allzu extreme Kandidaten ablehnt. Wahlen würden demnach in der Mitte gewonnen. Ein deutlich weiter links stehender Kandidat, wie der Senator Bernie Sanders, würde nicht die für einen Sieg notwendigen Stimmen der Mitte zusammenbekommen.

Auch wichtig: Vorwahlen sind teuer, und der innerparteiliche Machtkampf hat das Potenzial, Kandidaten zu beschädigen. Fallen die nun weg, bleibt den Demokraten einiges erspart.

2. Besonnen zur Macht
Dazu passt, dass Biden aller Voraussicht nach keinen Aufreger-Wahlkampf führen wird. Selbst seine Kandidatur wird er womöglich einfach per Video ankündigen.

Was viele als zu wenig energiegeladen kritisieren, erinnert stark an den letzten Wahlkampf. Als die Corona-Pandemie begann und Biden zum Kandidaten seiner Partei wurde, verschwand er im Keller seines Hauses in Delaware. Von dort aus machte er per Videoschalte Wahlkampf.

Das Kontrastprogramm zu Trump könnte größer kaum sein. Der damalige Präsident machte sich im Weißen Haus über wissenschaftliche Erkenntnisse lustig, gab trotz aller Ermahnungen jedem die Hand und veranstaltete Indoor-Rallyes mit tausenden Zuschauern.

Ex-Präsident Donald Trump könnte erneut Bidens Gegenkandidat werden – und polarisiert schon jetzt fleißig.
Ex-Präsident Donald Trump könnte erneut Bidens Gegenkandidat werden – und polarisiert schon jetzt fleißig.

© Reuters/Jonathan Ernst

Die Wähler entschieden sich letzten Endes gegen Chaos und Großmäuligkeit. In hochriskanten Zeiten vertrauten sie dem umsichtig agierenden Demokraten. Der versprach keine Revolution, sondern eine Besinnung darauf, was gesunder Menschenverstand gebietet.

3. Erfolgreiches Erwartungsmanagement
Joe Biden ist zwar kein zweiter Franklin D. Roosevelt. Aber was er in den ersten Jahren seiner ersten Amtszeit erreicht hat, muss keinen Vergleich scheuen.

Trotz der enormen Polarisierung haben die Demokraten mit seiner Hilfe wichtige Gesetzespakete durch den Kongress gebracht, etwa für Investitionen in die amerikanische Infrastruktur und den Klimaschutz.

Die Pandemie ist – wie er es versprochen hat – nach einigen Rückschlägen jetzt wirklich vorbei, die Wirtschaft läuft wieder auf Hochtouren, Inflation und Arbeitslosigkeit sind deutlich zurückgegangen.

Zudem ist das Ansehen Amerikas in der Welt rehabilitiert. Nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit Russland ist der US-Präsident wieder der unangefochtene Anführer des Westens.

Seine jahrzehntelange Erfahrung und sein Netzwerk sind von großem Nutzen: sowohl in der Innenpolitik als auch auf der Weltbühne.

47
Prozent der demokratischen Wähler sind für eine zweite Amtszeit Bidens.

Nach vier Jahren Donald Trump, der mehr Sympathie für Autokraten als für traditionelle Verbündete erkennen ließ, kann das gar nicht hoch genug wertgeschätzt werden. Und wenn Trump tatsächlich sein Gegner sein sollte, wiegt dieses Argument 2024 mindestens so schwer wie 2020.

4. Die Umfragen
Bidens Werte sind nicht berauschend, aber sie bessern sich. Einer aktuellen Erhebung der Nachrichtenagentur Associated Press und des NORC Center for Public Affairs Research zufolge wollen 26 Prozent der Amerikaner, dass Biden nochmal antritt. Im Januar waren es noch 22 Prozent.

47 Prozent der demokratischen Wähler sind nun für eine zweite Amtszeit Bidens, im Januar waren es nur 37 Prozent. Da sich bisher kein anderer ernstzunehmender Demokrat um die Präsidentschaft bewirbt, geht sein Team davon aus, dass die Partei ihren Präsidenten voll unterstützt.

In einem Durchschnitt der Umfragen, den die „Washington Post“ erstellt hat, sind 43 Prozent der Amerikaner mit seiner Arbeit zufrieden und 54 Prozent unzufrieden. Bei Barack Obama schwankten die Zustimmungswerte auch nur zwischen 42 und 48 Prozent, als er 2011 seine Wiederwahlkampagne ankündigte.

5. Seine Gesundheit
Bidens Leibarzt hat ihm vor ein paar Wochen grünes Licht für eine weitere Kandidatur gegeben. Der 80-Jährige sei fit und in der Lage, die Aufgaben des Präsidenten erfolgreich zu erfüllen, schrieb sein langjähriger Arzt Kevin O’Connor Mitte Februar. Biden treibt demnach regelmäßig Sport, raucht und trinkt nicht. Sein steifer Gang sei eine normale Folge des Älterwerdens.


CONTRA

1. Das Alter
Alle wissen es, viele sagen es, und es ist nicht zu leugnen: Gegen vier weitere Jahre Joe Biden spricht vor allem sein Alter. Der schon jetzt älteste US-Präsident aller Zeiten wäre zu Beginn einer zweiten Amtszeit 82 Jahre – und, sollte er durchhalten, am Ende sogar 86.

Auf ihn wartet jetzt ein 18 Monate langer Wahlkampf inklusive kräftezehrender TV-Duelle. Für jeden Kandidaten würde das eine Belastungsprobe darstellen, doch hier fällt es besonders auf.

Jedes Mal, wenn Biden auf der Gangway der Air Force One stolpert, Personen verwechselt oder unbedachte Äußerungen von sich gibt, wird das vom politischen Gegner gnadenlos ausgeschlachtet. Zudem verstärkt sich der Eindruck, dass sein Team ihn zunehmend abschirmt. Und das führt zum nächsten Problem:

2. Mangelnde Begeisterung der Jungen
Die jungen Wähler haben den Demokraten die Midterms 2022 gerettet. Wenn sie am Stichtag ihre Stimme abgeben, haben sie das Potenzial, den Wahlausgang zu verändern. Gleiches gilt, wenn sie fernbleiben.

36
Prozent der Amerikaner zwischen 18 und 29 bewerten Bidens Arbeit positiv.


Da wiegt es schwer, dass nur 36 Prozent der Amerikaner zwischen 18 und 29 Bidens Arbeit positiv bewerten, wie eine aktuelle Umfrage der Harvard-Universität belegt. Im Frühjahr davor waren es noch 41 Prozent. Vor allem sein Umgang mit der Inflation und der Waffengewalt enttäuscht demnach die Jungen.

3. Die Umfragen
Nie hat sich Joe Biden wirklich aus dem Umfragekeller herausbewegen können. Selbst viele demokratische Wähler, die ihn respektieren, ihm dankbar für seinen jahrzehntelangen Einsatz sind und vor allem dafür, dass er Trump aus dem Weißen Haus vertrieben hat, sagen, es sei jetzt aber auch genug.

Das war bei Bill Clinton, Trump und Obama anders: Zumindest ihre Parteien standen zum entsprechenden Zeitpunkt fest hinter ihnen. Wie soll er eher konservative Wechselwähler davon überzeugen, dass er ihr Vertrauen verdient? Meinungsforscher nennen das eine „Enthusiasmus-Lücke“. Die Sorge vieler demokratischer Strategen ist, dass die nächste Wahl nicht mit der in einer Pandemie zu vergleichen ist.

Die republikanischen Wähler, so ist zu erwarten, werden sich hinter ihrem Kandidaten versammeln. Nach der Anklage von Trump ist die Wut auf „das Establishment“ in Washington noch gewachsen.

Viele sind fest davon überzeugt, dass die regierenden Demokraten die Justiz gegen Trump und damit auch gegen seine Unterstützer instrumentalisieren.

4. Es gäbe Alternativen
Kamala Harris mag als Vizepräsidentin viele Demokraten enttäuscht haben. Aber es gibt viele andere, denen die Präsidentschaft durchaus zugetraut würde. Darunter sind einige, die sich 2020 schon mal bewarben, zum Beispiel Verkehrsminister Pete Buttigieg oder die Senatoren Elizabeth Warren und Amy Klobuchar.

Zudem gibt es demokratische Gouverneure, die in ihren Bundesstaaten zeigen, wie sich die Republikaner schlagen lassen: Gretchen Whitmer in Michigan, J. B. Pritzker in Illinois, Gavin Newsom in Kalifornien oder Phil Murphy in New Jersey. Biden hatte zum Amtsantritt versprochen, Brückenbauer für eine neue Generation zu sein.

„Primaries“ wären für diese Hoffnungsträger eine große Chance, sich zu präsentieren. Aber ihnen bleiben die Hände gebunden, solange Biden den Weg versperrt. Gegen einen amtierenden Präsidenten der eigenen Partei anzutreten, würde die Partei spalten.

5. Die Weltlage
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der sich zuspitzende Konflikt mit China, der Klimawandel und die Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz: Die immer komplexer werdende Welt würde jeden US-Präsidenten fordern.

Einen über 80-jährigen Wahlkämpfer, der sich daheim noch mit einer widerspenstiger werdenden Opposition herumschlagen muss, könnte sie überfordern. Der Westen bleibt aber angewiesen auf einen starken Anführer in Washington.

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