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Peking mischt die Weltpolitik auf: Und wo bleibt Deutschlands China-Strategie?
Xi Jinping ist mächtiger als Mao. Seine Ambitionen sind gefährlich. Da kommt ihm Russland gerade recht. Der richtige Umgang damit ist immer noch eine offene Frage.

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Die baltischen Staaten haben sich dieser Tage empört über den chinesischen Botschafter in Frankreich, der findet, dass frühere Sowjetrepubliken nicht notwendigerweise souverän seien. „Im Völkerrecht haben selbst diese Länder der ehemaligen Sowjetunion keinen effektiven Status, weil es kein internationales Abkommen gibt, um ihren Status als souveränes Land zu konkretisieren“, sagte der Botschafter, übrigens auch mit Blick auf die Ukraine.
Und, wo bleibt die Empörung hierzulande? Die Äußerung muss doch Anlass bieten, sich noch einmal die „Herausforderung China“ vor Augen zu führen. Um daraus eigenes Handeln abzuleiten.
Aufregung wäre auch berechtigt. Weil es ja ein im Grunde sowieso schon ungeheurer Vorgang ist, wenn ein Geschäftsträger im Ausland so etwas sagt. Noch dazu wird es das, wenn es der chinesische Missionschef Lu Shaye tut. Dann noch in Paris, wo das Verstehen-wollen im Blick auf Peking größer ist als anderswo in der westlichen Welt. Da kann man sich schon mal mehr trauen?
Peking beschwichtigt im Nachhinein, erklärt, dass es den Status der Länder anerkennt, länger schon. Ganz so, als sei das andere nur eine eher akademische Sicht auf die Rechtslage gewesen. Bei der Beobachtung, unter der China wegen Großmachtgelüsten gerade steht, wirkt das Gesagte dennoch nach. Als hätte einer die Maske abgestreift.
Das Ziel: Expansion auf allen Wegen
Was ja man ohnehin vermutet: dass dahinter ein anderes Gesicht zu finden ist. Eines, das all denen recht gibt, die jetzt besorgt sind; jetzt, nachdem Xi Jinping der mächtigste chinesische Herrscher seit – nein, sogar noch vor Mao Zedong ist. Sein Ziel: Expansion auf allen Wegen, allen Feldern, politisch, wirtschaftlich, militärisch. Die Seidenstraße ist dafür nur eine Chiffre.
Und der Ausbau der Beziehungen zu Russland ist in dem Zusammenhang eine brandgefährliche Entwicklung. Wladimir Putin, Präsident und Autokrat wie Xi, nur unmaskiert: Er will die versunkene Sowjetunion wiederhaben. Wobei wiederhaben heißt: sich frühere Republiken, Satellitenstaaten zu anderer Zeit, wieder einzuverleiben.
Wie damit umgehen, wie handeln? Das ist eine Frage, die man der Bundesregierung momentan so nicht stellen kann. Denn deren lange angekündigte China-Strategie lässt ja immer noch auf sich warten. Sie ist gegenwärtig „in der Ressortabstimmung“, lautet die offizielle Auskunft. Diese Abstimmung kann dauern. Zumal der Bundeskanzler bekanntermaßen auch noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden gedenkt.
Nur ist es so: China kommt zwischenzeitlich gewaltig auf. Es mischt sich im Nahen und Mittleren Osten ein, in den Ukrainekrieg (wahrscheinlich auch mit Waffenhilfe für die Russen), verschreckt mit den Äußerungen zu Ex-Sowjetrepubliken – da müsste das große diplomatische Besteck ausgepackt werden. Und zwar auf westlicher, europäischer, auf deutscher Seite. Will sagen: Eine Berliner Strategie ist überfällig. Aber so was von.
Einerlei, wie es früher war, als man sich mit dem Nachdenken fürs Vorausdenken noch ein wenig mehr Zeit lassen konnte, hier und heute muss es schneller gehen. Denn die Welt und ihre Krisen warten nicht. Die Chinesen schon gar nicht. Empörung hilft auf Dauer auch keinem weiter.
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