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Angedachte Sicherheitsgarantien für die Ukraine: „Das würde die Glaubwürdigkeit der USA auf die Probe stellen“
Seine hybride Kriegsführung gegen Europa würde Putin auch bei einem Waffenstillstand fortsetzen, meint US-Politikberater Peter Rough. Helfen würden nur offensive Gegenmaßnahmen.
Stand:
Nach den Verhandlungen in Berlin um ein Ende des Krieges stellen die USA der Ukraine nun Sicherheitsgarantien ähnlich der Nato-Beistandsklausel in Aussicht. Ein Durchbruch auf dem Weg zum Frieden?
Der exakte Text ist bislang nicht veröffentlicht, wir wissen also nicht, was genau angeboten wurde. Es klingt nach der sogenannten Meloni-Initiative, also einer Sicherheitsgarantie ohne eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Eine solche Sicherheitsgarantie ähnlich dem Artikel 5 des Nato-Vertrags würde die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten auf die Probe stellen.
Eine derartige Zusage wäre entweder ein großer Bluff der Amerikaner oder eine Verpflichtung der USA gegenüber der Ukraine, zu der selbst Präsident Biden nicht bereit war. Damit dies überhaupt in Kraft treten könnte, bräuchte es zunächst einen Waffenstillstand. Das führt uns zu der Frage, wie Russland auf diese reagieren wird.
Aus Moskau kam unmittelbarer Protest.
Sowohl für die Ukrainer als auch für die Russen scheint das Ziel zu sein, den US-Präsidenten davon zu überzeugen, dass jeweils die andere Seite für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich ist. Präsident Selenskyj hat in Berlin Flexibilität und Kompromissbereitschaft gezeigt, wohl auch um den amerikanischen Verhandlungsführern und Präsident Trump zu demonstrieren, dass es – wenn es nach ihm ginge – zu einem Friedensabkommen kommen würde.
Die Russen wiederum werden versuchen, auf der Basis des „28-Punkte-Plans“ zu argumentieren und den Europäern und Ukrainern vorwerfen, Fortschritte damit zu verhindern.
Eine Zusage Nato-ähnlicher Garantien wäre entweder ein großer Bluff der Amerikaner oder eine Verpflichtung der USA gegenüber der Ukraine, zu der selbst Präsident Biden nicht bereit war.
Peter Rough, ehemaliger US-Präsidenten-Berater
Sollten die USA nicht aufseiten der Ukraine stehen, dem Opfer der russischen Aggression?
Ja. Präsident Trump wiederholt seit Beginn seiner Amtszeit quasi mantrahaft, dass er den Krieg in der Ukraine schnell beenden will. Die USA haben von russischer Seite laut und klar die Botschaft vernommen, dass Russland den Krieg fortsetzen und die ukrainischen Streitkräfte zermürben wird, es sei denn, die Ukraine erklärt sich bereit, die Überreste von Luhansk und den verbleibenden Teil von Donezk abzutreten.
Warum sollte die Ukraine gezwungen werden, Territorium abzutreten?
Es geht Präsident Trump erst mal darum, diesen furchtbaren Krieg zu beenden. Aber natürlich muss Russland dafür leiden, ihn begonnen zu haben und ihn zukünftig nicht weiterzuführen. Ich glaube, wenn man der Ukraine ein Wahrheitsserum verabreichen würde, würde sie ihre Bereitschaft erklären, Luhansk und Donezk aufzugeben. Vorausgesetzt, sie könnte sicher sein, dass dies wirklich ein dauerhaftes Ende des Krieges bedeuten würde.
Die Sicherheitsgarantien sind der alles entscheidende Punkt. Nato-ähnliche Garantien, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, könnten die Ukrainer bewegen, derart schwierige und schmerzhafte Zugeständnisse zu machen. Ansonsten gehen die Kampfhandlungen weiter.
Wie kann sich die Ukraine denn sicher sein, dass die USA keinen Rückzieher machen, sobald Kiew zugestimmt hat, Gebiete an Russland abzutreten?
Die Ukrainer streben an, dass der US-Senat über die Sicherheitsgarantien entscheidet. Das wäre eine zusätzliche Stärkung. Eine Einigung trüge auch Präsident Trumps Unterschrift. Es wäre dann nicht mehr „Bidens Krieg“, wie er ihn gerne nennt, sondern sein Abkommen. Aber „sicher“ ist nichts.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk sagt, von US-Unterhändlern gehört zu haben, dass die USA bei einem erneuten russischen Angriff militärisch reagieren würden. Wie sähe das aus?
Wir müssen abwarten, was der genaue Text des US-Vorschlags besagt.
Bereits elf Länder haben sich bereit erklärt, an der „multinationalen Truppe für die Ukraine“ mitzuwirken, auf die sich mehrere europäische Staaten am Montag in Berlin verständigt haben. Die USA will „unterstützen“. Was bedeutet das?
Wir wissen noch nicht viel Konkretes, außer dass die USA voraussichtlich keine Bodentruppen zur Verfügung stellen werden. Es gibt viele Fragen zu klären, zum Beispiel, wer genau wie den Waffenstillstand absichert. Ich gehe davon aus, dass die europäischen Truppen eher die Verstärkung hinter der Frontlinie sein werden. Auch die Überwachung des Luftraums und der Seewege ist ein wichtiger Punkt sowie die Zusammenarbeit mit den USA und der Nato.
Sie haben erwähnt, die Russen müssten leiden, um den Krieg nicht fortzusetzen. Manche US-Republikaner argumentieren allerdings, dass Russland durch den Krieg so viel Schaden erlitten habe, dass die Russen vor weiteren Angriffen zurückschrecken würden.
Die Russen haben Schätzungen zufolge bereits über 300.000 Soldaten verloren. Viele ihrer besten Einheiten sind massiv geschwächt. Die russische Wirtschaft stagniert bestenfalls oder befindet sich sogar in einer Rezession. Die Ukraine hat sich als Stachelschwein erwiesen, das Russland nicht einfach schlucken konnte.
Die Russen sehen Konflikte wie einen Dimmer. Man kann sie in Nuancen rauf- und runterfahren. Im Westen betrachten wir Konflikte dagegen eher als einen Ein-Aus-Schalter.
Peter Rough, US-Politikberater
Das sind natürlich valide Argumente. Dennoch befürchte ich, dass Putin auch nach einem Waffenstillstand mindestens einen massiven Informationskrieg gegen Präsident Selenskyj und die Ukrainer führen wird. Auch die hybride Kriegsführung gegen Europa wird er fortsetzen.
Über Russlands zunehmende hybride Kriegsführung haben Sie vor Kurzem vor dem US-Kongress ausgesagt. Wie kann sie gestoppt werden?
So bizarr es klingen mag: Eine große Gefahr, die ich sehe, ist, dass die Russen bei diesen Aktionen zunehmend auf „Unprofessionelle“ angewiesen sind, da viele ihrer Geheimdienstmitarbeiter aus europäischen Staaten ausgewiesen wurden. Das erhöht das Risiko einer Fehleinschätzung und einer versehentlichen Eskalation ungemein. Wir sehen, dass die Aktionen immer dreister werden.
Wie kann sich Europa dagegen effektiv zur Wehr setzen?
Die Operation „Baltic Sentry“, die die Nato als Reaktion auf die Kabelbeschädigung in der Ostsee gestartet hat, ist ziemlich erfolgreich. Im September wurde nach den Drohnenvorfällen über Polen und Rumänien und dem Kampfflugzeug-Einsatz über Estland die Operation „Eastern Sentry“ gestartet. Das Problem dabei ist, dass der ökonomische Vorteil aufseiten von Russland liegt.
Präsident Trump ist ein instinktgetriebener Verhandler. Bei einem solchen Führungsstil wäre es eher ungewöhnlich, sich durch eine Sicherheitsstrategie einen Rahmen vorgeben zu lassen.
Peter Rough, US-Politikberater
Es ist für die Russen unglaublich billig, eine Drohne aus Holz und Styropor in den polnischen Luftraum zu schicken. Für die Nato ist es dagegen derzeit noch sehr teuer, diese abzuwehren. Die Nato muss sich also etwas einfallen lassen, um die Russen an der hybriden Front abzuschrecken.
Woran denken Sie?
An offensive Gegenmaßnahmen. Ich habe vor dem Kongress ausgesagt, dass es vielleicht einfach mal notwendig ist, dass die Lichter in der Moskauer Metro einen Morgen lang ausgehen. Damit würde man den Russen klarmachen, dass solche Angriffe nicht folgenlos bleiben. Anders kommt die Botschaft anscheinend nicht an.
Ich glaube, die Russen sehen Konflikte wie einen Dimmer. Man kann sie in Nuancen rauf- und runterfahren. Im Westen betrachten wir Konflikte dagegen eher als einen Ein-Aus-Schalter. Das schränkt uns sehr ein und führt zu einer defensiven Haltung.
Europa tut sich mit solchen Schritten bislang eher schwer.
Viele Menschen in Europa sehnen sich nach dem Status quo ante, danach, einfach nur in Friedenszeiten zu leben. Das ist nicht möglich. Europa muss den Fehler vermeiden, seine einzigen beiden Optionen in der einen großen militärischen Operation oder dem Nichtstun zu sehen.
Ich glaube, wenn man der Ukraine ein Wahrheitsserum verabreichen würde, würde sie ihre Bereitschaft erklären, Luhansk und Donezk aufzugeben.
Peter Rough, Politikberater beim konservativen Thinktank Hudson Institute
In der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA wird Russland als Partner bezeichnet, nicht als Feind. Wie passt das zum hybriden Krieg gegen die Nato?
Präsident Trump ist ein instinktgetriebener Verhandler, ein Dealmaker. Er bewertet die Lage und entscheidet dann. Mehr als in den meisten Administrationen zuvor beeinflusst der Präsident derzeit das Regierungshandeln. Bei einem solchen Führungsstil wäre es eher ungewöhnlich, sich durch eine Sicherheitsstrategie einen Rahmen vorgeben zu lassen.
Aber mit einer solchen Strategie sendet die US-Regierung dennoch eine klare Botschaft.
Zweifellos. Für die Trump-Administration war vermutlich ein wesentlicher Faktor, dass die USA sich in laufenden Verhandlungen mit Moskau befinden. Wenn Russland in einer US-Strategie als Feind bezeichnet wird, blockiert das aus Präsident Trumps Sicht die Gespräche.
Eine Methode der Außenpolitik besteht darin, zunächst mit den Ukrainern und dann mit den Europäern zu sprechen, eine gemeinsame Position zu entwickeln und diese dann den Russen vorzutragen. Eine andere ist, mit der eigenen Haltung voranzustürmen und zu versuchen, alle hinter sich zu versammeln. Dieses Team gehört definitiv zur zweiten Kategorie.
Wenn die USA, Europa und die Ukraine eine gemeinsame Position finden, was derzeit der Fall zu sein scheint, sich Moskau aber weiterhin unnachgiebig zeigt, könnte Russland bald in die Defensive geraten.
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