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Er könnte Rumäniens neuer Präsident werden: George Simion, Parteichef und Kandidat der AUR-Partei.

© AFP/DANIEL MIHAILESCU

Rechtsextrem, Ex-Hooligan, vielleicht Rumäniens nächster Präsident: Was würde ein Wahlsieg von George Simion bedeuten?

Der Sieg des rechtsextremen Politikers George Simion Anfang Mai stürzte Rumänien in eine innenpolitische Krise. An diesem Sonntag entscheidet sich im zweiten Wahlgang, ob er Präsident wird.

Von
  • Anneli Ute Gabanyi
  • Claudiu Tufis
  • Anna-Lena Koschig Hölzl

Stand:

Am Sonntag entscheidet das rumänische Volk darüber, wer ihr neuer Präsident wird. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs am 4. Mai hatte das Land in eine innenpolitische Krise gestürzt.

George Simion - Ex-Hooligan, Ultranationalist, Parteichef und Kandidat des rechtsnationalen „Bündnis für die Union der Rumänen“ (AUR) - lag weit vor seinem westlich orientierten Konkurrenten, dem liberalkonservativen, parteilosen Bürgermeister von Bukarest, Nicusor Dan.

Der sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu trat nach diesem deutlichen Rechtsruck zurück; der Kandidat seiner Partei PSD war in der ersten Wahlrunde ausgeschieden. Die bürgerlich-sozialdemokratische Regierungskoalition, zu der auch die bürgerliche Partei PNL gehört, ist damit faktisch zerbrochen. Die Minister blieben aber vorläufig im Amt.

Zentrale Botschaft im Wahlkampf des 38-jährigen Simion ist sein Schulterschluss mit dem kremlfreundlichen Politiker Calin Georgescu, der im Fokus der annullierten Wahl im November 2024 stand. Damals hatte der rechtsextreme, prorussische Kandidat Georgescu überraschend die meisten Stimmen erhalten. Das Verfassungsgericht erklärte das Ergebnis aber wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung für ungültig. Auch eine erneute Präsidentenkandidatur Georgescus verbot das Gericht und billigte einen entsprechenden Beschluss des Wahlbüros, das diesem Politiker Treue zur demokratischen Grundordnung absprach.

Georgescu tritt nun als Simions Verbündeter auf. Er hat unter anderem öffentlich Zweifel an der Realität des Angriffs Russlands auf die Ukraine bekundet.

Und: Simion schloss nicht aus, Georgescu ins Amt des Ministerpräsidenten zu verhelfen. Mit großer Spannung wird nun die zweite Wahlrunde am 18. Mai erwartet. 

Was wird passieren, sollte Simion erneut triumphieren? Und wie steht es dann um Rumäniens Rolle in der EU? Das haben wir für unsere Rubrik „3 auf 1“ drei Experten gefragt.


Die Hoffnung stirbt zuletzt

Der rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat George Simion hat im ersten Wahlgang der nachgeholten Präsidentschaftswahlen vom 4. Mai 2025 einen fast uneinholbaren Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Nicusor Dan erzielt. Dennoch wollen ihn Vertreter der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft noch nicht als den sicheren Sieger sehen.

Seine Strategie vor dem ersten Wahlgang bestand darin, sich als Vollstrecker des Programms des primitiv-nationalistischen, EU- und Nato-feindlichen, russophilen Calin Georgescu zu profilieren und die ärmere Bevölkerung mit dem Versprechen sozialer Wohltaten zu ködern. Jetzt aber hat Simion seine Taktik geändert, um die Wähler nicht zu verschrecken und neue Wählerschichten zu gewinnen.

Seine vor der Wahl getätigten demagogischen Aussagen bezeichnet er nun freimütig als „reine PR-Maßnahmen“. Statt wie vor dem ersten Wahlgang TV-Duellen aus dem Weg zu gehen, drängt es nun in die Fernsehstudios, um eine weichgespülte Version seiner bisherigen Ankündigungen unter das Volk zu bringen.

George Simion bei einem TV-Duell am 08. Mai 2025.

© Foto: IMAGO/Alex Nicodim/IMAGO/Alex Nicodim

In einem Punkt aber bleibt Simion standhaft: Sollte er gewählt werden, will er Georgescu den Posten des Ministerpräsidenten anbieten. Angesichts dieser Aussichten zeigt die rumänische Wirtschaft bereits jetzt Zeichen großer Nervosität, die im Falle einer Wahl Simions verheerende Folgen für Zinsen, Auslandsinvestitionen und die Einstufung durch die internationalen Rating-Agenturen zeitigen könnten.

Zwar spricht sich Simion, anders als Georgescu, für einen Verbleib Rumäniens in der Nato aus, er will jedoch die Unterstützung des Landes für die Ukraine stoppen, was im Falle seines Wahlsiegs unabsehbare geopolitische Konsequenzen zeitigen könnte.

Inzwischen läuft in Rumänien ein beispielloser Prozess der Mobilisierung der Wähler zugunsten von Simions Gegenkandidaten, dem westlich orientierten parteilosen Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan, der in den Umfragen stark aufgeholt hat. Am Mittwoch vor dem Wahlsonntag lagen die beiden Kandidaten gleichauf.

Nicusor Dan, Simions wichtigster Gegenkandidat, ist derzeit Bürgermeister von Bukarest und parteilos.

© Foto: AFP/MIHAI BARBU

Eine Gefahr für Rumäniens Fortschritt

George Simion und seiner Partei (AUR) fehlt es an außenpolitischer Kompetenz, sie haben keine Regierungserfahrung (über ihre vier Jahre im Parlament hinaus) oder nennenswerten Kenntnisse in der öffentlichen Verwaltung, und sie mussten noch nie Haushaltsentscheidungen in Zeiten einer Wirtschaftskrise treffen.

Aus dieser Perspektive sehe ich drei wesentliche Konsequenzen. Erstens würde Simion im Falle seiner Wahl auf eine Koalitionsregierung drängen, der auch die AUR angehören würde, was die politische Krise in Rumänien weiter verschärfen würde.

Zweitens würde der von mir erwähnte Mangel an Erfahrung nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der öffentlichen Verwaltung und dem internationalen Ansehen Rumäniens schaden.

Schließlich denke ich, dass Simion nach schnellen, einfachen Erfolgen suchen und sich zu Beginn seiner Präsidentschaft auf die Auseinandersetzung mit Werten konzentrieren würde, die seiner Meinung nach aktuell nicht mit der rumänischen Gesellschaft vereinbar sind.

Nicht zuletzt würde er alle Fortschritte rückgängig machen, die Rumänien in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter, den Schutz sexueller Minderheiten, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemacht hat.

Sein Feindbild ist Brüssel

Ein Wahlsieg Simions wäre nicht nur ein innenpolitischer Einschnitt, sondern hätte auch außenpolitische Folgen. Simion gibt sich als Verteidiger nationaler Interessen und sieht neben den Mainstream-Parteien in Rumänien sein Hauptfeindbild in Brüssel: Während „die Hälfte Rumäniens in Armut lebt“, kümmere sich die EU um „Geschlechtsidentität und Klimawandel“ – so seine Rhetorik.

Anders als Călin Georgescu spricht sich George Simion aber nicht für einen Ausritt aus EU und Nato aus. Stattdessen wirbt Simion für ein „Europa der Nationen“ mit weniger Macht für europäische Institutionen. Seine Partei gehört zur ECR-Fraktion und er selbst sieht Giorgia Meloni als „politisches Vorbild“. Das Etikett „Euroskeptiker“ vermeidet er, setzt aber auf Konfrontation mit Brüssel – und auf Nähe zu Washington, insbesondere zu Donald Trump.

Außenpolitisch droht er, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen, wenn die Rechte ethnischer Rumänen in der Ukraine nicht gewahrt würden. Die moldauisch-rumänische Vereinigung erklärte er zu seinem langfristigen politischen Ziel. Er hat derzeit ein Einreiseverbot für die Ukraine und die Moldau.

Seine Wahl könnte die Geschlossenheit der EU schwächen, insbesondere in der Ukraine-Politik, und die Ostflanke der Nato destabilisieren. Die Rolle Rumäniens als verlässlicher Partner in EU und Nato wäre wohl erstmal Vergangenheit.

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