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Demonstranten tragen Puppenköpfe der italienischen Ministerpräsidentin Meloni, des Infrastruktur- und Verkehrsministers Salvini und des Innenministers Piantedosi während einer Demonstration am Tag der Arbeit. +++ dpa-Bildfunk +++

© picture alliance/dpa/LaPresse/AP/Marco Alpozzi

Regierung und Gewerkschaften im Clinch: Kein schöner 1. Mai in Italien

Ausgerechnet an deren höchstem Feiertag hat Italiens Regierung den Gewerkschaften des Landes das Fest verdorben. Ein neues Dekret sieht die Ausweitung befristeter Arbeit vor.

Italiens Regierung hat am Maifeiertag gegen den scharfen Protest der Gewerkschaften neue Arbeitsmarktmaßnahmen beschlossen. So werden Firmen, die junge Arbeitslose bis 30 einstellen, ein Jahr lang vom Arbeitgeberanteil zu deren Sozialbeiträgen befreit.

Außerdem weitet die Regierung in ihrem „Arbeitsdekret“ vom 1. Mai die Möglichkeiten befristeter Arbeitsverträge aus. Unternehmen der Bäder- und Tourismusbranche dürfen künftig zudem auch mit über 40-Jährigen Praktikumsverträge abschließen.

Erst 2018 hatte die Fünf-Sterne-Regierung von Giuseppe Conte solche Verträge begrenzt. Die Regierung Meloni verteidigt ihren Schritt zurück damit, nur so bringe man Firmen dazu, mehr Menschen einzustellen. Die neuen Regeln seien weniger bürokratisch und leichter anzuwenden, argumentierte Arbeitsministerin Marina Calderone.

Im selben Dekret sind auch weitere Schritte enthalten, um das damals eingeführte Bürgereinkommen für besonders Arme zurückzufahren, den „reddito di cittadinanza“. Wer als arbeitsfähig gilt, erhält mit dem neuen „Teilhabe-Scheck“ (assegno di inclusione) ab Januar 2024 nichts mehr.

Für kleine Einkommen plant die Regierung dagegen eine Steuerentlastung. Ministerpräsidentin Meloni lobte das Vorhaben in einem Video am Montag „als bedeutendste Steuerentlastung der letzten Jahrzehnte“. Sie könne bis zu 100 Euro pro Monat bringen.

Weniger Kinder, weil Frauen nicht arbeiten können

Die Gewerkschaften reagierten erbost auf das Vorhaben, in dem sie eine Verfestigung prekärer Beschäftigung sehen. Italiens Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik brauche eine grundlegende Reform, schimpfte Maurizio Landini, der Chef der größten Gewerkschaft CGIL. Stattdessen nähe die Regierung dem System „ein paar Flicken“ auf.

87 Prozent der Beschäftigten in Italien verdienten im Jahr weniger als 35.000 Euro, so Landini in einerm Interview mit der Tageszeitung „La Repubblica“. Und während abhängig Beschäftigte mit 40 Prozent besteuert würden, seien auf Imobilienbesitz, Börsengewinne und Unternehmertätigkeit nur zwischen 21 und 15 Prozent fällig.

Auch die Ankündigung, man wolle die Zahl der Geburten erhöhen, passe dazu: „Wir haben weniger Kinder, weil Italien das Land mit der geringsten Erwerbsquote von Frauen ist, der höchsten Zahl ungesicherter, prekärer Arbeit, mit wenig Kindergärten, Schulen und öffentlichen Dienstleistungen.“

Die Gewerkschaften sind nicht zuletzt deswegen aufgebracht, weil sich Meloni für das neue Dekret ausgerechnet den 1. Mai ausgesucht hatte, seit 137 Jahren der höchste Festtag der Gewerkschaften. Sie vermuten dahinter das Ziel, ihnen an diesem Tag die Schau zu stehlen: „Die Regierung ärgert es, dass die Erzählung des 1. Mai von den Gewerkschaften bestimmt wird“, sagte Pierpaolo Bombardieri, Chef der kleineren Gewerkschaft UIL.

„Die Regierung arbeitet, die Linke besucht Konzerte“

Landini nannte die Wahl gerade dieses Tages „arrogant und beleidigend“. Melonis Koalitionspartnerinnen Lega und Forza Italia spielten den Vorwurf an die Gegenseite zurück: „Wir bringen für den Arbeitsmarkt Maßnahmen auf den Weg“, so Licia Ronzulli, die Fraktionschefin von FI. „Die Linke besucht Konzerte.“

Am Ort der römischen Maikundgebung vor der Basilika San Giovanni in Laterano organisieren die Gewerkschaften seit 1990 ab dem Nachmittag ein Konzert, das als größte Gratis-Open-Air-Veranstaltung Europas gilt. .

Auch dass es in Vorbereitung des Dekrets keinerlei Konsultationen mit den Gewerkschaften gab, machte dort böses Blut. Sie wurden schließlich eingeladen – für Sonntagabend, wenige Stunden vor dessen Verkündung.

Man habe sich lediglich mündlich austauschen können, so Landini nach Ende des Gesprächs mit der Ministerpräsidentin in deren römischem Amtssitz, dem Palazzo Chigi. Man habe von der Regierung nämlich „nichts Schriftliches bekommen“. Auch das sei nicht akzeptabel.

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