zum Hauptinhalt
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bei der Vereidigung der neuen Regierung.

© imago/UPI Photo / Amir Cohen

Update

Religiöse Fundamentalisten und rechte Nationalisten: Neue rechts-religiöse Regierung in Israel vereidigt

Die Parlamentssitzung zur neuen Regierung Israels unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat begonnen. Die geplante Aufnahme bestimmter Politiker löste im Vorfeld Unruhe aus.

| Update:

In Israel wurde die neue, am weitesten rechts stehende Regierung der israelischen Geschichte unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vereidigt. Vor der Knesset, dem Parlament Israels, erklärte Netanjahu am Donnerstag, die Beendigung des Konflikts zwischen Israel und Arabern habe oberste Priorität.

Zur Regierung gehören religiöse Fundamentalisten und rechte Nationalisten an. Unter Palästinensern und auch im Ausland hat vor allem die geplante Aufnahme von Itamar Ben-Gvir von der ultranationalistischen Partei Jüdische Kraft und von Bezalel Smotrich von der Partei Religiöser Zionismus Unruhe ausgelöst.

Zu seinem Außenminister machte Netanjahu den Ex-Geheimdienstminister Eli Cohen, der eine wichtige Rolle bei der Normalisierung der Beziehungen zu mehreren arabischen Staaten gespielt hatte. Der ehemalige Armeekommandeur Joav Galant wird Verteidigungsminister.

Beide lehnen einen Palästinenser-Staat ab und befürworten die Ausweitung israelischen Territoriums ins besetzte Westjordanland. Die Regierung will innerhalb von 60 Tagen als illegal geltende und ohne bisherige Regierungsgenehmigung errichtete Siedlungen im besetzten Westjordanland anerkennen.

Für die Belange jüdischer Siedler im Westjordanland soll zudem nicht mehr das Militär zuständig sein. Sie sollen stattdessen einer zivilen Abteilung des Verteidigungsministeriums unterstellt werden.

Der neue Minister für nationale Sicherheit in Israel, Itamar Ben Gvir.
Der neue Minister für nationale Sicherheit in Israel, Itamar Ben Gvir.

© AFP / AFP/Amir Cohen

Ben Gvir erhält als Minister für nationale Sicherheit die Zuständigkeit für die Polizei und kann demnach ihre „allgemeinen Handlungsgrundsätze“ festlegen. Sein Ministerium soll zudem über einen Zeitraum von sieben Jahren ein zusätzliches Budget von 45 Milliarden Schekel (12,8 Milliarden Dollar) erhalten.

Ben Gvirs Partei will dem Parlament noch vor der Verabschiedung des Haushalts 2023 ein neues Gesetz vorlegen, wonach des „Terrorismus“ überführte Verdächtige die Todesstrafe erhalten können.

Zum Parlamentspräsidenten wurde der frühere Justizminister Amir Ohana gewählt. Der 46-jährige ist der erste offen homosexuell lebende Mann in dieser Position in Israel. Zur neuen Regierung gehört nun auch die ultrarechte Partei Noam.

Der Chef der rechtsextremen Partei Noam, Avi Maoz, wird Direktor einer neuen Regierungsabteilung zur Förderung der „Nationalen Jüdischen Identität“. Er wird damit verantwortlich für Lehrtätigkeiten oder Vorträge an Schulen, zu denen extern eingeladen wird. Die Noam-Partei ist feindselig gegenüber sexuellen Minderheiten eingestellt. Hunderte Menschen protestierten am Donnerstag vor der Knesset gegen die neue Regierung, einige mit der Regenbogenflagge. 

Auch Arje Deri, Chef der ultraorthodoxen Schass-Partei, erhielt ein Ministerium. Das war nur möglich, nachdem das Parlament am Dienstag ein Gesetz verabschiedet hatte, das die Übernahme eines Ministeramtes trotz einer nachweislich begangenen Straftat erlaubt - sofern derjenige keine Freiheitsstrafe erhielt. Der neue Innen- und Gesundheitsminister Deri hatte sich zuvor mehrerer Steuervergehen schuldig bekannt. Auch Israels Präsident Isaac Herzog äußerte Bedenken über die neue Regierung. Eine Situation, in der Bürger Israels aufgrund ihrer Identität oder ihrer Werte Drohungen befürchten müssten, widerspreche den grundlegenden demokratischen und ethischen Prinzipien des Landes, schrieb er am Sonntag auf Twitter. Unternehmen pochen auf Antidiskriminierung.

Das künftige Verhältnis von Staat und Religion

Die neue Regierung könnte die Kriterien für die Erlangung der israelischen Staatsbürgerschaft verschärfen. Vorschläge sehen Änderungen des israelischen „Rückkehrgesetzes“ vor - der Grundlage für die Einwanderung nach Israel.

Ein weiteres neues Gesetz würde es Unternehmen erlauben, Dienstleistungen aus religiösen Gründen zu verweigern. Zudem soll die Finanzierung der Jeschiwas, der jüdischen religiösen Schulen, in den Staatshaushalt aufgenommen werden. Auch sind Gesetze geplant, die die Trennung von Männern und Frauen in öffentlichen Räumen erlauben sollen.

Reaktionen aus Russland und Deutschland

Kurz nach der Vereidigung Netanjahus übermittelte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Netanjahu seine „besten Glückwünsche“. „Israel und Deutschland verbindet eine besondere und enge Freundschaft“, erklärte Scholz. „Diese Grundlage der partnerschaftlichen Zusammenarbeit (...) werden wir weiter pflegen.“

Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßte nach Angaben des Kremls die Rückkehr Netanjahus an die Regierung. Er wolle die Zusammenarbeit mit Israel ausbauen, erklärte Putin.

Netanjahu sei durstig nach Macht

Netanayhu hat erklärt, er wolle im Interesse aller Bürger Israels regieren. Bei der Parlamentswahl Anfang November war der von ihm angeführte Block auf 64 der 120 Sitze umfassenden Knesset gekommen. Der 73-Jährige war schon mehrfach Regierungschef. Derzeit steht er wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht, die er nach wie vor zurückweist.

Politikwissenschaftler sagen, Netanjahu habe der extremen Rechten weitgehende Zugeständnisse eingeräumt in der Hoffnung, als Ministerpräsident Immunität oder die Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Smotrich und Ben Gvir hätten „einen starken Durst nach Macht“, erklärte Denis Charbit, Professor an der israelischen Open University. Ihre Priorität bleibe die Ausweitung der Siedlungen im Westjordanland.

Die neue Regierung nannte Charbit das Ergebnis von „Netanjahus politischer Schwäche, die mit seinem Alter und seinem Prozess zusammenhängt, und der Tatsache, dass wir eine neue politische Familie der revolutionären Rechten haben, die wir in dieser Stärke in Israel noch nie gesehen haben“.

Anfang des Monats hatte US-Außenminister Antony Blinken gewarnt, dass Washington sich weiteren Siedlungen sowie „Schritten in Richtung einer Annexion“ des Westjordanlands entgegenstelle. Am Mittwoch jedoch stellte Netanjahu die Ausweitung des Siedlungsbaus im Westjordanland als einen der Kernpunkte seines Regierungsprogramms vor. (Reuters, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false