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Olexij Resnikow ist Verteidigungsminister der Ukraine.

© dpa/Kay Nietfeld

Resnikow bleibt doch im Amt: Wirbel um Minister-Entlassung deckt den Konkurrenzkampf in Selenskyjs Umfeld auf

Erst sollte Oleksiy Resnikow sein Amt als Verteidigungsminister verlieren, dann war die Entlassung wieder vom Tisch. Was steckt dahinter?

Bleibt er? Oder muss er doch gehen? Was den ukrainischen Verteidigungsminister Oleksiy Resnikow angeht, gab es in den vergangenen Wochen viel Aufregung. Am Mittwoch teilte Resnikow mit, er sei von Präsident Wolodymyr Selenskyj gebeten worden, im Amt zu bleiben.

Auf die Frage in einem Reuters-Interview, ob er in den kommenden Monaten weiter als Verteidigungsminister im Amt sein werde, sagte Resnikow: „Ja, das war die Entscheidung meines Präsidenten.“

Resnikows angebliche Entlassung in der vergangenen Woche verlief mehr als seltsam: Der Vorsitzende der präsidentenfreundlichen Fraktion „Diener des Volkes“, David Arachamija, kündigte offiziell die Entlassung des Ministers an und benannte sogar seinen Nachfolger. Der Posten des Verteidigungsministers sollte mit dem Leiter der Hauptverwaltung für Geheimdienste, Kyrylo Budanov, einem aufstrebenden Star der ukrainischen Politik, besetzt werden.

Hintergrund sind mehrere Korruptionsfälle im Ministerium von Oleksiy Resnikow. Auch wenn er nicht direkt involviert ist, stellte sich zuletzt die Frage nach seiner politischen Verantwortung.

Wolodymyr Selenskyj und Olexij Resnikow.
Wolodymyr Selenskyj und Olexij Resnikow.

© dpa/Kay Nietfeld

Kurz nach der angekündigten Entlassung dementierte David Arachamija seine Aussage dann allerdings wieder. „Diese Woche wird es keine Rücktritte oder Ernennungen geben“, sagte er der Presse. Beide Erklärungen sollen aber mit dem Präsidenten abgestimmt gewesen sein. Was ist also über Nacht passiert, dass der Präsident seine Meinung geändert hat?

Können im Oktober 2023 Wahlen in der Ukraine stattfinden?

Die Tatsache, dass ein Personalwechsel öffentlich diskutiert wird, ist ein Zeichen für einen verstärkten internen politischen Kampf im Umfeld des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Mehrere Quellen im Präsidialamt bestätigten dem Tagesspiegel, dass es einen unausgesprochenen Wettbewerb zwischen verschiedenen Einflusszentren gebe.

David Arachamija ist nicht nur der Vorsitzende der Parlamentsfraktion „Diener des Volkes“, sondern auch eine dem Staatschef nahestehende Person. Es ist bekannt, dass er in ständigem direkten Kontakt mit dem Präsidenten steht und eine Art „Botschafter des Präsidenten für besondere Aufgaben“ ist. Sowohl in militärischen als auch in politischen Angelegenheiten.

David Arachamija.
David Arachamija.

© IMAGO/Sergei Karpukhin

Doch schon seit Langem konkurriert David Arachamija mit Andrij Jermak, dem Leiter des Präsidialamtes, um Einfluss auf den ukrainischen Präsidenten. Letzterer hat sich längst den Status des zweiten Mannes in der Ukraine, des so genannten grauen Kardinals, gesichert. Übrigens gilt der Verteidigungsminister als sein Schützling. Mit dem Ausbruch des Krieges verdrängte das von Jermak geleitete Präsidialamt das Parlament de facto von der politischen Landkarte.

Eigentlich sollen im Oktober 2023 Parlamentswahlen in der Ukraine stattfinden. Die Vorbereitungen für die Wahlen müssten dann im Sommer beginnen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Ukraine den Krieg bis dahin beenden kann. Für den Fall der Fälle haben die politischen Spieler begonnen, sich auf die Wahlen vorzubereiten. Oder zumindest über ihre Perspektiven nachzudenken.

Schon im Januar war die Rede von Rücktritten

Der Versuch, den Verteidigungsminister zu entlassen, könnte also vielmehr mit den eventuell bevorstehenden Wahlen als mit dem Korruptionsskandal in seinem Ministerium zusammenhängen. In der Tat ist bereits seit Januar von möglichen Rücktritten in der Regierung die Rede.

„Das Präsidialamt war auf der Suche nach einem optimaleren System der Armeeführung“, so ein hochrangiger Beamter gegenüber dem Tagesspiegel. Das Tandem zwischen Verteidigungsminister Resnikow und dem Oberbefehlshaber der Armee, Walerij Fedorowytsch Saluschnyj, beruhte zunächst darauf, dass die beiden nicht konkurrierten, sondern sich die Verantwortung teilten.

Oleksiy Resnikow ist nicht für militärische Angelegenheiten zuständig, seine Aufgabe ist die Diplomatie, die Kommunikation und die Lieferung der Waffen. Er ist ein ziviler Minister, ein Manager, kein Militär. „Ich habe den Eindruck, dass dieses Modell absolut funktioniert, und ich möchte einfach keine Militäruniform tragen“, sagte Resnikow im vergangenen Sommer.

Dieses Tandem funktionierte zwar gut, aber parallel dazu wurde die Idee einer Militarisierung des Ministeriums diskutiert. Vielleicht brauche der Minister jemanden mit Kampferfahrung, der die Feinheiten der Kriegsführung versteht, hieß es aus dem Büro des Präsidenten „Die Sicherheitsbehörden sollten in dieser Phase nicht von Politikern, sondern von Sicherheitsbeamten geleitet werden“, hatte David Arachamija öffentlich erklärt. 

Denkbar ist, dass einige dieser Sicherheitsbeamten bei den nächsten Wahlen auf den Listen der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ stehen werden. Eine Erneuerung der Partei könnte sinnvoll sein, denn viele der von Wolodymyr Selenskyj an die Macht gebrachten Personen haben sich als unfähig erwiesen oder sind in Skandale verwickelt.

Sie könnten nun durch militärisches Personal ersetzt werden. Bei dem Vertrauen, welches die Ukrainer derzeit in die Armee haben, ist das sicher ein Gewinn für die Parteilisten. Von ihnen hängt es auch ab, ob die Wahlen zum ukrainischen Parlament in diesem Herbst stattfinden. Mit anderen Worten: Wird es der ukrainischen Armee gelingen, Russland zu besiegen?

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