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Jordanien, Al-Azraqu: Die ersten evakuierten Personen treffen auf der Luftwaffenbasis Al-Azraqu ein.

© dpa/Bundeswehr/Jana Neumann

Update

Rettungseinsatz bald beendet: Bundeswehr hat bislang fast 200 Deutsche aus dem Sudan geholt

Hunderte Menschen wurden aus dem von Kämpfen erschütterten Sudan gerettet. Der Bundestag stimmt am Mittwoch nachträglich über den Einsatz ab.

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Die Bundeswehr hat mit ihrem Einsatz im Sudan mehr als 700 Menschen aus dem umkämpften Land evakuiert. Darunter seien 197 Deutsche, sagte ein Sprecher am Mittwoch nach dem Ende der geplanten deutschen Evakuierungsflüge.

Insgesamt wurden demnach für diese Transporte acht Maschinen eingesetzt. Sie waren auf einem Militärflughafen bei Khartum gestartet. Dort beginnt nun der Rücktransport von Soldaten und Material, so dass der Einsatz formal noch nicht abgeschlossen ist.

Deutsche und Staatsbürger anderer Nationen können zudem weiter ausgeflogen werden, weil andere Nationen weiter fliegen. Insgesamt wurden bislang mehr als 200 Deutsche ausgeflogen, einige wenige auch von den Streitkräften anderer Staaten.

Bundestag stimmt über Sudan-Einsatz ab

Der Bundestag will am Mittwoch (16.30 Uhr) über den Sudan-Einsatz der Bundeswehr abstimmen. Mit dem nachträglich erteilten Mandat sollen die Streitkräfte auch eine Rechtsgrundlage für die mögliche Fortsetzung der Rettungsmission bis Ende Mai erhalten.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dankten allen zivilen und militärischen Kräften für ihre „großartige Leistung“. Baerbock sprach von „Mut, Teamwork und unermüdlicher Einsatzbereitschaft“ vieler hundert Beteiligter in Bundeswehr, Bundespolizei und Auswärtigem Amt. Pistorius sagte: „Auf die Truppe können wir gemeinsam stolz sein.“

Angriff auf SOS-Kinderdorf in Hauptstadt Khartum

Derweil ist im Sudan das SOS-Kinderdorf in der Hauptstadt Khartum nach Angaben der Organisation von Bewaffneten angegriffen worden. Wie die Helfer am Mittwoch mitteilten, mussten die betreuten Kinder und Jugendlichen sowie die Mitarbeiter evakuiert werden. Insgesamt seien 68 Kinder und 19 Angestellte in angemieteten Wohnungen in anderen Vierteln Khartums untergebracht worden.

„Wir fordern beide Seiten auf, sich bedingungslos an die internationalen humanitären Gesetze und Prinzipien zu halten und es uns zu ermöglichen, unsere lebenswichtige Unterstützung für die am meisten gefährdeten Kinder und Familien fortzusetzen“, sagte die Leiterin der SOS-Kinderdörfer im östlichen und südlichen Afrika, Senait Gebregziabher.

Was passiert im Sudan?

Im Sudan will De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, mithilfe des Militärs seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo entmachten, den Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF).

Die beiden hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen. Bei den Kämpfen sind nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens rund 460 Menschen umgekommen und fast 4100 verletzt worden. Die wahre Zahl dürfte aber deutlich höher liegen.

„Beide Kriegsparteien haben die Gesetze und Normen des Angriffs auf dicht besiedelte Gebiete missachtet, mit wenig Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser oder sogar Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren“, sagte der UN-Vermittler Perthes am Dienstag bei der Sitzung des Weltsicherheitsrats.

Er forderte beide Seiten auf, den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts nachzukommen und den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sicherzustellen. Zudem gebe es „beunruhigende Berichte über versuchte sexuelle Übergriffe“.

Perthes, der seinen Arbeitsort aus Sicherheitsgründen in die Stadt Port Sudan verlegt hatte, ist nach eigenen Angaben weiterhin in regelmäßigem Kontakt mit den rivalisierenden Generälen im Sudan. Sowohl Armee-Oberbefehlshaber al-Burhan als auch RSF-Anführer Daglo würden aber noch immer gegenseitige Anschuldigungen erheben und damit wenig Hoffnung auf eine baldige Lösung der Krise machen: „Es gibt noch keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass einer der beiden bereit ist, ernsthaft zu verhandeln, was darauf hindeutet, dass beide glauben, dass ein militärischer Sieg über den Anderen möglich ist. Dies ist eine Fehleinschätzung.“

Feuerpause hält nur teilweise

Bezüglich der eigentlich seit der Nacht auf Dienstag geltenden Waffenruhe zog Perthes eine gemischte Bilanz. Die Feuerpause scheine zwar bislang „in einigen Teilen“ des Landes zu halten. In der Hauptstadt Khartum aber würden die Kämpfe unter anderem um den Palast der Republik, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere sowie Stützpunkte von Armee und RSF „weitgehend fortgesetzt oder in einigen Fällen intensiviert“.

Luftangriffe und schwerer Beschuss insbesondere in den Städten Omdurman und Bahri unmittelbar bei Khartum hielten an. Der Flughafen sei Berichten zufolge zwar wieder in Betrieb, die Vorfelder seien aber beschädigt.

Es gebe zudem zahlreiche Berichte über Wohnungseinbrüche, Plünderungen von Häusern und Geschäften sowie an Kontrollpunkten entwendete Autos. Zu den Opfern gehörten sudanesische Bürgerinnen und Bürger wie auch Mitarbeitende der Vereinten Nationen, humanitäre Helferinnen und Helfer sowie diplomatisches Personal. Die Angst vor zunehmender Kriminalität wachse. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte vor dem Sicherheitsrat für ein Ende der Gewalt und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges.

Die eilige Evakuierung deutscher und internationaler Helfer könnte aus Sicht von Entwicklungsministerin Svenja Schulze dramatische Folgen haben. Ein Drittel der Bevölkerung im Sudan sei schon jetzt auf Nahrungsmittelhilfen aus dem Ausland angewiesen, und es würden täglich mehr, sagte die SPD-Politikerin dem „General-Anzeiger“ aus Bonn. Dass die Konfliktparteien einer Feuerpause von 72 Stunden zugestimmt haben, sei daher eine gute Nachricht. „So können sich die Menschen mit Wasser und Brot oder Medikamenten zu versorgen.“

Eine kurzzeitige Feuerpause könne aber nur der Anfang für eine dauerhafte Waffenruhe und Konfliktlösung sein, sagte Schulze. „Denn nur dann können wir unsere Arbeit wieder aufnehmen.“ Schulze forderte, dass das Militär seine Macht an eine zivile Regierung übertragen müsse.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, äußerte sich zufrieden über die Leistung der Bundeswehr bei der Evakuierung im Sudan. Die SPD-Politikerin sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Die Bundeswehr hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie schnell reagieren kann und in Krisen einsatzbereit ist.“ (dpa)

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