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Goodbye: Nicola Sturgeon gibt den Posten als schottische Regierungschefin ab.

© Reuters/Jane Barlow

Rücktritt in Schottland: Sturgeons Abschied zum rechten Zeitpunkt

Nach acht Jahren als schottische Regierungschefin wirkte Nicola Sturgeon zuletzt amtsmüde und lässt eine gespaltene Partei zurück. Große Fußstapfen hinterlässt sie dennoch.

Ein Kommentar von Sebastian Borger

Nicola Sturgeon hat viel erreicht. Mit mehr als acht Jahren im Amt war sie so lang schottische Ministerpräsidentin wie keiner ihrer vier Vorgänger, seit die Regionalregierung 1999 eingeführt wurde. Ausdrücklich hat die 53-Jährige stets für Frauenrechte gekämpft und Frauen in der Politik gefördert.

Die Rede, mit der sie am Mittwoch ihren Rücktritt vom Staatsamt und vom Vorsitz der Nationalpartei SNP ankündigte, war ein Musterbeispiel jener emotionalen Intelligenz, die Sturgeon zu einer der drei oder vier herausragenden Politiker des Vereinigten Königreichs gemacht hat. Die ungewöhnliche Fähigkeit zur politischen Kommunikation trat vor allem in zwei Krisenmomenten zutage.

Nach dem Brexit-Referendum 2016 war sie die erste und lange Zeit einzige, die – bei allem Respekt vor der Mehrheit – jenen 48 Prozent der Briten (und 62 Prozent der Schotten) Mut zusprach, die weiterhin zur EU gehören wollten. In der Covid-Pandemie bildeten ihre täglichen Auftritte einen wohltuenden Kontrast zum Londoner Tohuwabohu unter dem damaligen Premier Boris Johnson.

Sturgeons Partei ist gespalten

Fünf konservativen Premiers hat Sturgeon das Leben schwer gemacht, hat zäh um Zugeständnisse für ihre Nation gekämpft, immer wieder viel Geld in London lockergemacht. Die SNP eilte unter ihrer Führung von Wahlsieg zu Wahlsieg, dominiert auch nach 16 Regierungsjahren noch immer die schottische Politik nach Belieben. Gewiss hätte sie noch jahrelang mehr oder weniger unangefochten weitermachen können.

Allerdings mehren sich die Krisenzeichen. Eindringlicher mahnen die Schotten Fortschritte an im Bildungssektor, im Gesundheitswesen, in der Energiepolitik. Immer nur auf die Versäumnisse der Londoner Zentralregierung zu verweisen, wie es Sturgeon jahrelang meisterhaft verstanden hat, reicht nicht mehr aus.

Gleichzeitig verzetteln sich die Unabhängigkeitsaktivisten innerhalb und außerhalb der SNP in Debatten über den besten Weg zu ihrem ersehnten Ziel. Die Geschlossenheit der jahrelang mit eiserner Härte geführten Partei bröckelt stark, was kürzlich beim hochumstrittenen neuen Transgender-Gesetz auch öffentlich zum Vorschein kam.

Insofern hat die Glasgower Anwältin den Zeitpunkt ihres Rückzugs für sich klug gewählt. Ihr Haus aber hat sie nicht bestellt. Wer ihr nachfolgt, tritt ein schweres Erbe an.

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