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Anwohner in Mazar Dara gehen an einem Haus vorbei, das durch ein Erdbeben zerstört wurde. Bei den verheerenden Erdbeben im Osten Afghanistans sind nach Angaben der herrschenden Taliban mehr als 800 Menschen ums Leben gekommen.

© dpa/Wahidullah Kakar

Schweres Erdbeben in Afghanistan: „Das Ausmaß der Katastrophe wird erst mit der Zeit deutlich werden“

Nach der Naturkatastrophe versuchen Rettungskräfte, in die Region zu gelangen. Doch zerstörte Infrastruktur und Nachbeben erschweren ihren Einsatz, berichten Hilfsorganisationen dem Tagesspiegel.

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Gegen Mitternacht begann die Erde zu beben. So stark, dass Azams Tür sich nicht öffnen ließ – er war gefangen. Erst als eine Wand in sich zusammenstürzte, fand er einen Ausweg ins Freie.

Das berichtet der 52-jährige Arzt der Hilfsorganisation Save The Children. Nur so blieb er am Leben und unverletzt. Sein Zuhause aber liegt in Trümmern, zerstört in der Nacht von Sonntag auf Montag, die für viele Menschen im Osten Afghanistans tödlich endete.

Nach Angaben der Taliban-Regierung zählte man bis Montagnachmittag mehr als 800 Tote und mehr als 2500 Verletzte. Die Kinderrechtsorganisation Save The Children geht sogar von mehr als 3000 Verletzten aus.

Die US-Erdbebenwarte USGS verortet den Ausgangspunkt des Erdbebens nur wenige Kilometer von Dschalalabad, der Hauptstadt der afghanischen Provinz Nangarhar, entfernt. Das Erdbeben mit der Stärke 6,0 wurde sogar in der beinahe 200 Kilometer entfernten Hauptstadt Kabul und in der 400 Kilometer entfernten pakistanischen Hauptstadt Islamabad wahrgenommen.

Da nun viele Häuser wie das von Azam zerstört sind, „benötigen Menschen zunächst Unterkünfte, Decken, Hausrat, Lebensmittel und Trinkwasser“, sagt Thorsten Volberg, Verantwortlicher für die Afghanistan-Programme bei Save The Children Deutschland, dem Tagesspiegel.

Katastrophe verstärkt bestehende Krisen

„Der perfekte Sturm“, so nennt Filippo Grandi, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, die Situation in Afghanistan. Damit meint er, dass diese Katastrophe die vielen Krisen, die das Land plagen, noch verstärkt.

15
Millionen Menschen in Afghanistan sind von Hunger bedroht

Schon vor dem Erdbeben war Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt, rund 15 Millionen Menschen sind von Hunger bedroht, mehr als neun Millionen haben nicht ausreichend Zugang zu Gesundheitsversorgung. Dazu kämpft das Land mit einer Dürre und Millionen Menschen, die an ihrer Flucht gehindert werden, sagt Grandi. Erst kürzlich hat der Iran zwei Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgeschickt – „und Pakistan droht, dasselbe zu tun“.

Gerade die ersten Stunden und Tage nach einem Erdbeben seien zentral, „um so viele Leben wie möglich zu retten.“ Denn zahlreiche Menschen sind noch immer unter den Trümmern gefangen. Um sie zu befreien, sollen die staatlichen Verantwortlichen nun alle verfügbaren Mittel nutzen. Das sagte am Montag Sabihullah Mudschahid, Sprecher der Taliban-Regierung in Kabul. Auch die Afghanische Rothalbmondgesellschaft, enge Partnerin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, unterstützt die Betroffenen.

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Pakistan, Iran und China haben bereits angeboten, Hilfsteams zur Verfügung zu stellen. Indien liefert humanitäre Hilfe. Laut einem BBC-Bericht soll die Regierung in Kabul auch Hilfsorganisationen aus dem Ausland um Hilfe gebeten haben. Der afghanische Nachrichtensender TOLOnews berichtet, dass Hilfsteams der UN-Mission in Afghanistan bereits in der Erdbeben-Region eingetroffen sein und Nothilfe leisten sollen.

Das Ausmaß der Katastrophe wird erst mit der Zeit deutlich werden.

Ninja Charbonneau, Pressesprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Deutschland

Dem Tagesspiegel sagte Ninja Charbonneau, Pressesprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Deutschland, dass auch ihre Kollegen in Afghanistan in die katastrophengeplagte Region geschickt wurden. Auch Save The Children erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass es Gesundheitsteams in die am stärksten zerstörten Bezirke Kunars entsendet hat. Ärzte ohne Grenzen antwortete auf Tagesspiegel-Nachfrage, dass ihr Ärzte-Team in Afghanistan „weiterhin die Lage beobachten“ würde.

Verletzte des Erdbebens in Ostafghanistan werden mit einem Militärhubschrauber aus Mazar Dara in der Provinz Kunar evakuiert.

© dpa/AP/Wahidullah Kakar

Doch das Terrain Ostafghanistans macht es den Hilfskräften nicht leicht. Außerdem sei noch unklar, wie stark die Infrastruktur beschädigt ist und wie Menschen erreicht werden können, die Hilfe benötigen, sagt Ninja Charbonneau von Unicef. Und Save the Children verweist auf weitere Nachbeben, die die Arbeit der Rettungskräfte behindern.

Wie viele Hunderte oder Tausende noch unter den Trümmern begraben sind, bleibt ungewiss. Die Hilfsorganisationen sind sich jedoch sicher, dass die Zahl der Betroffenen noch weiter ansteigen wird. Und Unicef sagt: „Das Ausmaß der Katastrophe wird erst mit der Zeit deutlich werden.“

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