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Seine erneute Kandidatur hat Biya auf der Plattform X angekündigt. In den Straßen hängen seine Wahlplakate.

© REUTERS/DESIRE DANGA ESSIGUE

Seit 40 Jahren an der Spitze Kameruns: Schafft der älteste Präsident der Welt eine achte Amtszeit?

Paul Biya ist mit 92 Jahren immer noch Kameruns Staatschef – und will es bleiben. Doch die Jugend im Land begehrt auf. Sogar seine Tochter rät davon ab, ihren Vater zu wählen.

Stand:

Viel Freude an seiner Tochter Brenda hat Kameruns Präsident Paul Biya in jüngster Zeit nicht. Die Rapperin und Unternehmerin, die in einem Luxushotel in Genf lebt, ist mit ihrer Familie tief zerstritten.

Menschen aus ihrem Umfeld wollten sie tot sehen, klagte die 27-Jährige kürzlich in einem Video auf Tiktok. Deshalb habe sie den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen. Und: Bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag werde sie nicht für ihren Vater stimmen.

Zum Schaden Kameruns

Dazu rief sie auch ihre Landsleute auf. „Wählt Paul Biya nicht!“, sagte sie auf Französisch. Der habe Kamerun genug geschadet, er solle abtreten. „Ich hoffe, wir werden bald einen anderen Präsidenten haben.“

Der Wunsch dürfte sich so schnell allerdings nicht erfüllen. Paul Biya – mit 92 Jahren der älteste Staatschef der Welt – wird bei der Wahl am 12. Oktober höchstwahrscheinlich im Amt bestätigt werden. Nach 43 Jahren an der Macht.

Die Abstimmung ist nicht frei und deshalb nicht mehr als eine wahlähnliche Veranstaltung.

Manu Lekunze, kamerunischer Politikwissenschaftler

„Die Abstimmung ist nicht frei und deshalb nicht mehr als eine wahlähnliche Veranstaltung“, sagt der kamerunische Politikwissenschaftler Manu Lekunze von der Universität Aberdeen in Schottland. Bis 2032 will Biya weiterregieren. Er wäre dann 99 Jahre alt. Schafft er eine achte Amtszeit?

Präsident Paul Biya klammert sich seit Jahrzehnten an die Macht und herrscht mit harter Hand.

© REUTERS/Charles Platiau

„Paul Biyas Abgang wurde in den vergangenen 30 Jahren schon öfter vorausgesagt“, sagt Lekunze „Ich wäre deshalb nicht überrascht, wenn er mit 99 Jahren noch lebt.“

Biya klammert sich seit Jahrzehnten wie kaum ein anderer Politiker an die Macht. 1962 wurde er zum ersten Mal Minister, 1982 stieg er zum Präsidenten auf, überstand zwei Putschversuche, 2008 ließ er die Beschränkung seiner Amtszeit aufheben, um bis ans Lebensende regieren zu können.

Das tut er mit harter Hand. Immer wieder landen Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis. Die Schlüsselpositionen im Staatsapparat hat er mit Getreuen besetzt. Menschenrechtsverletzungen gehören zum Alltag.

Ein Drittel der Bevölkerung in dem rohstoffreichen Land lebt in extremer Armut, während Biyas Privatvermögen auf mehr als 200 Millionen US-Dollar geschätzt wird.

Die Opposition ist zersplittert und wird von der Regierung gezielt bekämpft. Der beliebte Kandidat Maurice Kamto etwa wurde im August von der Wahl ausgeschlossen, die verbliebenen elf Herausforderer des Präsidenten gelten als chancenlos.

Rund läuft es für den greisen Staatschef dennoch nicht. So mehren sich kritische Stimmen, darunter prominente Geistliche und zwei ehemalige Mitglieder seines Kabinetts, die Biya für ungeeignet halten.

„Viele im Land leiden unter der hohen Armut, dem Nepotismus und der Korruption“, sagt Numvi Wallace, Politikwissenschaftler an der Universität Bamenda im Nordwesten Kameruns. „Es gibt ein starkes Verlangen nach einem Regierungswechsel. Vor allem die Jugend wünscht sich Veränderungen.“

Es gibt ein starkes Verlangen nach einem Regierungswechsel. Vor allem die Jugend wünscht sich Veränderungen.

Numvi Wallace, Politikwissenschaftler

Die Hälfte der 28 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist unter 18 Jahre alt. Sie kennen, wie ihre Elterngeneration, keinen anderen Staatschef als Paul Biya.

Der ist trotz des laufenden Wahlkampfs abgetaucht. „Er ist geistig wach, aber körperlich sehr schwach“, sagt Lekunze. „Er braucht viel Ruhe und arbeitet immer weniger.“

Die Regierungsgeschäfte hat inzwischen Biyas Generalsekretär Ferdinand Ngoh Ngoh übernommen. Seit 2019 darf er per Vollmacht des Präsidenten Gesetze und Verordnungen unterzeichnen.

28
Millionen Bürgerinnen und Bürger Kameruns sind unter 18 Jahre alt.

Biya selbst reist regelmäßig zum Luxusurlaub in die Schweiz, teils wochenlang, vermutlich auch für medizinische Behandlungen. Seit es vergangenes Jahr Gerüchte über seinen Tod gab, ist es Medien in Kamerun verboten, über den Gesundheitszustand des Präsidenten zu berichten.

Das Image als starker Mann und Garant für Stabilität kann Biya kaum aufrecht halten. Über weite Teile des Lands hat er längst die Kontrolle verloren.

Kein Garant für Stabilität

„Im Norden weitet die islamistische Terrororganisation Boko Haram ihre Macht aus“, sagt der Wissenschaftler Wallace. „In den anglophonen Regionen fahren bewaffnete Separatisten ihre Aktivitäten hoch. Immer wieder kommt es in einigen Gegenden zu Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen.“

Kameruns Jugend wünscht sich einen Regierungswechsel.

© AFP/MARCO LONGARI

Dem zentralafrikanischen Land stehen nach der Wahl daher unruhige Zeiten bevor. „Nicht nur wird die unterlegene Opposition gegen das Wahlergebnis protestieren, die Schwäche des alten Präsidenten wird den Frust in der Bevölkerung wachsen lassen, wenn sich politisch nichts ändert“, sagt Lekunze.

Und wenn der 92-Jährige stirbt? Ein geeigneter Nachfolger mit breiter Unterstützung in der Bevölkerung sei nicht in Sicht. Ein geordneter Machtwechsel scheint schwer möglich.

Präsidententochter Brenda Biya ist inzwischen abgerückt von ihrer Forderung nach einem Regierungswechsel.

In einem neuen Tiktok-Clip aus ihrem Genfer Hotelzimmer entschuldigte sie sich vor wenigen Tagen für die Kritik an ihrem Vater. „Ich werde mich nicht mehr zu Dingen äußern, von denen ich nichts verstehe“, versprach sie – und sagte: „Mein Vater ist ein großartiger Mann und ein exzellenter Kandidat.“

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