
© AFP/Saul Loeb
Treffen im Weißen Haus eskaliert : Trump erteilt Friedensgesprächen mit der Ukraine Absage und schmeißt Selenskyj raus
In Washington spielen sich am Freitagabend historische Szenen ab. Live im Fernsehen eskaliert das Treffen zwischen Trump und Selenskyj. Trump endet mit den Worten: „Das wird tolles Fernsehen.“
Stand:
Das Treffen zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj ist am Freitagabend völlig eskaliert. Trump sagte die Friedensgespräche mit der Ukraine ab und warf Selenskyj „Respektlosigkeit“ vor. Selenskyj sei nicht „bereit für Frieden“. Laut einem Offiziellen aus dem Weißen Haus hat Trump Selenskyj „rausgeschmissen“ und ihm mitgeteilt, dass er wiederkommen solle, wenn er „bereit für einen Frieden“ sei.
Um 19:42 Uhr mitteleuropäischer Zeit verließ Selenskyj das Weiße Haus in einem schwarzen SUV. Wie es jetzt für die Ukraine weitergeht, ist völlig unklar. Aus dem Weißen Haus heißt es, die „Ukrainer hätten darum gebettelt, nochmal neu anzufangen“, Außenminister Marco Rubio habe sie dann des Geländes verwiesen.
US-Präsident Donald Trump hatte den ukrainischen Präsidenten zuvor vor laufenden Kameras lautstark zurechtgewiesen. „Sie setzen das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel. Sie riskieren einen Dritten Weltkrieg“, polterte Trump.
Hier sehen Sie das Treffen im Oval Office im Video:
Tagesspiegel-Korrespondentin Juliane Schäuble schreibt: „Brutale Szenen im Oval Office. Laut der Journalistin Faith Pinho, die die Szene vor Ort verfolgte, sagte US-Vizepräsident Vance, es sei ‘respektlos von Selenskyj, ins Oval Office zu kommen und vor den amerikanischen Medien verhandeln zu wollen’. Selenskyj sei auf ‘Werbetour’.“
So ging es dann auch weiter:
- Trump warf Selenskyj vor, er sei undankbar. „Es wird schwer sein, auf diese Weise ins Geschäft zu kommen“, behauptete Trump.
- Trump drohte, die Ukraine im Kampf gegen Russland im Stich zu lassen, sollte es nicht zu einer Einigung mit Kremlchef Wladimir Putin kommen. „Sie werden entweder einen Deal machen oder wir sind raus“, sagte Trump.
- Trump zu Selenskyj: „Sie sind nicht in einer guten Position. Sie haben im Moment nicht die richtigen Karten. Mit uns fangen Sie an, Karten zu spielen.“
- Trumps Vize Vance stieg ein: „Haben Sie in dieser ganzen Sitzung schon einmal Danke gesagt? Sie sind nach Pennsylvania gereist und haben im Oktober für die Opposition geworben. Sagen Sie ein paar Worte der Wertschätzung für die Vereinigten Staaten von Amerika und den Präsidenten, der versucht, Ihr Land zu retten.“

© REUTERS/Brian Snyder
Trump schickte nach dem Treffen um 19:30 Uhr eine ungewöhnlich scharfe Nachricht über die sozialen Netzwerke:
„Wir hatten heute ein sehr bedeutsames Treffen im Weißen Haus. Wir haben viel gelernt, was wir ohne ein Gespräch unter solchem Druck niemals verstehen könnten. Es ist erstaunlich, was durch Emotionen herauskommt, und ich habe festgestellt, dass Präsident Selenskyj nicht zum Frieden bereit ist, wenn Amerika beteiligt ist, weil er glaubt, dass unsere Beteiligung ihm einen großen Vorteil bei den Verhandlungen verschafft. Ich will keinen Vorteil, ich will FRIEDEN. Er hat die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrem geschätzten Oval Office nicht respektiert. Er kann zurückkommen, wenn er für den Frieden bereit ist.“
Rund 40 Minuten lang verlief das Treffen relativ gesittet. Selenskyj überreichte als Gastgeschenk den Gürtel eines bekannten ukrainischen Boxers. Trump gilt als Boxfan. Doch dann kippte die Stimmung.

© dpa/Ben Curtis (Archivbild von Ende Februar)
Trump-Vize Vance störte sich offensichtlich an den Fragen der Reporter, die Trumps Zugehen auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin hinterfragten. Amerika engagiere sich diplomatisch, daran sei nichts Anrüchiges, erklärte Vance. Das wiederum rief Selenskyj auf den Plan, der erklärte, dass es mit Putin keine Diplomatie geben könne, weil ihm nicht zu trauen sei. Die Ukraine werde bei Verhandlungen „Kompromisse“ machen müssen, erklärte Trump dann. Selenskyj sagte seinerseits, er wolle keine Kompromisse mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, einem Killer. Das interpretierte Trump offensichtlich als Absage Selenskyjs an einen Friedensprozess.
Über Trump sagte Selenskyj, er denke, dieser sei „auf unserer Seite“. Trump sagte darauf, er sei in der Mitte, zwischen der Ukraine und Russland. Im weiteren Verlauf sagt Trump, er sei nicht auf einer Linie mit Putin (engl. „aligned“), sondern mit den USA und dem Wohlergehen der Welt.
Sie haben sich aber heute besonders herausgeputzt.
Trump über Selenskyjs schwarzen Pullover
Die „New York Times“ kommentierte das Treffen mit den Worten: „Es war eine öffentliche Auseinandersetzung, wie sie es zwischen einem amerikanischen Präsidenten und einem ausländischen Staatsoberhaupt noch nie gegeben hat.“
Weiter heißt es bei der „NYT“: „Kein US-Präsident hat jemals einen ausländischen Staatschef vor laufender Kamera so heftig angegriffen, nicht einmal Feinde der Vereinigten Staaten, geschweige denn einen vermeintlichen Verbündeten.“
Trump konnte sich auch beim Empfang vor dem Weißen Haus eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen. „Sie haben sich aber heute besonders herausgeputzt“, sagte Trump mit Blick auf Selenskyjs schwarzen Pullover. Danach wiederholte er den Satz laut in Richtung der umstehenden Journalisten. Selenskyj reist zu seinen internationalen Besuchen grundsätzlich in einfacher Kleidung, die den Kriegszustand seines Landes widerspiegelt.

© dpa/Ben Curtis
Ein im Oval Office anwesender rechter Online-Kommentator hatte sich vor Trump über den Kleidungsstil des ukrainischen Präsidenten mokiert. „Warum tragen Sie keinen Anzug?“, fragte Brian Glenn den Staatsmann. „Sie weigern sich, einen Anzug zu tragen. (...) Besitzen Sie überhaupt einen?“
Selenskyj reagierte mit einer Gegenfrage: „Haben Sie ein Problem damit? Wirklich?“, sagte er. Glenn entgegnete, viele Amerikaner störten sich an der fehlenden Würdigung der Räumlichkeiten im Weißen Haus. Der ukrainische Präsident verwies auf den andauernden Krieg in seinem Land: „Ich werde einen Anzug tragen, wenn dieser Krieg vorbei ist. Vielleicht einen wie Ihren, vielleicht einen besseren. Vielleicht einen günstigeren.“
Kurz nachdem das Treffen mit Selenskyj endete und die Journalisten das Oval Office ungläubig verließen, sagte Trump: „Das wird tolles Fernsehen. Das kann ich sagen.“ Eine gemeinsame Pressekonferenz mit Selenskyj und das Mittagessen sagte das Weiße Haus ab. Das Essen bekamen stattdessen Trumps Mitarbeiter.
Bei dem Treffen sollten Selenskyj und Trump eigentlich ein Rohstoffabkommen zur gemeinsamen Nutzung von Bodenschätzen in der Ukraine unterzeichnen. Trump sagte am Freitag vor dem Treffen, das Abkommen, das über Wochen verhandelt worden war, sei „sehr fair“. Nach Angaben aus US-Kreisen am Freitag wurde das Abkommen dann aber nicht unterzeichnet.
Selenskyj schrieb am Freitagabend auf X: „Danke, Amerika, danke für Ihre Unterstützung, danke für diesen Besuch. Danke @POTUS, dem Kongress und dem amerikanischen Volk. Die Ukraine braucht einen gerechten und dauerhaften Frieden, und genau dafür arbeiten wir.“ Kein Wort über den diplomatischen Eklat zuvor.
Laut der „New York Times“ schickte das Weiße Haus, nachdem Selenskyj abgefahren war, den republikanischen Senator Lindsey Graham zu Reportern, um ihnen mitzuteilen, dass Selenskyj seinen Rücktritt in Betracht ziehen sollte. „Er muss entweder zurücktreten und jemanden schicken, mit dem wir Geschäfte machen können, oder er muss sich ändern“, sagte Graham auf der Zufahrtsstraße zum Weißen Haus.
Selenskyj gab am Abend dem Sender Fox News ein Interview und räumte ein, dass das Treffen nicht ideal lief und bedankte sich beim amerikanischen Volk für die Hilfe. Entschuldigen wollte er sich bei Trump aber nicht. Kurz zuvor war Trump in Washington ins Flugzeug nach Florida gestiegen. Er schloss ein zeitnahes Wiedersehen mit Selenskyj aus. (Mit Agenturen)
Korrekturhinweis: Trump wurde im Text mit den Worten zitiert, Selenskyj sei „überhaupt nicht dankbar“. Die präzise Übersetzung lautet aber: „Du tust nicht gerade so, als wärst du dankbar.“ Die Stelle wurde angepasst.
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