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Sexvideo-Skandal in Äquatorialguinea: Der schöne „Bello“ und der Kampf ums Präsidentenamt
Sexvideos mit Frauen hoher Staatsdiener wurden im Netz lanciert. Das Drama ist Teil des Nachfolgekampfes innerhalb des herrschenden Clans. Die Betroffenen fühlen sich gedemütigt.
Stand:
Das winzige zentralafrikanische Land Äquatorialguinea, in dem nicht einmal so viele Menschen leben wie in Hamburg, macht derzeit Schlagzeilen mit einem Skandal um Sexvideos. Neben der US-Wahl war #BaltasarEbangEngonga eines der meistdiskutierten Themen in den sozialen Medien in Afrika.
Baltasar Ebang Engonga ist nicht nur der Mann, der im Mittelpunkt der Vorfälle steht. Er ist auch Anwärter für das Präsidentenamt – und der Sexskandal somit höchstwahrscheinlich Teil eines politischen Machtkampfes in dem ölreichen Land.
Seit dem 25. Oktober wurden auf dem Messenger-Dienst Telegram Dutzende Videos hochgeladen, die den bisherigen Direktor der obersten Behörde zur Überprüfung von Finanztransaktionen Engonga beim Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Frauen zeigen – meist in seinem Büro im Finanzministerium.
Ehefrauen hochrangiger Beamter bloßgestellt
Bei den Frauen handelt es ich zum Teil um Ehefrauen und Verwandte von Ministern und anderen hochrangigen Staatsbeamten. Insgesamt soll es 150 bis 400 Videos geben.

© National Financial Investigation Agency
Der wegen seines guten Aussehens auch „Bello“ genannte Engonga wird als Neffe des 82-jährigen Langzeitpräsidenten Teodoro Obiang Nguema bezeichnet, der das Land seit 43 Jahren regiert, und gilt als einer der Anwärter auf dessen Nachfolge.
Neffe bedeutet bei der Volksgruppe der Fan, durch Abstammung Teil eines Clans zu sein. Engongas Vater ist der Vorsitzende der Kommission der zentralafrikanischen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (Cemac), der elf Länder der Region angehören.
Gegen Engonga wurde bereits wegen Korruption ermittelt, als die Videos veröffentlicht wurden. Wie die BBC berichtet, soll er am 25. Oktober festgenommen worden sein. Ihm wird vorgeworfen, öffentliche Gelder auf Privatkonten auf den Kaimaninseln transferiert zu haben.
Wer veröffentlichte die Videos?
Er sitzt seither im berüchtigten Black-Beach-Gefängnis in Malabo, in dem viele politische Gefangene festgehalten werden. Bei den Hausdurchsuchungen stellten Sicherheitskräfte seine Computer sicher. Einige Tage später tauchten demnach die ersten Sexvideos im Netz auf.
Das afrikanische Land, das etwa so groß wie Brandenburg ist und 1,7 Millionen Einwohner hat, kennt keine Meinungs- und Pressefreiheit, Oppositionelle sitzen im Gefängnis. Die Elite des ölreichen Staates lebt im Luxus, während der Großteil der Bevölkerung arm ist.
Brutaler Machtkampf
Douglas Yates, ein Experte für Äquatorialguinea, sieht in dem Video-Skandal einen „Medien-Coup aus dem inneren dynastischen Umfeld des Präsidenten, der Teil des Kampfes um die Nachfolge innerhalb der Nguema-Dynastie ist“.
Er spricht von einem „beispiellosen Skandal in dem engmaschig kontrollierten Land“ und fürchtet, dass solche Enthüllungen aus dem Privatleben in den Machtkämpfen zunehmen könnten.
Anders als bei Monarchien in der Region gebe es keine automatische Nachfolgeregelung in Äquatorialguinea, bei der ein Sohn seinem Vater nachfolgt, erklärt Yates im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
So sei der jetzige Präsident Teodoro Obiang Nguema 1979 in einem Coup gegen seinen „Onkel” Macias Nguema an die Macht gekommen, zu dessen innerem Machtzirkel er gehört hatte.
Sohn von Erstfrau soll Nachfolger werden
Nguema baut seit geraumer Zeit Teodoro Nguema Obiang Mangue, den Sohn, den er mit seiner ersten, noch immer einflussreichen Frau hat, als Nachfolger auf. Dieser ist seit 2016 Vizepräsident des Landes.

© REUTERS/BRENDAN MCDERMID
Gegen diesen wurde in den USA wegen Korruption und in Frankreich wegen „biens mal aquis“ ermittelt, wobei es um die Rückzahlung von Vermögenswerten geht, die korrupte Beamte in ihren Heimatländern gestohlen haben. In Frankreich kam es zum Einzug von Vermögenswerten.
Eimerweise Kaviar und eine Flotte von Luxusautos
Die Anti-Korruptions-Organisation Global Witness hatte 2009 in ihrer Untersuchung zum Lebensstil des heutigen Vizepräsidenten, der damals in den USA lebte, geschrieben, er besitze eine Flotte von Luxusautos, ein 35-Millionen teures Anwesen in Malibu, ein Privatflugzeug und eine Luxusyacht inklusive Hai-Aquarium.
Teodoro Nguema Obiang Mangue soll innerhalb von zwei Jahren 75 Millionen Dollar in die USA transferiert haben. Damit habe er eimerweise Kaviar in Hotelsuiten bestellt und Hunderttausende Dollar geboten, um berühmte Musiker zu treffen. Für 275.000 Dollar ersteigerte er einen diamantbesetzten Handschuh von Popstar Michael Jackson.
Vorwand für Maulkorb für soziale Medien?
Der in London lebende politische Aktivist Nsang Christia Esimi Cruz machte in der BBC indirekt eben jenen Vizepräsidenten für die Veröffentlichung der Videos verantwortlich. Obiang versuche, „jeden zu eliminieren, der gefährden könnte, dass er die Nachfolge seines Vaters antritt“.
Cruz befürchtet allerdings auch, dass die Aktion als Vorwand genutzt wird, soziale Medien weiter einzuschränken. Lange war auch ein anderer Präsidentensohn, Gabriel Obiang Lima, als möglicher Nachfolger gehandelt worden. Der als seriös und arbeitsam geltende Politiker war zehn Jahre lang Ölminister, bis er degradiert wurde.
Was bedeutet der Skandal für die betroffenen Frauen?
Da es in dem autoritär regierten Land keine freien Medien oder öffentliche Meinung gibt, ist es schwierig, die Auswirkungen der Videoveröffentlichungen einzuschätzen.
Wir können uns nur vorstellen, welche Scham das für die betroffenen Frauen bedeutet.
Douglas Yates, Experte für Äquatorialguinea
„Innerhalb der Gruppe, die das Land regiert, darunter Minister, deren Ehefrauen von den Veröffentlichungen betroffen sind, herrscht Empörung”, sagt der Politikwissenschaftler Yates.
„Wir können uns nur vorstellen, welche Scham das für die betroffenen Frauen bedeutet.” Zwar herrsche in Äquatorialguinea eine lose Sexualmoral, „aber hier handelt es sich um Frauen der politischen Elite des Landes, die öffentlich bloßgestellt werden”, sagt Yates.
Präsidentensohn Teodoro Obiang Nguema Mangue dagegen scheint die Enthüllungen nutzen zu wollen: Er verurteilte in einem Kommentar auf X, dass „verheiratete Frauen in Akte verwickelt seien, die ihren Ruf und ihre Würde ruinieren“.
Ich fühle mich gedemütigt.
Aussage einer der Frauen, die auf den veröffentlichten Sexvideos zu sehen sind.
Eine Frau, die sich in staaaltlichen Medien zu Wort gemeldet hat, gibt an, sie sei mit den Videoaufnahmen einverstanden gewesen. Sie habe aber gedacht, dass sie sofort gelöscht werden, nachdem man sie gemeinsam angeschaut habe. Sie fühle sich „gedemütigt“.
Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Cyrille Rolande Bechon wies in der Deutschen Welle auf das Unwissen in Bezug auf das Einverständnis für Videoaufnahmen und deren spätere Nutzung in Äquatorialguinea hin.
„Anstatt den Familien die Schuld am Verhalten der Frauen zu geben, sollten diese lieber einen rechtlichen Kampf dafür aufnehmen, dass Gesetze für Datenschutz, Regeln für die Einwilligung zu Datenspeicherung und zur Kontrolle der Nutzung dieser Daten erarbeitet werden“, fordert sie.
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