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„Sieg Heil“-Rufe bei der Nationalen Jugend: Italiens Ministerpräsidentin Meloni unter Druck
Eine Recherche deckt Rassismus und Antisemitismus in der Jugendorganisation von Italiens Regierungspartei auf. Jetzt hat die Ministerpräsidentin in einem Brief reagiert. Doch ein Wort fehlt.
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Die Jugendorganisation der italienischen Regierungspartei „Fratelli d’Italia“ ist seit Jahren umstritten, immer wieder kommen Verbindungen zu ethno-nationalistischen und rechtsextremen Gedankengut ans Licht. Öffentlich findet allerdings immer wieder eine Abgrenzung nach Rechtsaußen statt, auch von der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni selbst. Dieses Selbstverständnis hat nun tiefe Risse bekommen.
Grund dafür ist ein etwa zwölfminütiges Video. Es zeigt: „Sieg Heil“-Rufe, rassistische und antisemitische Äußerungen, junge Menschen beim Hitlergruß. Immer wieder mit dabei: Abgeordnete der italienischen Regierungspartei „Fratelli d’Italia“, der auch Meloni angehört.
Das Video ist Teil einer investigativen Recherche von Fanpage.it, einem italienischen Nachrichtenportal, welche seit Mitte Juni eine mehrteilige Serie zur Jugendorganisation von Melonis Regierungspartei veröffentlicht hat. Mit einer versteckten Kamera haben die Journalist:innen im römischen Verband der Gioventù Nazionale, zu deutsch Nationale Jugend, recherchiert.
Die Gioventù Nazionale (GN) wurde erst 2012 gegründet, aber hat ihre Wurzeln in Italiens postfaschistischer Bewegung, der MSI. Bei dieser war auch die heutige Ministerpräsidentin Meloni früher aktiv. Jetzt steht Meloni seit bald zwei Jahren an der Spitze einer Koalition aus drei rechten Parteien.
Und die GN ist für die Ministerpräsidentin „wunderbar“, wie sie auf einer ihrer Reden dem Publikum zuruft: „Es gibt sie noch, die Jungen, die an die Politik und an die Militanz glauben“.
Wie glaubwürdig ist Melonis Distanzierung?
Doch nicht nur Melonis persönliche Nähe zu der Jugendorganisation bringt die Ministerpräsidentin in Erklärungsnot. Meloni hatte immer wieder versucht, sich öffentlichkeitswirksam von Rechtsaußen zu distanzieren. Im Europäischen Parlament hatte zuletzt die Fraktion Identität und Demokratie, zu der auch Melonis „Fratelli d’Italia“ gehört, die AfD ausgeschlossen. Auslöser waren die Äußerungen des AfD-Politikers Maximilian Krah zur Waffen-SS.
Nach den ersten Enthüllungen von Fanpage Mitte Juni hatte sich Meloni erst wochenlang nicht zu Wort gemeldet. Jetzt hat die Ministerpräsidentin einen langen Brief an die Mitglieder verfasst. Die Partei dürfe nicht zum „Werkzeug in den Händen des Gegners“ werden. Die Ministerpräsidentin verurteilte „dumme Folklore“, schrieb, dass für „Nostalgiker des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts“ kein Platz in der Partei sei.
Doch in Italien wird derzeit vor allem darüber diskutiert, was Meloni nicht gesagt hat. Denn die Ministerpräsidentin verurteilt zwar „rassistische oder antisemitische Positionen“. Doch das Wort Faschismus, sehr präsent im italienischen politischen Diskurs, erwähnt die Ministerpräsidentin nicht. Und lässt so, sagen Kritiker:innen, weiter ein Einfallstor für das rechtsextreme Lager offen. (mit dpa)
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