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Bruderliebe: Der russische Präsident Wladimir Putin und der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko beim Treffen der Eurasischen Wirtschaftsunion am 24. Mai in Moskau.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Grigory Sysoyev

Sind russische Atomwaffen bereits auf dem Weg nach Belarus?: „Putins Strategie der Einschüchterung und Verunsicherung“

Darf sich der Westen über die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus überhaupt empören? Worauf es dabei ankommt, erklärt Expertin Lydia Wachs im Gespräch.

Frau Wachs, am Mittwoch haben Russland und Belarus die bereits angekündigte Vereinbarung über die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus unterzeichnet. Laut dem belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko sind „atomare Kampfstoffe“ bereits auf dem Weg. Was heißt das konkret?
Russische und belarussische Aussagen deuten darauf hin, dass die Abmachung der beiden Länder aus zwei Komponenten besteht: Erstens wurden 10 belarussische Kampfflugzeuge des Typs Su-25 zu potenziellen Trägersystemen von Nuklearwaffen umgebaut.

Zweitens wurden nuklearfähige Iskander-Systeme, die sowohl ballistische Raketen als auch Marschflugkörper kurzer Reichweite starten können, nach Belarus verlegt. Diese Trägersysteme sind also schon in Belarus. Ob nun tatsächlich nukleare Sprengköpfe nach Belarus gebracht werden, wie Lukaschenko sagt, ist fraglich.

Warum?
Dafür müsste es die passenden Lagerstätten geben. Ziel ist es, die Nuklearsprengköpfe für die Trägersysteme in Bunkern aus sowjetischer Zeit zu lagern. Diese müssen dafür aber modernisiert werden. Ursprünglich lautete der Plan, dass diese Lagerstätten bis zum 1. Juli fertig sein sollten. Ob das wirklich so schnell umzusetzen ist, bleibt allerdings fraglich.

Wie verändert sich damit die Bedrohungslage für Deutschland?
Rein militärisch ändert sich sehr wenig. Die Aktion hat keine Auswirkungen auf unsere Bedrohungslage. Bereits jetzt kann Russland mit seinen unterschiedlichen Waffen- und Trägersystemen Ziele in ganz Europa bedrohen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit eines russischen Einsatzes von Nuklearwaffen derzeit jedoch für sehr gering. Zudem handelt es sich bei den Su-25 Kampflugzeugen um sehr alte Systeme, die militärisch nicht besonders sinnvoll in der Rolle als nukleare Trägersysteme sind.

Welchen Sinn hat die Vereinbarung dann?
Ich deute sie als politisches Signal. Sie hat zwei Dimensionen: Zum einen demonstriert es die wachsende Zusammenarbeit und Verflechtung der beiden Länder. Zum anderen geschieht das natürlich im Rahmen von Putins Strategie der Einschüchterung und Verunsicherung. Es wird versucht, dem Westen dadurch eine steigende Bedrohung zu suggerieren, die in diesem Fall so nicht gegeben ist.

Die nukleare Teilhabe zählt zu den strategischen Säulen der NATO. Auch in Deutschland sind atomare Sprengköpfe gelagert. Steht es uns eigentlich zu, uns darüber zu empören, dass Russland Atomwaffen in Belarus stationieren will?
Die große Frage ist, wie vergleichbar die beiden Fälle sind. Russland betont bislang, dass die Kontrolle über die Waffen und ihren Einsatz bei ihnen verbleibt. Dann wäre es mit der nuklearen Teilhabe in der NATO vergleichbar. Daher ist es schon schwierig, die Aktion von westlicher Seite pauschal zu kritisieren.

Würde Russland diese Waffen tatsächlich an Belarus abgeben, würde das einen Bruch des Nichtverbreitungsvertrags darstellen. Dass Russland die Kontrolle über die Waffen aufgibt, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Natürlich ist der Schritt vor dem Hintergrund des Angriffskriegs und der aggressiven Rhetorik und Angstmacherei aber hochproblematisch.

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