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Wegen Korruptionsermittlungen in seinem Umfeld gerät Spaniens Premierminister Pedro Sánchez in Bedrängnis.

© REUTERS/VIOLETA SANTOS MOURA

Korruptionssumpf in spanischer Regierung: Schafft es Überlebenskünstler Sánchez auch durch diesen Skandal?

Seine Frau, seine rechte Hand, sein Verkehrsminister: Mehrere Vertraute von Pedro Sánchez werden mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Hat Spanien ein strukturelles Problem?

Stand:

Pedro Sánchez ist ein Überlebenskünstler. Seit sieben Jahren ist er Premierminister von Spanien, ließ sich von knappen Mehrheiten im Amt bestätigen und ging dafür umstrittene Deals ein, etwa mit katalanischen Separatisten. Seine Minderheitsregierung ist kaum handlungsfähig, konnte bislang nur wenige Gesetzesvorhaben durchbringen. Trotzdem verstand es der 50-Jährige, sich an der Macht zu halten.

Nun aber entfaltet sich in seinem Umfeld ein immer größerer Korruptionsskandal. Seit Monaten ist es das beherrschende Thema in Spanien. Überlebt Sánchez auch das?

Bauaufträge, Vetternwirtschaft, Provisionen

Es begann im Februar 2024, als ein Mann namens Koldo García festgenommen wird. Er ist enger Berater von Sánchez’ damaligem Verkehrsminister, José Luis Ábalos, und soll während der Pandemie Maskendeals in Millionenhöhe abgeschlossen haben. Mit einer Firma, die es heute nicht mehr gibt.

Mit ihm ging der Skandal los: Koldo García, Berater des damaligen Verkehrsministers.

© IMAGO/Carlos Lujan

Um seine Strafe zu mindern, machte Firmenchef Víctor de Aldama einen Deal mit der Staatsanwaltschaft. Plötzlich fielen immer mehr Namen aus Sánchez’ sozialdemokratischer Partei PSOE. Es ging nicht mehr nur um Masken, sondern auch um die Art der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Provisionen, Vetternwirtschaft.

Die Ermittler fanden auf Festplatten von Berater Koldo García anschließend mehrere Sprachaufnahmen, auf denen ein gewisser Santos Cerdán erzählt, wie er die Schmiergelder verwaltet, die Verkehrsminister Ábalos und sein Team kassiert hatten.

Auch Santos Cerdán, Teil der Parteispitze von Sanchez PSOE, wurde im Laufe der Ermittlungen festgenommen.

© IMAGO/Europa Press/IMAGO/Jesus Hellin

Damit kam der Skandal Sánchez gefährlich nah. Denn Santos Cerdán war zu dem Zeitpunkt Organisationssekretär der PSOE und rechte Hand des spanischen Premierministers. Cerdán kam ins Gefängnis, trat von seinen Ämtern zurück und legte sein Abgeordnetenmandat nieder.

In Verbindung mit den Korruptionsfällen der Partei geriet zuletzt auch Sánchez’ Ehefrau, Begoña Gómez. Gegen sie läuft ein Verfahren wegen Verdachts auf Einflussnahme, Korruption und Veruntreuung.

Gegen Sanchez’ Frau Begoña Gómez wird ebenfalls wegen Korruptionsverdacht ermittelt.

© IMAGO/Europa Press/ABACA

Die Vorwürfe kamen von Manos Limpias, einer rechtsextremen Organisation, die für Klagen gegen Politiker und ihre Angehörigen bekannt ist und sich bereits wegen missbräuchlicher Nutzung der Justiz verantworten musste. Sánchez sprach deshalb von „Schmutzkampagnen“ und ließ sein Amt vergangenes Jahr fünf Tage lang demonstrativ ruhen.

Sánchez ist sich keiner Schuld bewusst

Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass der Premierminister selbst in die Korruptionsvorwürfe verwickelt ist. Der Schaden ist dennoch massiv, handelt es sich doch immerhin um Personen aus seinem unmittelbaren Umfeld. Personen, die er immer wieder in Schutz genommen hatte.

Anfang Juli tauschte Sanchez jedoch die gesamte Führung seiner Partei aus, sprach von „Enttäuschung“ und „Verrat“, von einer „Überraschung“.

Darüber hinaus scheint sich der Parteichef keiner Schuld bewusst. Im Gespräch mit spanischen Journalisten sagte er laut der Zeitung „El País“: Es ärgere ihn, dass „die Korruption die außergewöhnliche Arbeit einer Regierung überschatte, die in parlamentarischer Minderheit ist“.

Enttäuschung, Verrat, Überraschung.

Pedro Sánchez über die Korruptionsvorwürfe in der eigenen Partei

Er habe zwar daran gedacht, zurückzutreten – glaube aber, nach wie vor über genügend politische Kraft zu verfügen. Die konservative Oppositionspartei PP forderte in den vergangenen Wochen immer wieder Neuwahlen, Zehntausende gingen im Juni dafür auf die Straße. Aber der Überlebenskünstler Sánchez lässt sich davon nicht beeindrucken.

Dabei kam Sánchez 2018 ausgerechnet nach einem Misstrauensvotum an die Macht, bei dem die konservative Partei PP abgesetzt wurde – weil sie sich mit Korruption finanziert hatte. Anders als bei der Opposition will er bei seiner eigenen PSOE jedoch keine strukturellen Probleme erkennen.

Hat Spanien ein Korruptionsproblem?

„Es gibt eine weitverbreitete systemische Korruption in der spanischen Politik“, sagt Fernando Jiménez Sánchez, Professor für Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft an der Universidad de Murcia. „Starke Partikularinteressen sind in der Lage, den Staat in den für sie interessanten Bereichen zu vereinnahmen.“

Bestochen werden dabei meist öffentliche Amtsträger, die dann ihre Mitarbeiter dazu bringen, entsprechende Aufträge zu erteilen. Warum diese das machen, erklärt Jimenez Sanchez so: „Unser Verwaltungssystem ist in hohem Maße politisiert, weil Entscheidungen über Beförderungen, Gehaltszulagen und Arbeitsbedingungen von Politiker getroffen werden, nicht von Beamten.“

Silvina Bacigalupo Saggese, Präsidentin von Transparency International Spanien, glaubt dagegen nicht an eine institutionalisierte oder systemische Korruption im Land.

„Was wir jedoch haben, sind Mängel in den institutionellen Strukturen in Bezug auf Prävention, Kontrolle und Sanktionen.“ Interessensgruppen und ihre unzulässige Einflussnahme auf die Politik würden nicht ausreichend überwacht, Transparenzvorschriften seien unzureichend.

„Eine nationale Strategie zur Korruptionsbekämpfung, die eine ganzheitliche Überprüfung des bestehenden normativen und institutionellen Systems vorsieht und die Durchführung erforderlicher Reformen ermöglicht, ist dringend notwendig“, sagt Bacigalupo Saggese.

Verwaltungswissenschaftler Jiménez Sánchez hält Deutschland für ein geeignetes Vorbild. „Im deutschen System hängt die Parteifinanzierung maßgeblich von privaten Spenden ab. Das stärkt die Verbindung zur Gesellschaft“, sagt er.

In Spanien dagegen sind private Spenden weitgehend verboten. „Die Parteien sind von öffentlichen Geldern abhängig, etwa von Provisionen bei abgeschlossenen Verträgen. Das macht sie anfällig für Korruption.“

Auch Transparency-International-Präsidentin Bacigalupo Saggese sagt: „Im Alltag der Spanier spielt Korruption zwar keine Rolle. Aber die immer wieder auftretenden Fälle in den Parteien haben die Bürger von der Politik entfremdet.“

Tatsächlich ist in keinem EU-Land das Vertrauen in die Politik so gering wie in Spanien. Laut Eurobarometer trauten nur 15 Prozent der Bevölkerung den Parteien über den Weg. Denn die immer wieder auftauchenden Korruptionsfälle schaden dem Vertrauen in die Politik massiv.

Beide Experten sind sich einig, dass dies zu einer zunehmenden Polarisierung führt und populistische Parteien an den politischen Rändern stärkt.

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