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Thank God It’s International Friday 49: Politisches Detox mit Marjorie Taylor Greene?
Die Themen der Woche: Ungewöhnliche Allianzen | Trump bleibt lieber toxisch | Kein Plan für die Ukraine | Autonome neue Welt

Stand:
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Sie ist eine Meisterin der Verschwörungstheorien, hetzt gegen politische Gegner und nimmt selten ein Blatt vor den Mund: die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus dem US-Bundesstaat Georgia. Doch nun fordert ausgerechnet sie ein Ende der „toxischen Politik“ in den USA. Denn die sei „sehr schlecht“ für das Land. Die 51-Jährige entschuldigte sich auf CNN dafür, dazu beigetragen zu haben.
Vergangene Woche hatte Donald Trump mit seiner früheren Loyalistin gebrochen. Die Abgeordnete, die der US-Präsident seither „Marjorie Traitor Greene“ nennt, hatte vehement die Freigabe der Epstein-Akten gefordert und den Präsidenten für seine zögerliche Haltung kritisiert. Auch zu anderen Themen war „MTG“ zuletzt von der Präsidentenlinie abgewichen, zum Beispiel mit Blick auf den Shutdown, die Gesundheitskosten und den Krieg in Israel.

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Amerika müsse zusammenkommen und „die toxische, gefährliche Rhetorik und Spaltung“ beenden, forderte Greene auf CNN. Sie wolle mit gutem Beispiel vorangehen und hoffe, dass Präsident Trump ihr folgen werde.
Neue Allianzen?
Mehrere Demokraten zeigen sich bereits interessiert, mit Greene auch zu anderen Themen zusammenzuarbeiten. Die Abgeordnete Jasmine Crockett aus Texas etwa möchte sie als Unterstützerin für ihr Gesetzesvorhaben gewinnen, das Abgeordnete besser vor Hass und Gewalt schützen soll.
Jamie Raskin sieht Greene gar als potenzielles Mitglied der Demokraten. „Natürlich müsste sie sich politisch grundlegend verändern“, sagt der Abgeordnete aus Maryland, „aber die demokratische Partei muss sich offen zeigen für Menschen, die vor der politischen Korruption und dem Autoritarismus der Republikaner fliehen wollen.“
Andere Demokraten sind zurückhaltender. Darunter die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die in der Vergangenheit häufig Ziel von Greenes Hetzattacken war. Sie glaube daran, sagt „AOC“, dass man vor den Menschen, die sich verändern wollten, nie die Tür verschließen sollte. Aber Greene müsse es ernst meinen und den Schaden reparieren, den sie angerichtet habe.
Trump bleibt lieber toxisch
Toxische Politik ganz aufzugeben wäre irgendwie schade, scheint sich Trump indes zu denken. Und teilt weiter ordentlich aus. Zum Beispiel gegen die ABC-Journalistin Mary Bruce. Sie hatte es gewagt, beim Besuch des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Weißen Haus diese Woche nach dem Journalisten Jamal Khashoggi zu fragen. Dessen Ermordung hatte der Thronfolger aus Riad nach Erkenntnissen der US-Nachrichtendienste 2018 angeordnet.
Eine „schreckliche, aufsässige“ Frage fand Trump, die „den Gast in Verlegenheit bringe“. Und legte noch nach: Viele Leute hätten den erwähnten Herren schließlich gar nicht gemocht. Im Nachgang drohte Trump dem Fernsehsender ABC mit Lizenzentzug.
Damit nicht genug. Sechs Demokraten warf Trump auf seiner Plattform Truth Social „subversives Verhalten“ vor, das „mit dem Tod bestraft werden könne“. Die Abgeordnetengruppe – sämtlich ehemalige Militärs oder Geheimdienstmitarbeiter – hatten eine Videobotschaft veröffentlicht, in der sie US-Soldaten auffordern, illegale Befehle nicht auszuführen.
Trump teilte auf der Plattform auch den Kommentar eines Unterstützers: „Hängt sie auf! George Washington würde es tun.“ Eine Haltung, die beim saudischen Kronprinzen auf Verständnis stoßen dürfte.
Mr. Mamdani Goes to Washington
Am heutigen Freitag ist der neugewählte New Yorker Bürgermeister Zohran Mamdani zu Gast bei Trump im Weißen Haus. Meine Kollegin Helena Wittlich hat für Sie aufgeschrieben, was die beiden bei allen Unterschieden gemeinsam haben. 👇
80 Jahre Nürnberger Prozesse
Gestern vor 80 Jahren, am 20. November 1945, war der Auftakt der Nürnberger Prozesse. Ein Meilenstein für das moderne Völkerrecht und eine wichtige symbolische Grundlage für den Wiederaufbau der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland nach der Nazi-Diktatur.
Mein Kollege Markus Hesselmann hat sich angesehen, wie der kurz zuvor gegründete Tagesspiegel damals darüber berichtet hat. Lesen Sie hier. 👇
Kein Plan für die Ukraine
Nicht nur vor diesem Hintergrund wirkt der von Trump aktuell vorgelegte „28-Punkte-Plan“ für einen „Frieden“ in der Ukraine schlicht zynisch. Für Europa muss ein solcher Vorschlag inakzeptabel bleiben. Hier exemplarisch nur einige Aspekte daraus.
Die Ukraine würde zu umfassenden Gebietsverzichten – Krim, Luhansk, Donezk – genötigt. Damit würde Putin in seiner Annahme bestätigt, dass Grenzen in Europa zur Disposition stehen und durch Gewalt verschoben werden können.
Die Ukraine müsste in ihrer Verfassung festschreiben, nicht der Nato beizutreten. Die Nato müsste zusagen, einen ukrainischen Beitritt dauerhaft auszuschließen und keine Truppen in der Ukraine zu stationieren. Dies würde nicht nur eine erhebliche Einschränkung der Souveränität der Ukraine, sondern auch der Unabhängigkeit der Nato bedeuten. Putin hätte es geschafft, einer Organisation, der Russland nicht angehört, Entscheidungen zu diktieren.
Allen am Krieg Beteiligten soll eine Amnestie gewährt werden. Die vielen furchtbaren Kriegsverbrechen, die im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verübt wurden, blieben ungesühnt.
Bei der Veranstaltung des American Council on Germany und des World Affairs Council gestern Abend in Seattle stellte mir einer der Teilnehmer die Frage, was sich an der aktuellen Strategie Europas ändern würde, wenn Trumps Plan umgesetzt würde. „Nichts“, lautete meine Antwort, „außer, dass man sich mit noch größerer Dringlichkeit auf künftige Angriffe Putins auf die Ukraine und weitere europäische Staaten vorbereiten würde“.
Hier können Sie Trumps Plan im Wortlaut lesen. 👇
Lieber unter Leuten
Vorgestern war ich in San Francisco. Schon am Flughafen zeigt einem die Stadt, was an autonomen Technologien möglich ist. In der Ankunftshalle kann man sich in einem unbemannten Shop von einem Roboter einen Kaffee zubereiten lassen. Überall in der Stadt sieht man fahrerlose Taxis. Sie haben für mich etwas Gespenstisches. Meine erste Fahrt damit lässt allerdings noch auf sich warten. Denn bislang dürfen die Autos noch nicht zum Flughafen fahren.

© IMAGO/Achille Abboud/IMAGO/Achille Abboud
Dafür erwartete mich in San Francisco ein „autonomes“ Hotel – ganz ohne Rezeption. Der Check-in erfolgt übers Handy, den elektronischen Schlüssel erhält man über eine App.
Das ist für die Betreiber sicherlich kostengünstig. Aber es überzeugt mich nicht. Ich finde menschlichen Kontakt eigentlich ganz nett. Insbesondere hier in den USA, wo einem die Menschen vielerorts so freundlich und neugierig begegnen. Ob beim Händewaschen oder beim Warten auf den Aufzug, überall kommt man ins Gespräch.
„Aber diese Oberflächlichkeit!“, lautet an dieser Stelle der in Deutschland fast schon obligatorische Einwurf. Darauf kann ich nur mit einem „So what.“ antworten. Denn ich mag diesen zwanglosen Austausch. Oft erfährt man dabei überraschende Dinge über seine Mitmenschen. Für mich könnte es davon in Deutschland ruhig etwas mehr geben.
Noch was zum Lesen gesucht?
🏈 Zu meiner Begeisterung konnte ich am Rande der German American Conference vergangenes Wochenende ein Football-Spiel anschauen: Harvard gegen UPenn.
Sie wussten gar nicht, dass die Harvard University ein Football-Team hat? Damit sind Sie nicht alleine. „Diese Frage wurde mir ständig gestellt“, hat mir Carl Ehrlich erzählt, der in Harvard während seiner Studienzeit Defensive Lineman war. Direkt hinter mir in der Pressekabine saß sein damaliger Coach, die Trainerlegende Tim Murphy. Er ist seit dieser Saison Ko-Kommentator für den US-Sportsender ESPN.
Wie Harvard diesen Samstag gegen den Erzrivalen Yale Football-Geschichte schreiben will, lesen Sie hier. 👇
🧠 Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich nur schwer konzentrieren können, Ihre Gedanken zerfransen, Sie schlechter lesen? Dann weiß meine Kollegin Farangies Ghafoor Rat. Sie hat gerade einen siebenwöchigen Newsletter namens „Mind Hacks“ gestartet. Darin geht sie der Frage nach, wie wir unser Gehirn im digitalen Dauerfeuer schützen können und gibt ganz konkrete Tipps. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren. 👇
Das war’s von mir für heute. Ich grüße Sie aus Seattle und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzlich
Ihre Anja Wehler-Schöck
P.S.: Vielen Dank an Sascha Lobers für die Graphik.
Transparenzhinweis: Der Newsletter ist im Rahmen einer Speakers Tour des American Council on Germany entstanden.
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