In der Bundesregierung ist neuer Streit um die Zuständigkeit für die Europapolitik ausgebrochen. Am Rande des EU-Gipfels von Barcelona waren am Wochenende Überlegungen aus dem Umkreis von Bundeskanzler Gerhard Schröder bekannt geworden, vor allem die Zuständigkeit für die Industriepolitik im Kanzleramt zu bündeln oder ein eigenständiges Europaministerium zu gründen.
Europapolitik
Was der Kanzler gerne möchte, haben die Länder schon: ein Europaressort. Die Zuschnitte sind zwar unterschiedlich.
Wer daran festhält, dass Mitteleuropa ein Eckstein der deutschen Europapolitik ist - und es gibt gute Gründe, das zu tun -, für den ist das Verhältnis zu den Nachbarn der Bundesrepublik im Osten und Südosten ein Politikum von hohem Rang. Mit Polen ist ein schwieriges Werk der Verständigung weit vorangekommen.
Die britische Europapolitik bleibt vorsichtig und risikoscheu. In einer groß angekündigten europapolitischen Grundsatzrede beließ es der britische Premier Tony Blair am Freitag in Birmingham einmal mehr dabei, pro-europäische Stimmung zu verbreiten.
"In Europa, aber nicht von Europa regiert". Mit diesem Slogan zogen die britischen Konservativen in den Wahlkampf - und erlitten Schiffbruch.
Fortschritte bei bilateralen Themen, aber keine Annäherung in der Europapolitik - das ist das Ergebnis der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen, die zum zehnten Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsabkommens in Frankfurt an der Oder stattgefunden haben.Gekommen waren die wichtigsten Mitglieder des Berliner und des Warschauer Kabinetts mit Bundeskanzler Schröder und Premierminister Jerzy Buzek an der Spitze.
Nach Abschluss des EU-Gipfels finden an diesem Montag in Frankfurt (Oder) die 4. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen statt.
"Die Mumie kehrt zurück", scherzte Frau Thatcher, als sie vor einer Woche überraschend wieder die politische Bühne Großbritanniens betrat, um Labours Europapolitik scharf zu attackieren. "O Gott", stöhnten einige der bedrängten Tories, "das hat uns gerade noch gefehlt".
Pünktlich zur Europa-Woche hat der Regierende Bürgermeister den Senatsbericht über europapolitischen Aktivitäten vorgelegt. Eberhard Diepgen sieht durch die Ost-Erweiterung der EU große wirtschaftliche Chancen für Berlin.
Wie sieht eine Europapolitik aus, in der nicht alles anders, aber vieles besser ist? Seit dem Wochenende kennen wir die Antwort: Man stelle einen Leitantrag vor, lasse einige Details offen und stelle das Ganze zur Diskussion.
Die Vorschläge von Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder zur Europapolitik stoßen bei der CDU auf ein positives Echo. "Die Überlegungen des SPD-Präsidiums entsprechen dem, was wir in der Union seit Jahren diskutieren," sagte der ehemalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble dem Tagesspiegel.
Zwischen Bundesregierung und Ländern bahnt sich ein heftiger Streit um die Europapolitik an, vor allem um das Vorhaben, bis 2004 im Rahmen einer europäischen Verfassungsdebatte auch eine klare Kompetenzregelung für die verschiedenen politischen Ebenen in der EU zu erarbeiten. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) machte am Freitag im Bundesrat deutlich, dass ein Zurückholen von Brüsseler Kompetenzen auf die nationale oder gar regionale Ebene nicht machbar sei und von der Bundesregierung nicht verfochten werde.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) haben Bundesaußenminister Joschka Fischer wegen seiner Europapolitik in Bezug auf Frankreich kritisiert. In einem Streitgespräch in der Wochenzeitung "Die Zeit" warnten sie außerdem die Bundesregierung vor "deutscher Großmannssucht".
Europapolitik in den Zeiten von BSE, das heißt: schnelle, möglichst effektive, für das Publikum nachvollziehbare Schadensbegrenzung. Auf welcher Ebene die Politik dem allgegenwärtigen BSE-Problem Herr wird, ist den Wählern am Ende herzlich wurscht.
Die französische Regierung hat mit einer Revision ihrer Europapolitik begonnen. Nach dem umstrittenen EU-Gipfel in Nizza gehe es darum, "eine breite Debatte über die Grenzen und die Finalität Europas" zu führen, sagte Europaminister Pierre Moscovici .
Die deutschen Ministerpräsidenten gehen in der Europapolitik eigenen Wege. Gleich fünf Länderchefs sind am Freitag gemeinsam auf der Brüsseler Szene aufgetreten.
Es war ein merkwürdiger Kontrast: Der Bundeskanzler, gut gelaunt und entspannt, verfolgte im Parlament nach seiner Regierungserklärung zur Europapolitik den Beitrag des wieder einmal nicht in Bestform befindlichen Bayern Edmund Stoiber. Nicht gerade triumphierend, aber mit souveräner Gelassenheit gab er anschließend vor dem Sitzungssaal der SPD-Fraktion die angekündigte Initiative für Vermögenbesteuerung bekannt.
Oskar Lafontaine hielt sich ruhig im Hintergrund, als Gerhard Schröder im vergangenen Jahr um das Kanzleramt kämpfte.Daß dies nicht von Dauer sein würde, erwarteten die meisten Journalisten, die Deutschland kennen.