zum Hauptinhalt
Ausschnitt aus einem geleakten Chatverlauf über Angriffspläne des US-Militärs.

© Getty Images via AFP/KAYLA BARTKOWSKI

Update

Trump spricht von „Hexenjagd“: Magazin „The Atlantic“ veröffentlicht kompletten Chatverlauf zu US-Angriffsplan

Per Messenger bereiten Teile der US-Regierung einen Militärangriff im Jemen vor. Ein Journalist landet versehentlich in dem geheimen Chat. Trump erklärte, er habe weiter Vertrauen in sein Team.

Stand:

Das Weiße Haus sieht auch nach Veröffentlichungen neuer Teile aus dem geheimen Gruppenchat über die App Signal keinen Grund zum Handeln. Auf die Frage nach möglichen personellen Konsequenzen sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, Präsident Donald Trump habe weiter Vertrauen in sein Nationales Sicherheitsteam. Die Position von Trump sei unverändert.

Nach der Sicherheitspanne hatte das Magazin „The Atlantic“ den Chatverlauf von Mitgliedern der US-Regierung über Angriffspläne auf die Huthi-Miliz im Jemen in voller Länge veröffentlicht.

„The Atlantic“-Chefredakteur Jeffrey Goldberg entschloss sich nach eigenen Angaben zu der Veröffentlichung, nachdem die Regierung von US-Präsident Donald Trump mehrfach bestritten hatte, dass in dem nicht gesicherten Chat vertrauliche Informationen ausgetauscht worden seien.

Die Medien bauschen es auf.

Donald Trump, US-Präsident

US-Außenminister Marco Rubio hat das Hinzufügen von US-Journalist Jeffrey Goldberg in eine Chatgruppe als „schweren Fehler“ bezeichnet. „Offensichtlich hat jemand einen Fehler gemacht – jemand hat einen schweren Fehler gemacht – und einen Journalisten hinzugefügt“, sagte Rubio am Mittwoch bei einem Besuch in Jamaika vor Journalisten mit Blick auf die Chatgruppe. „Nichts gegen Journalisten, aber Sie sollten nicht in diesem Ding sein.“

Trump spricht von „Ausrutscher“ der US-Regierung

Rubio war selbst Teil der Chatgruppe gewesen. Andere Regierungsmitglieder, darunter Verteidigungsminister Pete Hegseth und US-Präsident Donald Trump, hatten den Vorfall bislang als wenig bedeutend abgetan. Hegseth argumentierte, er habe keine kritischen Informationen preisgegeben.

Er habe in der Gruppe „keine Orte, keine Routen, keine Flugwege, keine Quellen, keine Methoden, keine geheimen Informationen“ gepostet, sagte Hegseth. Er habe lediglich das Regierungsteam in Echtzeit informiert und auf dem Laufenden gehalten. Das sei sein Job.

Trump kam ihm zu Hilfe. Auf die Frage eines Reporters, ob Hegseth einen Rücktritt erwägen sollte, entgegnete der US-Präsident: „Hegseth macht großartige Arbeit. Er hat nichts damit zu tun. Das ist alles eine Hexenjagd.“ Trump wies den Vorwurf zurück, die Affäre herunterzuspielen und gab zurück: „Die Medien bauschen es auf.“ Die Aktionen gegen die Huthi-Miliz seien „unglaublich erfolgreich“ – darüber sollten die Medien berichten, mahnte er.

Trump hatte den Vorfall zuvor als „Ausrutscher“ abgetan. Seine Sprecherin Karoline Leavitt erklärte zudem, in der Chatgruppe seien „keine Kriegspläne“ diskutiert und „keine als geheim eingestuften Informationen ausgetauscht“ worden.

Der Präsident versuchte auch, den Fehltritt seines Sicherheitsberaters Waltz, versehentlich einen Journalisten in den Gruppenchat zu holen, als technische Panne bei der App Signal darzustellen. „Es könnte ein Problem mit der Plattform geben“, sagte Trump. „Wenn es ein Problem mit einer Plattform gibt, sollte niemand sie benutzen.“ Vielleicht sei Signal einfach „nicht sehr gut“.

Mitarbeiter von Tech-Milliardär und Präsidentenberater Elon Musk sollen sich ebenfalls mit dem Thema befassen. „Elon Musk hat angeboten, seine technischen Experten auf die Frage anzusetzen, warum diese Nummer versehentlich zum Chat hinzugefügt wurde“, sagte die Sprecherin von US-Präsident Donald Trump, Karoline Leavitt, am Mittwoch im Weißen Haus zu Journalisten.

Zahlreiche Details über genaue Angriffszeiten

In den am Mittwoch veröffentlichten Screenshots des Chats sind dagegen zahlreiche Details über die genauen Angriffszeiten und die dabei eingesetzten Flugzeuge enthalten.

Eine Frau geht über die Trümmer eines zerstörten Gebäudes nach US-Luftangriffen in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa.

© AFP/MOHAMMED HUWAIS

31 Minuten vor dem Start der ersten US-Kampfjets sowie zwei Stunden und eine Minute vor dem Schlag gegen die Huthi-Terroristen teilte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth demnach die Angriffsabläufe:

  • „12:15 ET: F-18 starten (erstes Angriffspaket)“

Erklärung: Amerikanische F-18-Kampfjets starten in Richtung Jemen.

  • „13:45: ‚Trigger-basiertes‘ F-18-Angriffsfenster beginnt (Ziel-Terrorist befindet sich an seinem bekannten Aufenthaltsort, sollte also PÜNKTLICH sein – außerdem starten MQ-9-Kampfdrohnen)“

Erklärung: Sobald die gesuchte Person identifiziert wurde, beginnt der Zeitraum, innerhalb dessen die Amerikaner angreifen wollen.

  • „14:10: Weitere F-18 starten (zweites Angriffspaket)“

Erklärung: Fast zwei Stunden nach der ersten beginnt die zweite Angriffswelle. Weitere US-Kampfjets brechen also Richtung Jemen auf.

  • „14:15: Drohnen erreichen das Ziel“

Erklärung: Nun greifen die Kampfdrohnen des Typs MQ-9 im Jemen an. Hegseth weist im Chat in Großbuchstaben geschrieben darauf hin, dass nun „definitiv die ersten Bomben fallen“.

  • „15:36: Zweiter F-18-Angriff beginnt – außerdem werden erste Tomahawk-Raketen vom Meer aus abgefeuert.“

Erklärung: Die zweite Welle der Kampfjets eröffnet das Feuer, erstmals auch die US-Marine. Danach kündigt Hegseth unter anderem noch an, dass weitere Angriffe folgen werden. Dann beendet er seine Ausführungen mit den Worten „Gottes Segen für unsere Kämpfer.“

Demokraten, Experten und Ex-Soldaten sind empört

Demokraten und Sicherheitsexperten beklagen aber einen Tabubruch: Die Weitergabe derart konkreter Informationen zu einem unmittelbar bevorstehenden Militärschlag über einen Messenger-Dienst, der nicht den Sicherheitsstandards für den Austausch vertraulicher Daten entspricht, habe das Leben beteiligter Soldaten gefährdet, argumentieren sie. Auch ehemalige Soldaten äußerten in sozialen Medien Wut und Unverständnis.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wie CNN-Korrespondentin Natasha Bertrand unter Berufung auf einen US-Offiziellen und eine weitere mit dem Fall vertraute Person berichtet, waren die vom Verteidigungsminister im Chat geteilten Informationen zu diesem Zeitpunkt als geheim eingestuft. Denn: Die Operation war noch gar nicht gestartet.

„Man kann mit Sicherheit sagen, dass jede Person in Uniform dafür vor ein Kriegsgericht gestellt worden wäre“, sagte der Offizielle CNN. „Wir geben diese Art von Informationen nicht über unklassifizierte Systeme weiter, um das Leben und die Sicherheit der Menschen, die die Militärschläge ausführen, nicht zu gefährden. Wenn wir das tun würden, wäre das total unverantwortlich. Selbst meine unerfahrensten Mitarbeiter wissen das.“

US-Regierungsmitglieder in Erklärungsnot

Die betroffenen US-Spitzenbeamten befinden sich seit dem ersten Enthüllungsbericht von „The Atlantic“ in Erklärungsnot. In einer teils hitzigen Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des US-Senats am Dienstag wurden Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard und CIA-Direktor John Ratcliffe von der demokratischen Opposition mit scharfen Fragen konfrontiert.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth: Wollte Signal-Nachrichten zufolge mit dem Angriff auf die Huthi vor allem die militärische Schwäche Joe Bidens illustrieren.

© AFP/Annabelle Gordon

Während Ratcliffe immerhin bestätigte, Teil der besagten Chatgruppe gewesen zu sein, wich Gabbard einer klaren Aussage aus. Ratcliffe antwortete allerdings auf die Nachfrage, ob neben Vizepräsident J.D. Vance und anderen auch Gabbard Teil der Gruppe gewesen sei: „Ich glaube ja.“

Geteilt hat „The Atlantic“ am Mittwoch aber auch einen Screenshot der Gruppenteilnehmer: Demnach war auch eine Person mit den Initialen TG im Chat. Es liegt nahe, dass dies Tulsi Gabbard sein könnte.

Die Geheimdienstkoordinatorin wiederholte bei der Senatsanhörung dagegen mehrfach, dass in dem Chat keine als vertraulich eingestuften Informationen ausgetauscht worden seien. Auf konkrete Nachfragen zum Inhalt der Gespräche wollten jedoch weder Gabbard noch Ratcliffe näher eingehen. Dieser vertrat die Ansicht, die Informationen, die er selbst in dem Gruppenchat geteilt habe, seien „völlig zulässig“ gewesen und hätten „keine Verschlusssachen“ enthalten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wie diese Darstellung mit dem Artikel von „The Atlantic“-Chefredakteur Goldberg zusammenpasse, wonach Verteidigungsminister Pete Hegseth kurz vor dem Schlag auf die Huthi-Miliz im Jemen einen detaillierten Operationsplan in der Chatgruppe geteilt habe, konnten die beiden nicht beantworten. Stattdessen verwies Gabbard schließlich auf das Verteidigungsministerium: Diese Frage müsse dort beantwortet werden.

Angriff auf die Huthi im Jemen Mitte März

© AFP/Darren Cordoviz

Konkret wurden den Bildschirmfotos zufolge in der Signal-Gruppe nicht nur Ziele und Zeiten des bevorstehenden Angriffs im Jemen geteilt, auch wurde eine mögliche Verschiebung des Angriffs um einen Monat diskutiert. An einer weiteren Stelle wird unter anderem durch den Vizepräsidenten JD Vance infrage gestellt, ob der Angriff für Europa nicht nützlicher sei als für die USA.

Chatverlauf zeigt Lästereien über Europa

„Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen“, schrieb mutmaßlich JD Vance. „Lasst uns einfach sicherstellen, dass unsere Botschaften hier dicht sind.“ Dem Verteidigungsminister zufolge, in der Gruppe schreibt ein „Pete Hegseth“, dürfte das aber „schwierig sein, egal was passiert“, da niemand wisse, wer die Huthi sind. Deshalb müsse man sich auf zwei zentrale Botschaften konzentrieren: „1) Biden hat versagt & 2) Iran finanziert“ die Miliz.

Auch zweifelte Trumps Vize zaghaft die Entscheidung des US-Präsidenten für den Angriff im Allgemeinen an. Der wichtigste Grund für die USA sei, „eine Botschaft zu senden“. Fügte dann aber hinzu: „Aber ich bin mir nicht sicher, ob dem Präsidenten bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu der Botschaft steht, die er derzeit an Europa richtet.“

Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz schlägt an anderer Stelle deshalb vor, die Luftangriffe auf die Huthi erneut dafür zu nutzen, Europa erneut zu höheren Verteidigungsausgaben aufzufordern.

Der stellvertretende Stabschef im Weißen Haus, Steve Miller, sagt zudem, dass die USA „Ägypten und Europa bald klarmachen“ müssten, was sie im Gegenzug erwarten.

„Wir müssen herausfinden, wie wir solche Forderungen durchsetzen können. Wenn Europa nicht mitmacht, was dann?“, schreibt der Nutzer „S M“ im Chat. „Wenn die USA die freie Schifffahrt [im Roten Meer] mit großem Aufwand erfolgreich wiederherstellen, muss im Gegenzug ein wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden.“ (AFP, dpa, Tsp, mb)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })