
© dpa/Ukraine Presidency
Trumps Bluff entlarvt: Selenskyj ist der heimliche Gewinner des Eklats im Weißen Haus
Es scheint, als habe Trump das Schicksal der Ukraine besiegelt. Doch tatsächlich zeigt der Eklat, dass Selenskyj bessere Karten hat als gedacht. Trump muss ihm nun ein Angebot machen.

Stand:
Es schien, als sei der ukrainische Präsident wie ein geprügelter Hund aus dem Weißen Haus gejagt worden. US-Präsident Donald Trump und sein Vize J.D. Vance warfen Wolodymyr Selenskyj mangelnde Bereitschaft zum Frieden vor. Die Ukraine sei im Begriff zu verlieren und Selenskyj habe „schlechte Karten auf der Hand“, so Trump.
Der US-Präsident war überzeugt, wie in einem Pokerspiel, Selenskyjs Bluff entlarven zu können. Doch der schmiss sein Blatt nicht weg, sondern legte im Gegenzug Trumps Bluff offen: Tatsächlich hat Selenskyj vor der Weltöffentlichkeit gezeigt, dass er bessere Karten auf der Hand hat als Trump hoffte.
Natürlich sitzt Washington langfristig am längeren Hebel. Doch auf kurze Frist tritt die Ukraine nicht nur als Bittsteller auf. Abgesehen davon, dass auch die Trump-Administration keinerlei Interesse an einem russischen Sieg hat, hat Selenskyj nämlich zwei Dinge anzubieten, die Trump unbedingt will. Beide braucht er aus innenpolitischen Gründen, und zwar dringend.
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Erstens einen Waffenstillstand, denn Trumps immerfort wiederholte großspurige Ankündigung, einen Frieden innerhalb von 24 Stunden zu stiften, wird täglich lächerlicher.
Zweitens ein Rohstoffabkommen, damit Trump der eigenen Basis demonstrieren kann, dass er etwas herausgeschlagen hat, anstatt wie Joe Biden immer nur zu geben. Die MAGA-Meute lechzt nach einem Deal.
Wie viel hat Trump Selenskyj tatsächlich anzubieten?
Gleichzeitig hat Trump Selenskyj aber weniger anzubieten als man auf den ersten Blick denken könnte. Die zentralen ukrainischen Wünsche nach Sicherheitsgarantien oder eine Nato-Mitgliedschaft standen gar nicht zur Debatte. So wird es für Trump keinen Deal geben.
Denn Druckmittel hat er auch kaum. Mit zusätzlichen US-Waffenlieferungen in naher Zukunft rechnet man in Kiew ohnehin nicht, und die immer noch eintreffenden, bereits unter Biden beschlossenen Lieferungen kann Trump ohne Zustimmung im Senat und Kongress gar nicht stoppen.
Dort sitzen zudem weiterhin auch viele Republikaner, die die Ukraine unterstützen wollen. Und Trump will keinesfalls den ohnehin bestehenden Graben zwischen pro-ukrainischen und anti-ukrainischen Parteimitgliedern vertiefen und eine Spaltung der mühsam geeinten MAGA-Partei riskieren.
Hinzu kommt: Stellten die USA tatsächlich bereits zugesagt Militärhilfe ein, schadete dies der eigenen Glaubwürdigkeit bei anderen Verhandlungen massiv. Insbesondere in Riad wird man dies sehr aufmerksam beobachten.
Trump hat die Europäer mobilisiert – und Saudi-Arabien verschreckt
Denn im Nahen Osten will Trump mit Saudi-Arabien einen Megadeal aushandeln, um die gesamte Region zu befrieden. Für die beteiligten Staaten ist das allerdings nur so lange interessant, wie sie auf die Bündnistreue der USA vertrauen können.
Die öffentliche Demütigung des Präsidenten eines Verbündeten, dem man vor wenigen Tagen noch mehr Unterstützung in Aussicht stellte, dürfte nicht nur die Scheichs zutiefst beunruhigen.
Zudem hat die von vielen als epochal empfundene Pressekonferenz im Weißen Haus auch die europäischen Unterstützer der Ukraine noch stärker mobilisiert. Schon zwei Tage später arbeitet Europa mit einem seit Monaten nicht mehr gesehen Elan an einer Stärkung der ukrainischen Position.
Die Ukraine wird auf die nächsten Monate gesehen weiterkämpfen können. Trump hingegen läuft die Zeit davon. Und die ukrainische Seite ist sich dieser, zumindest kurzfristig starken Position in den Verhandlungen bewusst.
Trump muss nun Selenskyj ein Angebot machen
Selenskyj demonstrierte dies nicht zuletzt damit, dass er die Aufforderung der US-Seite, einen Anzug bei dem Treffen zu tragen, ignorierte und in gewohnter Militärmontur aufschlug.
Selenskyj hat die Gespräche erhobenen Hauptes – vielleicht sogar kalkuliert – abgebrochen. Er geht als heimlicher Gewinner aus dem Eklat hervor. Nun muss Trumps Administration ihm ein Angebot machen und hoffen, dass er darauf eingeht.
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