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Trumps eskalierender Drogenkrieg : Erst die Drohung gegen Venezuela, jetzt Mexiko und Kolumbien – was kommt als Nächstes?
Die US-Regierung hat in der Karibik die größte US-Militärpräsenz seit der Kuba-Krise aufgebaut. Fast 100 mutmaßliche Drogenschmuggler sind durch US-Truppen bisher getötet worden. Trumps Motive bleiben undurchsichtig.
Stand:
Das letzte Mal, dass US-Militärs ihrem Präsidenten Optionen für Angriffe auf ein Land darlegten und die Öffentlichkeit davon wusste, war im Juni dieses Jahres. Darauf folgten die nächtlichen Bombardements der iranischen Atomanlagen.
Nun berichten US-Medien erneut, dass die Generäle Trump über Möglichkeiten für einen Militäreinsatz unterrichten. Das Ziel diesmal: das diktatorisch regierte Venezuela unter Nicolas Maduro. Dabei geht es aber nicht um Atomwaffen, sondern um den Kampf gegen vermeintliche Drogenkartelle, die die US-Regierung in Venezuela mit staatlicher Unterstützung am Werk sieht.
Bisher beschränkten sich die US-Militärschläge auf mutmaßliche Schmugglerboote, die beschossen wurden, sobald sie venezolanische Gewässer verließen. Mindestens 83 Menschen wurden bei den Einsätzen bisher getötet. Laut den Medienberichten haben die US-Militärs aber inzwischen Pläne für eine Landinvasion ausgearbeitet.
Maduro zumindest scheint die Drohgebärde ernst zu nehmen. Er bat vergangene Woche Russland, China und den Iran um militärische Hilfe; Radargeräte, Ersatzteile für Kampfjets und wohl auch Raketen. Mindestens ein russisches Militärflugzeug ist seitdem in Caracas gelandet, Ladung unbekannt. Mobilisiert hat Maduro die Armee des Landes ohnehin schon.
Aber Venezuela ist derzeit nicht das einzige Land, das Trump mit einer Militäraktion bedroht: Im Kampf gegen Drogenbanden hat er nun auch Angriffe gegen das Nachbarland Mexiko und gegen Kolumbien nicht ausgeschlossen.
„Würde ich einen Angriff auf Mexiko starten, um Drogen zu stoppen? Das wäre für mich okay“, sagte Trump am Montag im Weißen Haus auf die Frage eines Journalisten. In Mexiko und seiner Hauptstadt gebe es „einige große Probleme“ mit dem Rauschgifthandel. Auch die „Kokainfabriken“ in Kolumbien würde er gerne bombardieren lassen, erklärte er.
Droht in Mittel- und Südamerika nun also schon bald in mehreren Ländern ein von der US-Armee geführter Drogenkrieg? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Wie groß ist die US-Militärpräsenz in der Karibik inzwischen?
Seit Ende August hat die US-Armee zwei Flugzeugträger in die Karibik und den Südpazifik verlegt, die USS Iwo Jima und mit der USS Gerald Ford, den größten und modernsten Flugzeugträger der US-Streitkräfte. Zu den Riesenschiffen gehören noch zahlreiche Begleitboote und jeweils Dutzende Kampfjets und Besatzungen. Insgesamt sind derzeit 12.000 bis 15.000 US-Soldaten in der Gegend stationiert. Es ist die größte Ansammlung von US-Truppen in den Gewässern seit der Kubakrise 1962.

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Neben den Flugzeugträgern können die USA in Mittel- und Südamerika auch noch auf zahlreiche Militärbasen zurückgreifen, zum Beispiel in Costa Rica.
2 Welche Einsätze gegen angebliche Drogenboote gab es bisher und was waren die Reaktionen?
Bekannt wurden in den vergangenen Wochen 22 Angriffe auf Boote, die laut der US-Regierung von „Narkoterroristen“ genutzt wurden, also Drogenschmugglern. Die Boote kamen vorwiegend aus Venezuela und Kolumbien. Die Angriffe laufen unter dem Operationsnamen „Südlicher Speer“ („Southern Spear“). Dabei kamen mehr als 80 Menschen ums Leben. Beweise, dass sich auf den Booten tatsächlich Drogen befanden, hat die US-Regierung bisher nicht vorgelegt.

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Das ist auch der Grund, warum sich die US-Regierung zunehmend internationaler Kritik ausgesetzt sieht. Großbritannien und Kolumbien setzten kurzzeitig die Geheimdienstzusammenarbeit mit den USA für die Karibik aus, die EU und die UN verurteilten die außergerichtlichen Tötungen. Auch in Lateinamerika äußerten sich die meisten Regierungen kritisch oder neutral zu den Einsätzen. Auch in den USA selbst hält sich die Unterstützung für die Aktionen in Grenzen. Nur 30 Prozent der Amerikaner unterstützen laut einer aktuellen Umfrage die Angriffe auf die Boote.
3. Was genau werfen die USA Maduro vor?
Trump und die US-Regierung beschuldigen die Regierung in Venezuela, den Drogenschmuggel zu fördern, und erkennen Maduro nicht als legitimen Präsidenten an. US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete die Regierung in Caracas zuletzt als „transshipment Organization“, also als Durchgangsstation für den Drogenschmuggel.
Am Sonntag verschärfte die US-Regierung die Gangart gegen Maduro, indem sie eine der Banden des Landes, das Cartel de los Soles (Kartell der Sonnen) auf die Terrorliste setzte und Maduro als deren Anführer bezeichnete.

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„Unter der Führung des illegitimen Nicolás Maduro hat das Kartell der Sonnen die Regierungsinstitutionen in Venezuela korrumpiert und ist verantwortlich für terroristische Gewalt, die von und mit anderen als terroristische Organisationen eingestuften Gruppen verübt wird, sowie für den Drogenhandel in die Vereinigten Staaten und nach Europa“, schrieb US-Außenminister Rubio auf X. Ein Staatschef als oberster Drogen- und Terrorboss? Kein Wunder, dass die Sorgen in Caracas wachsen.
Zahlreiche Experten gehen allerdings davon aus, dass das venezolanische Kartell in Größe und Wichtigkeit nicht vergleichbar mit den mexikanischen Pendants ist. Vielmehr hat Maduro wohl ein System der Korruption geschaffen, in dem etwa die Armee in den Kokainschmuggel eingebunden ist.
4. Was ist über die Pläne der US-Armee für Landeinsätze in Venezuela bekannt?
Vergangene Woche gab es mehrere Medienberichte, dass US-Generäle Trump unterschiedliche Optionen für Militäreinsätze an Land vorgelegt haben. Konkreter wurde es dabei nicht. Klar ist aber nun, und das betonen US-Offizielle auch: Die US-Armee ist einsatzbereit, wofür auch immer sich der Präsident entscheiden sollte.
Über Einsatzpläne des US-Militärs in Mexiko oder Kolumbien wurde bisher nichts bekannt.
Neben dem Militär hat Trump zuletzt auch den Geheimdiensten größeren Spielraum im Kampf gegen den Drogenschmuggel gegeben. Auch die CIA darf nun Einsätze an Land in Venezuela durchführen. Das erinnert nicht wenige in der Region an die US-Geheimdiensteinsätze in den 1970er und 1980er-Jahren, um linke Regierungen in Mittel- und Südamerika zu destabilisieren und zu stürzen.
5. Was könnte Trumps Ziel der Kampagne sein?
Experten und Beobachter rätseln derzeit, was die eigentlichen Absichten der US-Regierung hinter dem Militäreinsatz in der Karibik sind. Elizabeth Dickinson, Expertin für Südamerika beim US-Think Tank „International Crisis Group“, sagte der „Washington Post“: „Ein Flugzeugträger bringt keinen zusätzlichen Nutzen für die Bekämpfung des Drogenhandels.“ Und weiter: „Ich denke, es handelt sich eindeutig um eine Botschaft, die darauf abzielt, Druck auf Caracas auszuüben.“
Militärbeobachter sind sich auch darin einig, dass die USA aktuell noch nicht genug Personal für eine Invasion Venezuelas zusammengezogen haben. Zudem verfügt die venezolanische Armee über zahlreiche Flugabwehrsysteme russischer Bauart, die US-Kampfjets gefährlich werden könnten, wenn sie nicht in einem Schlag ausgeschaltet werden.
Was einen Militärschlag außerdem unwahrscheinlich macht: Einen Einsatz in Venezuela unterstützen derzeit nur ein Fünftel der Amerikaner. Hinzu kommt, dass Trump selbst im Wahlkampf versprochen hatte, keine Kriege zu beginnen und sich außenpolitisch weniger zu engagieren. Schon jetzt steht er wegen seines Fokus auf die Außenpolitik bei vielen seiner Anhänger in der Kritik.

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Wenn aber kein Militäreinsatz, was dann?
Laut Medienberichten haben venezolanische Oppositionelle das Weiße Haus wissen lassen, dass es nur genug militärischen Druck auf Maduro bräuchte, damit er zurücktritt. Nachdem die venezolanische Oppositionelle María Corina Machado im Oktober den Friedensnobelpreis bekam, lobte Trump die Entscheidung und gratulierte ihr persönlich, obwohl er selbst keinen Hehl daraus gemacht hatte, dass er sich selbst gerne als Preisträger gesehen hätte. Machado wiederum hatte zuletzt einen verstärkten Kampf gegen Maduro angekündigt und setzte sich bei Trump für eine Militärintervention ein.
6. Was sagt Trump selbst zu einem Militärschlag?
Der US-Präsident bleibt auch in diesem Fall seiner Strategie in der internationalen Politik treu: er bleibt vage. Am Freitag sagte er, angesprochen auf einen möglichen Militäreinsatz in Venezuela: „I sort of made up my mind.“ Als ein „Ich habe mir irgendwie darüber Gedanken gemacht“ lässt sich das wohl am besten übersetzen. Worüber genau und mit welchem Ergebnis, verriet der Präsident nicht.
Immer wieder heißt es aus der US-Regierung: Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Das hat immerhin dazu geführt, dass Maduro sich gegenüber Washington gesprächsbereit zeigt. Worüber genau? Auch das ist derzeit unklar.
Dass Gespräche nicht unbedingt auf eine Deeskalation hindeuten, darauf weist Geoff Ramsey, Venezuela-Experte beim Think Tank „Atlantic Council“ hin. Als Beispiel nennt er die diplomatischen Gespräche, die die US-Regierung mit dem Iran „bis zu dem Zeitpunkt“ geführt habe, als das US-Militär im Juni iranische Nuklearanlagen angriff.

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„Sie wollen aus einer Position der Stärke heraus verhandeln, und ich glaube, das Weiße Haus stellt Maduro ein Ultimatum“, erklärt Ramsey gegenüber dem TV-Sender „ABC“ weiter. „Entweder Maduro nimmt glaubwürdige Gespräche über einen demokratischen Übergang auf, oder die USA haben keine andere Wahl, als zu eskalieren.“
Ein mögliches Ziel laut Ramsey: „Ich könnte mir vorstellen, dass die USA auf eine stärkere Kontrolle über die natürlichen Ressourcen Venezuelas, einschließlich Öl, sowie auf eine engere Zusammenarbeit bei den Migrations- und Sicherheitszielen des Präsidenten drängen werden.“
Trump jedenfalls hat Maduro zuletzt zu einer Art persönlichem Feind auserkoren: „Er hat unserem Land enormen Schaden zugefügt“, sagte der US-Präsident über den Diktator und brachte Maduro mit Drogen und Migranten in Verbindung, die aus Venezuela in die USA kommen. „Er hat sich gegenüber den Vereinigten Staaten nicht anständig verhalten, also werden wir sehen, was passiert.“ Die US-Regierung hat zudem ein Kopfgeld von 50 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt. Gleichzeitig hatte Trump am Wochenende gegenüber Journalisten auch Gespräche mit Maduro nicht ausgeschlossen.
Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump versucht, Maduro zu stürzen.
6. Was bedeutet all das für den Kampf gegen den Drogenhandel?
Dass der Kampf gegen den Drogenhandel eine zentrale Rolle für die US-Regierung spielt, zeigte sich schon bei der Begründung der Zollpolitik, bei der Trump mehrfach mit dem Kampf gegen Drogen argumentiert hat. So warf er unter anderem China, Kanada und Mexiko vor, den Schmuggel von Ausgangsstoffen für das schnell abhängig machende Fentanyl zu ermöglichen. Kanada und Mexiko sicherten der US-Regierung daraufhin zu, stärker gegen den Drogenschmuggel vorzugehen.
Rund 50.000 Fentanyl-Tote gibt es in den USA derzeit pro Jahr. An Kokain, und aus dem daraus gewonnenen Crack, sterben in den USA derzeit rund 30.000 Menschen pro Jahr. US-Bürger geben rund 150 Milliarden Dollar pro Jahr für Drogen aus. Die wirtschaftlichen Folgekosten betragen mehr als 800 Milliarden US-Dollar.
Aber kann die Trump-Regierung diesem riesigen Markt wirklich Einhalt gebieten?
Kokain gelangt vorwiegend aus Südamerika über Mittelamerika in die USA. Ob der Abschuss von vermeintlichen Drogenbooten in der Karibik den Handel wirklich stören kann, ist bei einem Blick auf die Schmugglerwege fraglich. Denn die meisten Drogen kommen über den Landweg in die USA, auch ein großer Teil des in den USA konsumierten Heroins.
Venezuela gilt eher als Land, in dem Kokain aus Kolumbien gelagert und per Luftfracht oder per Schiff in Richtung Mittelamerika gebracht wird. Verglichen mit der Landroute ist Venezuela aber nur ein Nebenkriegsschauplatz des Drogenhandels.
Die Länder, die auf dem Weg liegen, wie Mexiko und Honduras können derzeit kaum etwas gegen den Schmuggel ausrichten, trotz großzügiger Hilfe aus den USA bei der Bekämpfung des Drogenschmuggels. Auch Kolumbien, wo Bauern so viel Kokain produzieren wie nie zuvor in der Geschichte, hat beim Kampf gegen den Drogenhandel bisher versagt.
Dass Trump nach Venezuela nun Mexiko und Kolumbien ins Visier nimmt, verwundert deshalb nicht. „Würde ich Militärschläge in Mexiko befürworten, um den Drogenschmuggel zu stoppen? Das wäre für mich in Ordnung“, sagte Trump am Montag und fügte hinzu, dass er „mit Mexiko nicht zufrieden“ sei.
Trump erklärte auch, die US-Regierung habe die Drogenkorridore aus Mexiko „unter strenger Überwachung“ und er würde auch gerne die „Kokainfabriken“ in Kolumbien ins Visier nehmen. „Würde ich diese Fabriken zerstören? Ich wäre stolz darauf, das persönlich zu tun. Ich habe nicht gesagt, dass ich es tun werde – aber ich wäre stolz darauf, es zu tun.“ Auch hier lässt der US-Präsident für den Moment alle Optionen offen.
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