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Trumps neue Sicherheitsstrategie: Wie viele Weckrufe braucht Europa noch?
Die USA setzen unter Präsident Donald Trump auf das Recht des Stärkeren. Europa muss einen Gegenentwurf präsentieren. Mit Selbstbewusstsein.

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Nun hat die Welt es schwarz auf weiß. Für die USA zählt künftig vor allem eines: das Recht des Stärkeren. Die Nationale Sicherheitsstrategie, die die Trump-Regierung am Freitag vorgelegt hat, liest sich als klarer Kontrast zu allen bisherigen. Der innenpolitische Kulturkampf der Maga-Bewegung wird zur Grundlage der sicherheitspolitischen Agenda der USA.
Während sich das Land nach außen abschottet, möchte es andere Regionen nach seinen Vorstellungen gestalten. Sie sollen zu Spielfiguren der amerikanischen Machtpolitik werden.
Das gilt auch für Europa. Dort will die US-Regierung „patriotische Parteien“ stärken, die Rückkehr zur Dominanz von Nationalstaaten fördern, die EU schwächen. Die rechtsnationalistischen Kräfte in Europa sind die willigen Erfüllungsgehilfen der trumpschen Agenda.
Das Motiv der USA ist offensichtlich: Eine gemeinschaftlich handelnde EU kann Washington mit Nachdruck entgegentreten. Einen einzelnen Mitgliedstaat dagegen können die USA gängeln.
Das einzig Überraschende an der neuen Strategie ist indes, dass von ihr noch jemand überrascht ist. Denn alle darin enthaltenen Punkte haben die USA vielfach angekündigt, ja, setzen sie bereits in die Tat um.
Dass US-Innenministerin Kristi Noem im Mai in Polen wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl zur Unterstützung des rechtsnationalistischen Kandidaten Karol Nawrocki aufrief, ist nur ein Beispiel der zahlreichen eklatanten Versuche der USA, auf die Innenpolitik in europäischen Staaten Einfluss zu nehmen. Die erpresserischen Versuche der US-Regierung, europäische Gesetze – wie das über digitale Dienste (DSA) und über digitale Märkte (DMA) – zu torpedieren, sind ein weiteres.
Und dennoch: Europa scheint den harten Bruch im transatlantischen Verhältnis bislang nicht wahrhaben zu wollen. Wie viele Weckrufe braucht es noch?
Die neue Sicherheitsstrategie als heilsamer Impuls
In ihrer schmerzhaften Klarheit kann die neue Sicherheitsstrategie für die EU als heilsamer Impuls dienen. Unmissverständlich beschreibt das Dokument die Ziele der USA und wie sie sie zu erreichen gedenken. Und genau das fehlt der EU bislang – sowohl mit Blick auf den Krieg in der Ukraine als auch auf die eigene Selbstbehauptung.
Natürlich ist ein solcher Prozess für die EU angesichts ihrer Struktur und gerade in Zeiten zunehmender Spaltung unendlich viel schwerer. Dennoch ist ein solcher Schritt unabdingbar. Eine innereuropäische Koalition der Willigen kann Blockaden durch Trump-Marionetten wie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán umgehen und Maßnahmen zur Stärkung der EU umsetzen, die nicht der Zustimmung aller Mitglieder bedürfen.
Die US-Strategie ist durchzogen von Trumps Narzissmus. Dies entlarvt die derzeitige amerikanische Schwäche: Ein System, das auf eine Person baut, kann nicht nachhaltig sein. Es zeigt gleichzeitig die Stärke der EU: die gemeinschaftliche Zusammenarbeit. Auch wenn die Fakten in dem US-Dokument an manchen Stellen auf der Strecke bleiben, hat es zumindest in einem Punkt recht: Europa fehlt das Selbstbewusstsein.
Viel zu oft macht sich die EU bislang kleiner, als sie ist. Die zweitgrößte Wirtschafts- und Handelsmacht der Welt, die über rund 1,5 Millionen aktive Soldatinnen und Soldaten verfügt, muss sich nicht verstecken. Anstatt den Sündenbock für jedweden Missstand abzugeben, gilt es für die EU, ihre vielen Errungenschaften herauszustellen und ein schlagkräftiges proeuropäisches Narrativ zu entwickeln.
Dazu zählt auch, zu zeigen, wofür die EU steht. Europa schütze die Grundrechte und die Demokratie als „zentrale Werte“ und werde dafür kämpfen, sie zu erhalten, hat Bundeskanzler Friedrich Merz in Reaktion auf die US-Strategie erklärt.
Es ist zu hoffen, dass sich der Kanzler selbst beim Wort nimmt. Denn genau davon wird der Fortbestand der EU abhängen. Zu beweisen, dass sie dem trumpschen Kurs standhält und einen Gegenentwurf präsentieren kann: als Staatengemeinschaft, die weltweit für Demokratie, Freiheit und eine rechtsbasierte Ordnung steht. Mit Selbstbewusstsein.
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