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(From L) French far-right Rassemblement National (RN) party President and lead MEP Jordan Bardella, France's Prime Minister Gabriel Attal and French MP of left wing party La France Insoumise (LFI) Manuel Bompard pose prior to a political debate broadcasted on French TV channel TF1, in Boulogne-Billancourt, outside Paris, on June 25, 2024, ahead of France's snap elections for a new national assembly on June 30 and July 7, 2024. (Photo by Dimitar DILKOFF / POOL / AFP) / POOL SOLELY FOR AP, ABACA AND BESTIMAGE

© AFP/Dimitar Dilkoff

TV-Debatte vor Wahlen in Frankreich: „Duell der Buchhalter“

Premierminister Attal traf im ersten TV-Duell auf den Parteichef der Rechtsextremen und den Koordinator der Linken. Es ging viel um Zahlen, Außenpolitik kam nicht vor.

Von Birgit Holzer

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Es ist eine undankbare Aufgabe, unmittelbar nach einem Fußball-EM-Spiel der französischen Nationalelf mit politischen Streitthemen im Fernsehen anzutreten. Und doch war am Dienstagabend die Aufmerksamkeit für das erste TV-Duell zwischen den Vertretern der drei großen politischen Lager vor den Parlamentswahlen in Frankreich groß.

Am Dienstag traten drei Männer im Alter zwischen 28 und 38 Jahren gegeneinander an, alle drei in schmale dunkle Anzüge gekleidet: Manuel Bompard, Koordinator der Linkspartei LFI (La France Insoumise, „Das unbeugsame Frankreich“), Premierminister Gabriel Attal für das Regierungslager und der Chef des rechtsextremen Rassemblement national (RN), Jordan Bardella.

Der 28-jährige Bardella will den Posten des 35 Jahre alten Attal übernehmen, falls der RN eine absolute Mehrheit der 577 Sitze in der Nationalversammlung erringen sollte, während die Linken noch keinen Regierungschef für den Fall eines Wahlsiegs bestimmt haben.

Bardella sieht sich bereits als Sieger der Wahl

Umfragen zufolge könnte es für keine Partei für die absolute Mehrheit reichen. Demnach liegt der RN mit mehr als 30 Prozent derzeit vor den Linken und dem Regierungslager. Bardella soll sich bereits im Januar bei einem Treffen in Attals Pariser Arbeits- und Wohnsitz sehr für die privaten Räume interessiert haben, so als sähe er sich dort bereits.

Der Vorsitzende der französischen rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) und führende Europaabgeordnete Jordan Bardella.

© AFP/LUDOVIC MARIN

Auch die Debatte zeigte, wie sehr der junge Parteichef vor Selbstbewusstsein strotzt – oder zumindest diesen Eindruck zu erwecken versuchte. Denn seine häufigen gereizten Zwischenrufe und seine fahrige Körpersprache drückten auch eine gewisse Nervosität aus.

Die Vorstellung seiner Maßnahmen garnierte Bardella mehrmals mit dem Hinweis, diese werde er einleiten, „sobald ich an der Macht bin“. Zu den Hauptpunkten des Programms gehört demnach die Senkung der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte und Benzin von 20 auf 5,5 Prozent und die Rücknahme der unbeliebten Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron für alle, die vor ihrem 20. Geburtstag ins Berufsleben einstiegen. Hier verhedderte er sich allerdings, sodass einige Aussagen unklar blieben.

Die Finanzierung der Maßnahmen ist unklar; zu den möglichen Einsparungen zählt der RN eine Reduzierung der französischen Beiträge zum EU-Budget um zwei bis drei Milliarden Euro und höhere Steuern unter anderem für Energiekonzerne.

Verbesserung der Kaufkraft als gemeinsames Wahlkampfthema

Auch die Linken versprechen eine Rückkehr zur Rente mit 60, das Einfrieren der Preise von bestimmten Produkten des Alltagsbedarfs und eine Aufstockung des Mindestlohns.

Dies, so argumentiert Attal, ließe unmittelbar die Arbeitslosigkeit steigen. „Der Unterschied zwischen diesen beiden Männern und mir ist, dass ich Premierminister bin“, kommentierte er. „Ich verspreche den Franzosen nicht den Mond.“ Doch auch die Regierung plant Maßnahmen zur Verbesserung der Kaufkraft, die Sorge Nummer eins der Menschen.

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bis 3 Milliarden Euro der französischen Beiträge zum EU-Budget möchte die RN einsparen.

Bardella ließ in Anspielung an die hohe Staatsverschuldung Frankreichs die Lektionen des „100-Milliarden-Euro-Schulden-Premierministers“ nicht gelten. Zugleich tat er sich schwer, mit dem Vorschlag einer Steuerbefreiung von unter 30-Jährigen, um junge Talente im Land zu halten, zu überzeugen. „Bei Ihnen müsste ein 31-jähriger Arbeiter Steuern zahlen, ein 29-jähriger Trader aber nicht“, sagte Attal.

Von der Steuerlast befreit wäre dann auch der 25-jährige Fußballprofi Kylian Mbappé: „Er würde einen Fehler machen, zu Real Madrid zu wechseln.“

Heftige Kritik an RN-Programm beim Thema Migration

Beim Thema Migration griffen Attal und Bompard das RN-Programm als stigmatisierend an. Bardella will die Zuwanderung drastisch einschränken und die medizinische Nothilfe für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus abschaffen. Jeder vierte Franzose habe ausländische Wurzeln, rechnete Bompard vor – auch Bardella selbst, dessen Eltern aus Italien und Algerien stammen. „Als Ihre persönlichen Vorfahren nach Frankreich kamen, sagten Ihre politischen Vorfahren dasselbe wie Sie heute.“

Für Aufruhr sorgte auch Bardellas Ankündigung, Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft dürften nicht mehr bestimmte sensible Aufgaben im Staatsdienst oder staatlichen Unternehmen übernehmen. Den Betroffenen per se mangelnde Vertrauenswürdigkeit zu unterstellen, verletze Millionen Menschen, so Attal.

Auf Bardellas Frage, ob ein Franko-Russe an der Spitze eines Atomkraftwerks stehen könne, brachte der Regierungschef den Namen der Franko-Russin Tamara Volokhova ins Spiel, die die RN-Europaabgeordneten berät und 2022 Reisen nach Russland und in die besetzte Krim organisiert hatte.

Wahlplakat-Poster von Marine le Pen und Jordan Bardella.

© IMAGO/MAXPPP/IMAGO/Alexandre MARCHI

Der französische Inlandsgeheimdienst interessierte sich für sie im Rahmen von Ermittlungen über mögliche versuchte Einflussnahme durch Moskau. Bardella wiegelte ab und überhaupt wolle er nicht die doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen – davon war zuvor die Rede, doch der RN verzichtete nun darauf.

In der Zeitung „Le Monde“ wurde die Debatte als „Duell von Buchhaltern“ bezeichnet, die sich Zahlen und Versprechen um die Ohren geworfen hätten. Sie habe nicht widergespiegelt, welche Weichenstellungen bei dieser Wahl auf dem Spiel stünden.

„Es wird Zeit, dass Sie ihre Umzugskartons packen“, warf Bardella dem Premierminister zum Schluss zu. Ob es dazu kommt, entscheiden die Wähler am 30. Juni und 7. Juli.

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