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Ukraine-Invasion, Tag 1045: Hat Bidens Salami-Taktik eine Eskalation im Ukrainekrieg vermieden?
Selenskyj hofft auf Trumps „Unberechenbarkeit“, Slowakei will ukrainische Geflüchtete schlechter behandeln. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
War Joe Biden zu zögerlich in seiner Unterstützung der Ukraine mit Waffen? Diese Frage wird maßgeblich bestimmen, wie die Amtszeit des scheidenden US-Präsidenten beurteilt wird. Hat sich Biden aus Angst vor einer Eskalation zu sehr von Putins „roten Linien“ abschrecken lassen?
Zwei Experten für Sicherheitspolitik und Kriegsführung sagen: Nein. Nicht nur würden die Kritiker des US-Präsidenten unterschätzen, wie schwierig es ist, mitten in einer Krise die roten Linien und Risikokalkulation eines Feindes einzuschätzen, schreiben Michael Poznansky, Professor am U.S. Naval War College, und William C. Wohlforth, Professor für Politikwissenschaften am Dartmouth College in den USA, im Magazin „Foreign Policy“.
Bidens Team für nationale Sicherheit habe im Gegenteil sogar die von Russland und China oftmals angewandte Salami-Taktik so erfolgreich kopiert, also Putins rote Linien in so kleinen Schritten untergraben, dass größere Vergeltungsmaßnahmen unangemessen gewirkt hätten.
„Die Ironie ist, dass Washingtons Salami-Taktik nun ihrem eigenen Erfolg zum Opfer gefallen ist“, schreiben Poznansky und Wohlforth. Gerade weil es in der Ukraine keine größeren Eskalationen gegeben habe, könnten Bidens Kritiker jetzt argumentieren, dass Biden sein vorsichtiges Vorgehen hätte aufgeben sollen – obwohl dieses wahrscheinlich dazu beigetragen habe, eine Eskalation zu verhindern.
Das Vorgehen der Biden-Regierung habe die Ukraine zwar nicht befähigt, Russland militärisch zu besiegen, schreiben Poznansky und Wohlforth. „Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit, den Erfolg zu messen, die selten diskutiert wird: nämlich die Frage, ob Bidens Team wirksam Putins Versuche vereitelt hat, die Schwellen für eine Eskalation neu zu definieren, die einen gefährlichen Präzedenzfall für die Zukunft geschaffen hätten.“ Schließlich gehe es in diesem Krieg nicht nur um die Ukraine, sondern generell um die Eskalationsstufen zwischen Großmächten, vor allem den USA, Russland und China.
Putin habe mit seinen roten Linien versucht, den Westen davon abzuhalten, die Ukraine zu unterstützen. „Langsam, vorsichtig und mit Umsicht gelang es Biden, diese roten Linien zu untergraben.“
Das ist eine Analyse, die auch Olaf Scholz interessieren dürfte.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Die „Unberechenbarkeit“ des designierten US-Präsidenten Donald Trump könnte aus Sicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einem Ende des Krieges mit Russland beitragen. „Er ist sehr stark und unberechenbar und ich würde mir wirklich wünschen, dass sich die Unberechenbarkeit von Präsident Trump auch auf Russland auswirkt“, sagte Selenskyj in einem am Donnerstag ausgestrahlten Interview mit dem ukrainischen Fernsehen. Mehr dazu im Newsblog.
- Aus Ärger über den Transitstopp der Ukraine für russisches Gas droht die slowakische Regierung mit einer schlechteren Behandlung ukrainischer Flüchtlinge. Er werde in seiner Koalition darüber sprechen, die Unterstützung für Ukrainer in der Slowakei einzuschränken, sagte der linkspopulistische Ministerpräsident Robert Fico in Bratislava.
- Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter befürwortet einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in der Ukraine nach Kriegsende. „Als wirtschaftsstärkstes Land in Europa muss Deutschland bereit sein, einen großen Beitrag zur Friedenssicherung und zur europäischen Sicherheitsarchitektur zu leisten“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
- Als Folge der bewaffneten Aggression Russlands gegen die Ukraine wurden in der Region Donezk bereits mindestens 164 Kulturdenkmäler beschädigt. Dies teilte die staatliche Regionalverwaltung mit.
- Ein russisches Gericht hat angeordnet, dass das russisch-niederländische Unternehmen Yandex Karten und Fotos einer russischen Ölraffinerie verbergen muss. Dies berichtet eine russische Nachrichtenagentur laut dem „ASTRA“-Telegramkanal. Yandex bietet unter anderem eine Suchmaschine und Online-Karte an.
- Die Ukraine will unabhängiger von westlichen Lieferungen werden. Das soll durch selbst hergestellte Waffen gelingen. „The Telegraph“ berichtet nun über den Trembita-Marschflugkörper, der demnach Moskau erreichen kann und womöglich die „billigste Tiefflugmunition der Welt“ sein wird.
- Neue russische Drohnenangriffe haben in der Nacht in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew mindestens ein Todesopfer und mehrere Verletzte gefordert. Unter den Verletzten sei auch ein 16-Jähriger, der mit Schnittwunden ins Krankenhaus eingeliefert worden sei, teilte der amtierende Militärgouverneur des Gebiets Kiew, Mykola Kalaschnyk, auf Telegram mit.
- Wegen der Unterstützung der russischen Armee ist in der Ukraine ein Mann zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wie der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU am Donnerstag erklärte, soll der 36-Jährige aus der südwestlichen Region Tscherniwzi versucht haben, „dem Angreifer die Koordinaten lokaler Lagerhäuser mit Treib- und Schmierstoffen mitzuteilen“, um diese zu Zielen von Luftangriffen zu machen.
Hintergrund & Analyse
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