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Ukraine-Invasion, Tag 1056: Wie Russland verzweifelte Ukrainer in Verräter verwandeln will
Bundesverteidigungsminister Pistorius überraschend zu Besuch in Kiew, Ukraine führt einen der größten Schläge bisher gegen russische Industrieanlagen aus. Der Überblick am Abend.
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Sabotageaktionen sind im Ukraine-Krieg auf beiden Seiten keine Seltenheit. Üblicherweise sind die jeweiligen Geheimdienste dafür mitverantwortlich. Eine Recherche des BBC zeigt nun eine perfide Herangehensweise. Dem britischen Sender hat die Ehefrau eines ukrainischen Kriegsgefangenen erzählt, wie Russland versuchte, sie von Sabotageaktionen zu überzeugen.
Die ukrainische Frau heißt Svitlana. Sie beteuert, dass sie niemals in Erwägung gezogen habe, ihr Land zu verraten. „Mein Ehemann hätte mir das niemals verziehen“, sagt sie. Ihr Mann ist der Militärarzt Dima.
Vor mehr als zwei Jahren habe sie einen Anruf einer ukrainischen Nummer bekommen, es habe sich ein Mann mit russischem Akzent gemeldet. Demnach teilte ihr die Stimme am anderen Ende der Leitung mit, dass ihr Ehemann im Gefängnis besser behandelt werden könnte oder sogar früher entlassen – wenn sie sich gegen die Ukraine stellen würde.
Die Möglichkeiten dazu, die ihr aufgezeigt wurden, seien gewesen: ein Rekrutierungsbüro oder Militärfahrzeug niederzubrennen, eine ukrainische Eisenbahnlinie zu sabotieren oder den Aufenthaltsort von Luftverteidigungsanlagen preiszugeben.
Svitlana machte Screenshots der Nachrichten, die ihr daraufhin gesendet wurden, und meldete den Anruf den ukrainischen Behörden. Der BBC zeigte sie ihre Beweise ebenfalls.
Der Inlandsgeheimdienst der Ukraine (SBU) bat Svitlana demnach, die Russen hinzuhalten, um Ermittlungen anstellen zu können. Dem BBC-Bericht zufolge willigte sie dafür vorgeblich ein, eine lokale Eisenbahnlinie zu sabotieren. Ihr russischer Kontakt soll sie dann instruiert haben, wie sie sich eine Bombe dafür bauen könne. Erst als der SBU genügend Daten gesammelt hatte, sagte sie dem russischen Kontakt ab, heißt es.
Danach, erklärt Svitlana, habe der russische Kontakt begonnen, ihr zu drohen. „Dein Ehemann wird misshandelt – und das ist deine Schuld“, sagte der Russe demnach am Telefon. Ein anderes Mal sei ihr angedroht worden, dass ihr Mann getötet werden könnte.
Vor drei Monaten erst kam Dima schließlich im Zuge eines Gefangenenaustausches frei. Die Drohungen hätten die Russen nicht wahrgemacht, sie sollten Svitlana lediglich unter Druck setzen, erklärt Dima. Die Behandlung der Russen ihm gegenüber habe sich im Laufe der Gefangenschaft nie verschlimmert.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick
- Für einen erfolgreichen Abwehrkampf gegen Russland ist die Ukraine nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius darauf angewiesen, dass Europa und die neue US-Regierung unter Donald Trump weiter eng zusammenarbeiten. Das sagte der SPD-Politiker bei einem vorher nicht angekündigten Besuch in Kiew am Dienstag. Mehr dazu hier.
- Die Chefpropagandistin des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Margarita Simonjan, hat kürzlich in einem Interview über ein mögliches Ende des Ukrainekrieges nach dem Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten Donald Trumps gesprochen. Darin soll die RT-Chefredakteurin die Aufgabe von Moskau beanspruchter Gebiete in der Ukraine vorgeschlagen haben, die noch nicht von russischen Truppen besetzt, aber bereits annektiert wurden. Mehr dazu hier.
- Die Ukraine hat in der Nacht zum Dienstag russische Regionen mit einem großangelegten Drohnen- und Raketen-Einsatz angegriffen. Dabei seien Fabriken in mindestens drei Städten beschädigt worden, teilten Behörden mit. Getroffen worden seien Anlagen des „russischen militärisch-industriellen Komplexes“. Laut der russischen Armee kamen dabei auch von den USA und Großbritannien bereitgestellte Waffen zum Einsatz. Mehr dazu hier.
- Deutschland will sich mit Schiffen am Schutz der Infrastruktur in der Ostsee beteiligen. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte bei einem Ostsee-Gipfel in Helsinki mit Blick auf die wachsende Bedrohung durch die sogenannte russische Schattenflotte an, dass Deutschland bereit sei, „mit seinen eigenen Möglichkeiten“ Verantwortung zu übernehmen. Mehr dazu hier.
- Knapp drei Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine sieht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine neue Dimension der Bedrohung durch Russland. „Putin agiert absolut skrupellos“, sagt Faeser der „Süddeutschen Zeitung“. Die Bedrohung zeige sich in Angriffen auf die Zivilbevölkerung, Cyberangriffen, Desinformationskampagnen und Sabotage. Mehr dazu hier.
- Grüne und FDP dringen auf zusätzliche Mittel für die militärische Unterstützung für die Ukraine. „Ich halte das für notwendig“, sagte Vizekanzler Robert Habeck am Dienstag zum Auftakt einer Klausurtagung des erweiterten Grünen-Fraktionsvorstands in Berlin. FDP-Chef Christian Lindner signalisierte für seine Partei die Bereitschaft, dafür notwendige Beschlüsse im Bundestag mitzutragen. Mehr dazu im Newsblog.
- BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat die übrigen Parteien ermahnt, vor der Bundestagswahl keine weitere Militärhilfe für die Ukraine zu beschließen. „Es ist eine Unverschämtheit, dass Union, Grüne, Teile der SPD und die FDP wenige Tage vor der Bundestagswahl Tatsachen schaffen wollen“, sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht.
- Die russische Armee plant offenbar, die Landversorgungswege in die Städte Pokrowsk und Myrnohrad in der Region Donezk zu unterbrechen. Dies berichtet das Institut für Kriegsstudien (ISW). „Russische Truppen werden wahrscheinlich die ukrainischen Landversorgungswege nach Pokrowsk und Myrnohrad unterbrechen, um die ukrainischen Streitkräfte in den kommenden Monaten zum Rückzug aus diesen Städten zu zwingen“, heißt es in dem Bericht.
- Deutschland und vier große europäische Partner wollen die ukrainische Rüstungsindustrie im Verteidigungskampf gegen Russland stärken. Das sagte Verteidigungsminister Pistorius zum Abschluss eines Treffens mit seinen Kollegen aus Polen, Frankreich, Großbritannien und Italien in einem Vorort der polnischen Hauptstadt Warschau am Montag. Mehr dazu hier.
- Verhandlungen über eine Lösung im Krieg in der Ukraine sollten nur zwischen Russland und den USA geführt werden, wie ein enger Berater von Präsident Wladimir Putin betont. „Ich glaube, dass Verhandlungen über die Ukraine ohne Beteiligung anderer westlicher Länder geführt werden sollten“, sagt Nikolai Patruschew der Zeitung „Komsomolskaja Prawda“.
- Einige der mutmaßlichen Sabotagefälle in der Ostsee könnten nach Einschätzung der litauischen Regierung mit der für Februar geplanten Synchronisation des Stromnetzes der baltischen Staaten mit Westeuropa zu tun haben. Vielleicht solle damit auch gezeigt werden, dass die baltischen Länder energietechnisch anfällig seien, sagte Energieminister Zygimantas Vaiciunas im litauischen Radio.
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