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Ukraine-Invasion, Tag 1083: Auf der Suche nach verschleppten ukrainischen Zivilisten
Nordkorea ist offenbar zurück an der Ukrainefront. Kanzler Scholz rechnet mit einer Fortsetzung der US-Hilfen. Der Überblick am Abend.
Stand:
Seit Kriegsbeginn sind laut Anwälten und Aktivisten Tausende ukrainische Zivilisten von russischen Soldaten verschleppt worden und spurlos verschwunden. Die Angehörigen leben teilweise seit Jahren in quälender Ungewissheit.
Eine Gruppe von Freiwilligen in der Ukraine und Russland versucht, die Verschleppten in Gefängnissen, Straflagern und Folterzellen aufzuspüren und deren Familien zu informieren – ein seltener Fall von russischer und ukrainischer Zusammenarbeit, über den die „Washington Post“ berichtet.
Die Helferinnen und Helfer in Russland – darunter Geistliche, Anwälte und frühere Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden – riskieren viel. Nur wenige tun es für Geld, die meisten wollen einfach helfen. Die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties schätzte die Zahl der Zivilisten, die verschleppt und ohne Verfahren inhaftiert wurden, vergangenes Jahr auf 7000, die ukrainische Regierung geht von doppelt so vielen aus.
Roman (Name geändert), ein Moskauer Anwalt, spricht von der „größten Menschenrechtskrise im modernen Russland“. Eine ehemalige Mitarbeiterin der russischen Strafverfolgungsbehörden sagt, ihr stünden „die Haare zu Berge angesichts der absoluten Gesetzlosigkeit, die in Russland herrscht“.
Die Entführung von Zivilisten werde gezielt als Mittel des „Terrors“ eingesetzt. „Die Menschen sind so verängstigt, wenn ihre Angehörigen verschwinden und nicht klar ist, wo sie sind oder wann sie zurückkommen.“
Einer der Ukrainer, die spurlos verschwanden, ist der Mann von Nadeschda Jewdokimowa. Vor drei Jahren wurde Wlad bei einer Kontrolle im Nordosten der Ukraine von russischen Soldaten aus dem Auto gezerrt und mitgenommen. Nach Monaten, in denen sie nicht wusste, ob ihr Mann tot oder lebendig war, erhielt sie einen Anruf von einer unbekannten russischen Nummer.
Wlad werde in einem Gefängnis in Russland festgehalten, sagte der Unbekannte. Später stellte sich heraus, dass der Anrufer ein Mitarbeiter der Haftanstalt war, in der ihr Mann festgehalten wurde. Eine Gegenleistung habe er nie verlangt, erzählt Jewdokimowa. „Er wollte mir einfach helfen.“
Vor zwei Monaten erhielt sie dann einen weiteren unerwarteten Anruf. Diesmal von einem freigelassenen ukrainischen Kriegsgefangenen, der sich mit ihrem Mann eine Zelle in einer anderen Strafkolonie geteilt hatte. Wlad sei noch am Leben, sagte er – aber er habe durch mehrfache Folter alle Zähne verloren.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick
- Mehrere Wochen lang wurde die nordkoreanische Armee nicht mehr gesehen. Doch nachdem zwischenzeitlich ein Rückzug vermutet wurde, werden nun offenbar erneut Truppen aus Pjöngjang im Ukrainekrieg eingesetzt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte auf der Plattform X, die russische Armee habe die nordkoreanischen Einheiten nach Kursk zurückgeholt. Mehr hier.
- Kanzler Olaf Scholz rechnet damit, dass die neue US-Regierung an der militärischen Hilfe für die Ukraine festhalten wird. „Ich gehe davon aus, dass es dieses klare Signal auch geben wird, weil es notwendig ist, damit der russische Präsident einsieht, dass er jetzt nicht darauf setzen kann, dass die Unterstützung der Freunde der Ukraine nachlassen wird“, sagte Scholz. Mehr in unserem Newsblog.
- Russland hat die Signale der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump für eine Gesprächsbereitschaft über ein Ende des Ukrainekriegs begrüßt. Die Regierung in Moskau sei bereit für einen Dialog „auf Augenhöhe“, sagt Vize-Außenminister Sergej Rjabkow. Ultimaten an Russland wären allerdings zum Scheitern verurteilt.
- Der chinesische Staatschef Xi Jinping wird am 9. Mai Moskau besuchen, um den 80. Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg zu feiern. Das sagte der russische Botschafter in China, Igor Morgulow, laut der Nachrichtenagentur Interfax-Russland.
- Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will sich im Fall seiner Wahl zum Bundeskanzler bei der militärischen Unterstützung der Ukraine eng mit den Verbündeten Großbritannien, Frankreich und Polen abstimmen. Das gilt nach seiner Darstellung auch für die Lieferung von Waffensystemen wie dem Marschflugkörper Taurus.
- Lettland wird der Ukraine weitere Militärhilfe für den Abwehrkampf gegen Russlands Angriffskrieg leisten. Das baltische EU- und Nato-Land hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Riga Transport-Radpanzer bestellt, die in diesem Jahr an die ukrainischen Streitkräfte geliefert werden sollen.
- Russland hat die Ukraine erneut massiv aus der Luft angegriffen. Durch den Einschlag einer Gleitbombe in der Stadt Kramatorsk im ostukrainischen Gebiet Donezk ist nach Behördenangaben ein Mensch ums Leben gekommen, neun weitere wurden verletzt.
- Russland hat seine weiteren Pläne an der Donezk-Front umrissen. Nach Angaben des Armeevertreters Dmytro Zaporozhets bleibt die vorrangige Aufgabe der russischen Armee die Einnahme der Stadt Tschassiw Jar. Dies hat für den Kreml sowohl militärische als auch politische Bedeutung.
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