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Auch unter russischen Soldaten gibt es solche, die lieber weiterkämpfen wollen.

© Imago/Itar-Tass/Alexander Reka

Ukraine-Invasion, Tag 1115: Russische Ultranationalisten und ihr Widerstand gegen einen möglichen Frieden

G7-Außenminister sichern Ukraine weiter Unterstützung zu. Russland manipuliert westliche Chatbots. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Mit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident gibt es Tauwetter zwischen den USA und Russland. Erst am Donnerstag lobte Wladimir Putin die US-Initiative für eine Waffenruhe in der Ukraine – freilich nur, um auf Zeit zu spielen und Forderungen zu stellen. Eine tatsächliche politische Annäherung oder gar ein Frieden in der Ukraine könnte nämlich innenpolitisch gefährlich sein für Putin. So analysiert es die „Washington Post“. 

Denn Ultranationalisten haben im Verlauf der vergangenen Jahre erheblich an Einfluss in Russland gewonnen. „Putin muss diesen lautstarken (und gut bewaffneten) Teil der Gesellschaft genau im Auge behalten“, schreibt die „Washington Post“. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem ehemalige Soldaten, die vom Krieg finanziell profitieren oder einen höheren sozialen Status erlangten. 

Dass in den vergangenen Tagen auch von einem Waffenstillstand die Rede war, führt dem Bericht zufolge zu großer Verärgerung bei Ultranationalisten. Militärblogger und einflussreiche Nationalisten bezeichnen den vorgeschlagenen Waffenstillstand als „einen Versuch, Russland den Sieg zu stehlen“, schrieb der kremlfreundliche Politikanalyst Sergei Markov. Dmitri Rogosin, ein nationalistischer Politiker, der heute Senator der annektierten Region Saporischschja in der Südukraine ist und früher Russland bei der Nato vertrat, sagte, diejenigen, die Trump feiern, seien „entweder dumm oder Agenten ausländischer Geheimdienste“. Er behauptete, Amerika wolle lediglich russische Ressourcen stehlen.

Auch aus der russisch-orthodoxen Kirche komme Widerstand gegen eine Waffenruhe. Die Invasion sehe man dort als „Teil eines „zivilisatorischen“ und „spirituellen“ Krieges gegen einen dekadenten und satanischen Westen“, schreibt die „Washington Post“. So schrieb Boris Korchevnikov, Moderator von Spas, einem religiösen Kanal, auf Telegram: „Für die Amerikaner ist es ein Deal. Für uns ist es ein Krieg und ein Opfer für die Zukunft Russlands.“

Und dann sind da schließlich noch Soldaten, die weiterkämpfen wollen. So wird der Kommandeur einer Aufklärungseinheit so zitiert: „Für uns geht es nur um Sieg, Sieg, Sieg. Wir werden diese Marionette Selenskyj hinwegfegen, wir werden Kiew befreien, wir werden Odessa erreichen und wir werden unsere Heimat befreien.“ Natürlich würde man jedem Befehl Putins folgen, doch „wenn wir diesem Abschaum jetzt nicht endgültig ein Ende setzen, werden unsere Kinder den Krieg erben“.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • US-Präsident Donald Trump hat nach eigenen Angaben Kremlchef Wladimir Putin um Milde für angeblich eingekesselte ukrainische Soldaten im russischen Gebiet Kursk gebeten. „Genau in diesem Moment sind Tausende ukrainische Soldaten durch das russische Militär eingekreist und sind in einer sehr schlechten und verletzlichen Lage“, schrieb Trump auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social. (Mehr dazu hier)
  • Die Außenminister der G7-Staaten haben ihre „unerschütterliche Unterstützung“ für die „territoriale Integrität“ der Ukraine zugesichert. Das geht aus der gemeinsamen Abschlusserklärung vom Freitag nach deren Treffen in Charlevoix in Kanada hervor. (Mehr dazu hier)
  • Für seine weltweiten Desinformationskampagnen manipuliert Russland nach den Erkenntnissen von Wissenschaftlern auch westliche Chatbots. Mehr als ein Drittel der Antworten von KI-Dialog-Assistenten wie ChatGPT enthielten pro-russische Fake News, wie eine Studie der Organisation NewsGuard ergab. (Mehr dazu hier)
  • Ein russischer Rechtsextremist ist in Finnland wegen in der Ukraine begangener Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Amtsgericht der finnischen Hauptstadt Helsinki sah es als erwiesen an, dass der Mann als Mitglied und stellvertretender Kommandeur der Nationalistenmiliz Rusitsch bei Kämpfen in der Ostukraine im Jahr 2014 an vier verschiedenen Kriegsverbrechen gegen ukrainische Soldaten beteiligt gewesen war. Ein fünfter Anklagepunkt wurde fallengelassen. (Mehr dazu hier)
  • Nach der zurückhaltenden Reaktion aus Moskau auf den US-Vorschlag für eine Waffenruhe in der Ukraine hat die Bundesregierung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine „Verzögerungstaktik“ vorgeworfen. „Man kann bestenfalls von einer Verzögerungstaktik in Bezug auf einen Waffenstillstand sprechen, wenn man ein entsprechendes Angebot mit derartigen Konditionen und Kautelen hinterlegt“, sagte eine Sprecherin des Auwärtigen Amts am Freitag in Berlin. (Mehr dazu hier)
  • Nachdem Ungarn die Aufhebung von EU-Sanktionen gegen mehrere Russen erzwungen hat, dringt Estland auf eine Aussetzung des Stimmrechts des Landes in der EU. „Ungarn arbeitet systematisch gegen die gemeinsamen Sicherheitsinteressen Europas, und deshalb müssen wir rasch konkrete Schritte unternehmen“, sagte Außenminister Margus Tsahkna in Tallinn. (Mehr dazu hier)
  • Union, SPD und Grüne haben sich in ihren Finanzverhandlungen auch darauf verständigt, die Ukraine-Hilfe um drei Milliarden Euro aufzustocken. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte nach der Einigung, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich zur Freigabe der Mittel bereiterklärt habe, sobald das Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur beschlossen ist. (Mehr im Liveblog)
  • Die Ukraine hat nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes SBU in der Nacht zum Freitag Energieanlagen und ein Raketenlager in Russland angegriffen. Bei den Drohnenangriffen seien zwei Gasverdichtungsanlagen in den westrussischen Regionen Tambow und Saratow getroffen worden, teilte der SBU am Freitag mit. 
  • Schweden verstärkt die ukrainische Artillerie durch die Lieferung von 18 mobilen Archer-Artilleriesystemen und fünf Arthur-Radarsystemen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die ukrainische Armee bei der Bekämpfung der russischen Streitkräfte mit Geschützen zu unterstützen. 
  • Russland hat die angebliche Militarisierung der arktischen Inselgruppe Spitzbergen durch Norwegen kritisiert. Obwohl vertraglich allein die friedliche Nutzung des Archipels erlaubt sei, „gerät Spitzbergen in immer größerem Ausmaß in den Orbit der militärisch-politischen Planungen Norwegens unter Einbeziehung der USA und der Nato“, heißt es in einer Mitteilung des russischen Außenministeriums. 
  • Trotz scharfer Kritik von Bauernverbänden haben sich die EU-Mitgliedsländer für Zölle auf Düngemittel aus Russland und Belarus ausgesprochen. Die Vertreterinnen und Vertreter der 27 Staaten stimmten am Freitag in Brüssel mehrheitlich für einen Vorschlag der EU-Kommission, Strafzölle auf Stickstoff-basierte Düngemittel und weitere Agrarprodukte zu erheben. Das Europaparlament muss nun seinerseits über die Aufschläge beraten.

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