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Ukraine-Invasion, Tag 1245: Alle reden von Patriots – doch was hilft gegen die russischen Drohnenschwärme?
Delegationen aus der Ukraine und Russland wollen sich am Mittwoch treffen, Pistorius ist zur Lieferung von zwei Patriot-Systemen bereit – unter einer Bedingung. Der Überblick.
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Seit Wochen ist die Rede von Luftabwehrsystemen des Typs Patriot, die die Ukraine dringend von ihren westlichen Verbündeten benötigt. Sollte Kiew tatsächlich mehrere erhalten, könnte das ein Gamechanger in der Verteidigung von russischen Raketenangriffen sein. Ein anderes akutes Problem würden die Patriots allerdings nicht lösen: das der Drohnenangriffe. Und das wird immer größer.
Einem Bericht der „Financial Times“ zufolge trifft Russland mit seiner „Schwarmtaktik“ dreimal so viele Ziele wie in den Monaten zuvor. Die Massenattacken mit den iranischen Shahed-Drohnen durchdrangen zwischen April und Juni die ukrainische Luftverteidigung demnach in 15 Prozent der Fälle – der höchste Wert seit Beginn des Kriegs.
Das liegt nicht nur an der stark steigenden Anzahl an Drohnen pro Angriff, sondern auch daran, wie diese konstruiert sind. Seit Russland die Shahed-Drohnen selbst produziert, leicht modifiziert hat und „Geran“ nennt, fliegen sie schneller und höher. Sie bewegen sich so außerhalb der Reichweite der Gewehre und Kanonen, die die Ukrainer zur Verteidigung einsetzen.
„Das Problem ist nicht, dass die ukrainische Luftverteidigung schlechter wird“, sagt Yasir Atalan, der am Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington arbeitet. Schließlich ist die Zahl der, unter anderem mit den vorhandenen Patriot-Systemen, abgewehrten Raketenangriffen nicht gestiegen. Die russischen Drohnen seien aus den genannten Gründen schlicht effektiver geworden.
„Statt landesweit mit 500 Drohnen anzugreifen wie vorher, attackiert Russland jetzt nur noch ein, zwei Städte zeitgleich“, sagt der ukrainische Drohnenexperte Oleksandr Matviienko. Was aus seiner Sicht notwendig wäre, um die russischen Drohnen effektiv abfangen zu können: dass ukrainische Drohnen – wie geplant – mehr als sechs Kilometer hoch und 200 Kilometer pro Stunde schnell fliegen. Das würde zumindest das akute Problem bei der Luftverteidigung kleiner werden lassen.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Die Ukraine und Russland wollen ihre direkten Gespräche nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an diesem Mittwoch in Istanbul wieder aufnehmen. Allerdings werde es dabei nicht um eine Waffenruhe oder ein Ende des Kriegs gehen, sagte Selenskyj bei einem Treffen mit ukrainischen Diplomaten. Mehr dazu hier.
- Russland hat die Erwartungen an das für Mittwoch geplante Treffen von Vertretern Moskaus und Kiews gedämpft. „Es gibt keinen Grund, auf wundersame Durchbrüche zu hoffen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Russland werde bei den Gesprächen seine „Interessen verteidigen“, um seine von Anfang an gesetzten Ziele zu erreichen.
- Deutschland ist laut Verteidigungsminister Boris Pistorius bereit zur Lieferung von zwei Patriot-Flugabwehrsystemen an die Ukraine. Voraussetzung sei aber, dass sie schnell wieder ersetzt würden, sagte der SPD-Politiker am Dienstag im bayerischen Erding. Hintergrund sei die Sicherstellung der Einsatz- und Ausbildungsfähigkeit der Bundeswehr. Mehr dazu im Newsblog.
- Ein ukrainischer Offizier berichtet von der Front, dass russische Soldaten nahe Pokrowsk im Osten der Ukraine eher „einfachen Wanderern“ ähneln sollen – mitunter ohne Helm und lediglich mit Schutzweste bekleidet. Das sagte er in einem Interview mit dem Militärsender „Army TV“. Mehr dazu hier.
- Der deutsche Generalmajor Christian Freuding setzt angesichts der massiven Drohnenangriffe Russlands auf mehr Effizienz in der Luftverteidigung der Ukraine. Sein neuestes Video sorgt für Aufregung in Kiew. Mehr dazu hier.
- Russland hat die Liste der mit Einreiseverboten belegten EU-Vertreter ausgeweitet und damit nach eigenen Angaben auf neue Sanktionen der Europäischen Union reagiert. Die „Liste ist erheblich verlängert“ worden, teilt das Außenministerium in Moskau auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Wen die neuen Einreiseverbote betreffen, wird dort nicht erläutert.
- Bei erneut schweren russischen Angriffen aus der Luft ist in der Ukraine in der Nacht ein Kind ums Leben gekommen. Der zehnjährige Junge sei durch den Einschlag von gelenkten Gleitbomben in einem Wohnhaus in Kramatorsk getötet worden, schrieb der Bürgermeister der Großstadt im Gebiet Donezk, Olexander Hontscharenko, auf Facebook. Fünf weitere Personen wurden demnach verletzt.
- Die Ukraine benötigt nach Angaben ihres Verteidigungsministers Denys Schmyhal im kommenden Jahr mindestens 120 Milliarden Dollar für Verteidigungsausgaben. Mit Nato- und EU-Mitgliedern werde über Finanzhilfen von Partnern in Höhe von 60 Milliarden Dollar verhandelt, teilte Schmyhal auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.
- Mitarbeiter des russischen Innenministeriums und des Inlandsgeheimdienstes FSB haben den Vizegouverneur der Grenzregion Brjansk, Nikolaj Simonenko, wegen Betrugsvorwürfen festgenommen. Er soll der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge mit Komplizen fast neun Millionen Euro beim Bau von Befestigungsanlagen an der Grenze zur Ukraine veruntreut haben.
- Ukrainische Truppen haben offenbar in der Nacht zum Dienstag das petrochemische Chemiewerk Nowokuibyschewsk in der Region Samara mit Drohnen angegriffen. Das bestätigte der Leiter des ukrainischen Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation, Andrij Kowalenko, der ukrainischen Nachrichtenseite „Focus“.
- Der neue Oberbefehlshaber der ukrainischen Landstreitkräfte, Hennadij Schapowalow, hat Modernisierungen bei seinen Bodentruppen angekündigt. Wie der Brigadegeneral am Dienstag erklärte, wolle er künftig auf neue Schwerpunkt setzen. Dazu gehört eine moderne Gefechtsausbildung, die weitere Digitalisierung der Truppenkommunikation und der Ausbau von Drohnentechnologie.
- Papst Leo XIV. soll am Samstag den Außenamtsleiter der russisch-orthodoxen Kirche im Vatikan empfangen. Über den anstehenden Besuch von Metropolit Antonij berichten verschiedene italienische Medien am Dienstag. Anfang Juni hatte Leo XIV. bereits mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert. Laut Vatikan forderte der Papst dabei Engagement für Dialog und eine Lösung des Konflikts.
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