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Ukraine-Invasion, Tag 1296: Wie der Krieg in der Ukraine die russische Comedian-Szene verändert hat
Auswärtiges Amt bestellt russischen Botschafter ein. Tusk weist Einschätzung Trumps zum Drohnen-Vorfall zurück. Der Nachrichtenüberblick.
Stand:
Vor dem Krieg gegen die Ukraine war Stand-up-Comedy ein provokantes und beliebtes Genre in Russland. Doch inzwischen haben die mit dem Krieg einhergehenden Repressionen die Kunstform „fast vollständig erstickt“, schreibt die „Washington Post“, die sich in Moskaus Nachtleben umgeschaut hat (Quelle hier).
Einige Künstler hätten das Land verlassen, andere machten weiter – immer mit der Angst, viral zu gehen und denunziert zu werden, heißt es in dem Bericht. Politischer Humor sei tabu; Comedians und Publikum seien sich bewusst, dass ein falscher Witz sie ins Gefängnis bringen könne. Also hielten sich die Übriggebliebenen weitgehend an harmlose, familienfreundliche Witze.
Ein Komiker, mit dem die Reporter sprachen, sagte: „Jetzt sind die Leute einfach angespannter, wenn sie Witze über Politik hören. Denn sie haben das Gefühl: ‚Bekomme ich Ärger, wenn ich darauf reagiere?‘“ Ein anderer sagte: „Ich möchte nicht wegen eines Witzes ins Gefängnis kommen. Aber gleichzeitig fragt man sich: ‚Warum zum Teufel sollte ich wegen eines Witzes ins Gefängnis kommen?‘“
Dass dies durchaus geschieht, zeigt der Fall des Komikers Artemy Ostanin. Er wurde im März verhaftet, nachdem er einen Witz über einen Mann ohne Beine gemacht hatte, der auf einem Skateboard durch die Moskauer U-Bahn sauste. Militärblogger hatten ihn daraufhin wegen Beleidigung von Veteranen des Ukrainekriegs kritisiert – obwohl er den Krieg nicht erwähnt hatte und dies bestreitet. Doch Ostanin kam in Haft und muss wegen mutmaßlicher Aufstachelung zum Hass mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren rechnen.
„Man muss jetzt 20-mal darüber nachdenken, wie ein Witz aufgenommen werden könnte und ob er die Mühe wert ist“, sagte einer der Komiker, die die „Washington Post“ in einem Moskauer Club traf. „Heutzutage beurteilt das Publikum nicht, wie lustig ein Witz ist“, warf sein Co-Moderator ein. „Es beurteilt, wie viel Ärger der Komiker bekommt, nachdem er ihn erzählt hat.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Als Reaktion auf den russischen Drohnen-Vorfall in Polen hat das Auswärtige Amt den russischen Botschafter, Sergej Netschajew, einbestellt. Das Agieren des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei „gefährlich“ und „inakzeptabel“, teilte das Ministerium auf X zur Begründung mit. Mehr hier. Zuvor hatte bereits Frankreich den dortigen russischen Botschafter einbestellt.
- Jüngste Funde von Wrackteilen in der Ukraine legen nahe, dass Russlands Militär Drohnen des Typs Geran-2 serienmäßig mit weitreichenden Modems und Kameras ausstattet. Das geht aus einem Bericht des ukrainischen Verteidigungsmagazins „Defence Express“ hervor. Mehr hier.
- Polens Regierungschef Donald Tusk hat die Einschätzung von US-Präsident Donald Trump zu einem möglichen Versehen beim Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum zurückgewiesen. „Wir würden uns auch wünschen, dass der Drohnenangriff auf Polen ein Fehler war“, schrieb Tusk auf X. „Aber das war er nicht. Und das wissen wir.“ Mehr in unserem Newsblog.
- US-Präsident Donald Trump verliert im Ukraine-Konflikt nach eigenen Worten allmählich die Geduld mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Sie neigt sich dem Ende zu, und zwar schnell“, sagte Trump in einem Interview des Fernsehsenders Fox News. „Wir werden sehr, sehr stark vorgehen müssen“, fügte er hinzu.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat China mangelndes Interesse an einem Frieden in der Ukraine vorgeworfen. „Sicherlich hat China die Möglichkeit, die Russen dazu zu bringen, mit dem Töten aufzuhören. Jedoch hat die Welt keine Bestrebungen Chinas gesehen, das bezüglich Russlands umzusetzen“, sagte der Staatschef bei einem Auftritt in Kiew.
- Bei russischen Angriffen sind nach ukrainischen Angaben drei Menschen in der Grenzregion Sumy getötet worden. Fünf Personen seien außerdem verletzt worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets, Oleh Hryhorow, bei Telegram. Russland setzte demnach Drohnen und Raketen ein.
- Russland führt nach Angaben des Kreml derzeit keine Gespräche mit der Ukraine. Trotz weiterhin existierender Kommunikationskanäle sei es zu einer „Pause“ in den Gesprächen gekommen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag bei einer Pressekonferenz in Moskau.
- Die Europäische Union hat sich angesichts des fortdauernden Kriegs auf die Verlängerung von Sanktionen gegen mehr als 2500 Russen und russische Organisationen geeinigt. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, verständigten sich die Vertreter der 27 EU-Länder am Freitag auf die alle sechs Monate fällig werdende Verlängerung der Maßnahmen.
- Die Regierung in Kopenhagen plant den Kauf von Luftabwehrsystemen aus europäischer Produktion für umgerechnet rund 7,8 Milliarden Euro (58 Milliarden dänische Kronen) und damit den größten Waffenkauf seiner Geschichte. „Es bestehe kein Zweifel, dass die Sicherheitslage schwierig ist“, sagte Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen.
- Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha hat seinen polnischen Amtskollegen Radoslaw Sikorski zu einem Besuch in Kiew empfangen. Bei den Gesprächen soll es um die gemeinsame Sicherheit, den Beitritt der Ukraine zur EU und ihre Nato-Ambitionen sowie den Druck auf Russland gehen.
- Nach einem Drohnenangriff auf den russischen Öl-Verladehafen Primorsk an der Ostsee sind örtlichen Angaben zufolge ein Schiff und eine Pumpstation in Brand geraten. Das Feuer auf dem Schiff sei inzwischen gelöscht, sagt der Gouverneur der Region Leningrad, Alexander Drosdenko.
- Prinz Harry ist überraschend zu einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Das berichtete die britische Tageszeitung „The Guardian“. Demnach wurde Harry (40) gemeinsam mit einem Team seiner Initiative Invictus Games von der ukrainischen Regierung eingeladen.
- Russland hat in der Nacht zum Freitag nach eigenen Angaben 221 ukrainische Drohnen abgefangen. In den russischen Regionen Briansk, Smolensk und Leningrad seien die Drohnen von Abwehrsystemen der russischen Streitkräfte „abgefangen und zerstört“ worden, erklärte das Verteidigungsministerium auf Telegram.
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