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Ukrainische Langstreckendrohnen des Typs An-196 Ljutyj stehen vor dem Start in einer Reihe an einem ungenannten Ort in der Ukraine.

© dpa/Evgeniy Maloletka

Ukraine-Invasion, Tag 1310: Wie die Ukraine die russische Kriegsmaschinerie aushungern will

Europäische Diplomaten drohten mit Abschuss von russischen Kampfjets, Selenskyj droht mit Angriff auf Moskau, Dänemark nimmt Russlands Schattenflotte ins Visier. Der Überblick am Abend.

Stand:

Am Dienstag hat mein Kollege Christopher Stolz an dieser Stelle über die massiven Angriffe der Ukraine auf russische Ölraffinerien berichtet. In einer Analyse beschreibt die Journalistin Anne Applebaum diese als Teil einer umfassenden Strategie der Ukraine, „die russische Kriegsmaschinerie auszuhungern”.

Drohnen gegen Ziele tief in Russland einzusetzen, sei kein neuer Plan. Ein ukrainischer Offizier, der die Bombardierungen in Russland mitkoordiniert, erzählte Applebaum, dass sporadische Versuche bereits kurz nach Beginn der russischen Invasion begonnen hätten – inspiriert unter anderem durch gespendete US-Langstreckendrohnen. Nun flögen die ukrainischen Drohneneinheiten jede Nacht mehrere Dutzend Angriffe gegen Ziele in Russland.

„In letzter Zeit treffen [die Ukrainer] so viele militärische Objekte, Raffinerien und Pipelines, dass einige glauben, sie könnten genug Schaden anrichten, um die Russen zur Beendigung des Krieges zu zwingen“, schreibt Applebaum, die im vergangenen Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde.

Das ukrainische Militär habe sich genau überlegt, welche Ziele priorisiert werden sollen. Der ukrainische Offizier erzählte Applebaum, dass seine Kollegen schon früh im Krieg erkannt hätten, dass die Regierung in Moskau sich durch den Tod seiner Soldaten nicht abschrecken lässt. „Russland kann extrem hohe Verluste an Menschenleben verkraften. Das Leben der Menschen ist ihnen egal.“

Allerdings „ist es für sie schmerzhaft, Geld zu verlieren.“ Die Russen bräuchten Geld, um ihre Oligarchie zu finanzieren und ihre Soldaten zu bezahlen. „Also müssen wir natürlich die Geldmittel reduzieren, die ihnen zur Verfügung stehen“, habe der Offizier gesagt. So sei die Ölindustrie zum wichtigsten Ziel der Ukrainer geworden.

Laut Applebaum unterstützen die Europäer die Strategie der Ukraine stillschweigend. Allein Deutschland wird in diesem und im nächsten Jahr 10,5 Milliarden US-Dollar in die Unterstützung der Ukraine investieren, wobei ein großer Teil davon in die Drohnenproduktion fließen wird. Auch die Maßnahmen gegen die russische Schattenflotte zielten auf diese Strategie ab.

Applebaums Fazit lautet: „Solange es keine amerikanische Politik gibt, die mehr als nur leere Worte zu bieten hat, werden die Ukrainer mit Unterstützung Europas ihre eigene Lösung verfolgen.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • In Moskau soll es vergangene Woche zu einem Treffen europäischer Diplomaten mit hochrangigen russischen Kommandeuren gekommen sein. Dabei sollen die europäischen Diplomaten Moskau gewarnt haben, dass „die Nato bereit sei, auf weitere Verletzungen ihres Luftraums mit aller Härte zu reagieren, einschließlich des Abschusses russischer Flugzeuge.“ Das berichtet „Bloomberg“. Mehr hier.
  • Aus Sicht der Politikwissenschaftlerin Ulrike Franke ist die Bundesrepublik gegen Angriffe von Drohnen nicht gut genug aufgestellt. Dies gelte selbst für die kritische Infrastruktur wie Flughäfen. Mehr hier.
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow deutete am Donnerstag an, dass sich sein Land wegen der Ukraine bereits im „Krieg“ mit der Nato und der Europäischen Union befindet. Das berichtete die US-amerikanische Tageszeitung „Politico“. Mehr hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will nach dem Ende des Krieges mit Russland aus dem Amt scheiden. „Wenn wir den Krieg mit den Russen beenden, ja, dann bin ich bereit, nicht anzutreten, denn Wahlen sind nicht mein Ziel“, sagte Selenskyj der Nachrichten-Website „Axios“. Mehr hier.
  • Moskau hat eine Drohung des ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Luftangriffen auf den Kreml als „unverantwortlich“ zurückgewiesen. Der ukrainische Präsident stoße im Zuge seiner „verzweifelten Bemühungen“ ständig Drohungen aus, „was ziemlich unverantwortlich ist“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag. Mehr hier.
  • In seinem Krieg gegen die Ukraine setzt Russland nach Angaben aus Kiew vermehrt eine neue Strategie mit vielen Angriffen sehr kleiner Kampftrupps ein. „Seit Anfang Sommer hat sich die Taktik des Feindes verändert“, sagte der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrsky. Mehr im Newsblog.
  • Die Ukraine setzt ihre systematischen Attacken auf die russische Ölindustrie fort und hat eine Raffinerie im Süden mit Drohnen angegriffen. Die russischen Behörden der Region Krasnodar teilten mit, dass in der Raffinerie von Afipski ein kleiner Brand ausgebrochen sei. 
  • Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ist erneut die Sicherheit eines Atomkraftwerks in der Ukraine durch zahlreiche Drohnen gefährdet worden. „Wieder einmal fliegen Drohnen viel zu nah an Kernkraftwerken vorbei und gefährden damit die nukleare Sicherheit“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi einer Mitteilung zufolge. 
  • Polens Parlamentspräsident Szymon Holownia hat bei einem Besuch von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner in Warschau die Gründung eines deutsch-polnischen Verteidigungsfonds vorgeschlagen. Holownia verband dies mit der polnischen Forderung nach Reparationen, „die wir erwarten und auf die wir ein Recht haben“.
  • Belarus schlägt den Bau eines neuen Atomkraftwerks im Osten des Landes vor, das Strom auch in die von Russland kontrollierten Teile der Ukraine liefern könnte. Präsident Alexander Lukaschenko unterbreitet den Vorschlag bei Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. 

Hintergrund und Analyse

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