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Ukraine-Invasion, Tag 1315: Eine Initiative beschafft stillschweigend Munition für Kiew – jetzt droht das Aus
Kreml warnt Europa vor Verwendung russischer Vermögen für Ukraine-Kredit, Berliner Start-up entwickelt unbemannte Boote zum Schutz für Unterseekabel in der Ostsee. Der Überblick am Abend.
Stand:
Bei den Wahlen in Tschechien diese Woche geht es nicht nur um die Zukunft des Landes. Auf dem Spiel steht auch ein wenig bekanntes Programm, das weltweit Munition für die ukrainischen Streitkräfte beschafft.
Die „New York Times“ schreibt, dass dem Programm seine Undurchsichtigkeit zum Verhängnis werden könnte. Denn derzeit sehen Umfragen die populistische Oppositionspartei Ano vorne – und deren Führung hat angekündigt, das Programm entweder zu beenden oder an die Nato abzugeben, um sich um die schwächelnde Wirtschaft zu kümmern. Ano-Politiker haben das Programm kritisiert, da es angeblich überteuert sei und auf undurchsichtigen Geschäften beruhe.
Beamte und Experten sagten der „NYT“, dass das Munitionsprogramm durch Milliardenspenden anderer Nato-Staaten finanziert würde und die tschechischen Steuerzahler relativ wenig kostet. Befürworter des Programms werfen Ano vor, die Erschöpfung der Tschechen mit dem Ukrainekrieg für den Wahlkampf auszunutzen.
Die tschechische Munitionsinitiative entstand laut „NYT“ Anfang 2024, als der Ukraine insbesondere die großkalibrige Artillerie ausging und die Militärhilfe der USA im Kongress blockiert wurde. Durch seine Vergangenheit als sowjetischer Satellitenstaat hätten Tschechien und seine Rüstungsfirmen aber gute Verbindungen zu russischen Verbündeten gepflegt, so die „NYT“. Diskret habe man sich erkundigt, ob diese daran interessiert wären, Munition für die Ukraine zu verkaufen.
Und das waren sie – unter der Bedingung, dass die tschechische Regierung dafür sorgte, dass die Länder niemals identifiziert würden, um ihnen den Zorn Russlands zu ersparen.
Seitdem hätten Nato-Staaten genug Geld gegeben, um 2,5 Millionen Schuss Munition zu kaufen, sagte Ales Vytecka, ein hochrangiger Beamter im tschechischen Verteidigungsministerium, der „NYT“ – ausschließlich von Nicht-Nato-Staaten. Abgewickelt würden die Einkäufe über tschechische Rüstungsunternehmen mit guten Kontakten zu internationalen Waffenhändlern.
Könnte die Nato das Programm im Fall eines Ano-Wahlsiegs gemeinschaftlich weiterführen? Vytecka hat Zweifel: „Die Sensibilität, mit der wir dies tun, der Mechanismus, der das Land im Verborgenen hält – das ist der springende Punkt.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Der Kreml hat die europäischen Staaten vor der Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte gewarnt und mit Konsequenzen gedroht. Russland werde jede beteiligte Person und jedes Land zur Rechenschaft ziehen, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitrij Peskow, am Mittwoch. Mehr hier.
- Estlands Regierungschef Kristen Michal hat das Eindringen russischer Drohnen und Militärflugzeuge in den Luftraum von Nato-Staaten als Ablenkungsmanöver bezeichnet. Der russische Präsident Wladimir Putin wolle, dass die EU-Staaten sich mit sich selbst beschäftigten und nicht mit der weiteren Unterstützung der Ukraine, sagte Michal. Mehr hier.
- In dem seit mehr als einer Woche vom Stromnetz getrennten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja besteht nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) derzeit keine unmittelbare Gefahr. Mit Dieselkraftstoff betriebene Notstromgeneratoren hielten das von russischen Truppen kontrollierte AKW derzeit am Laufen, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi in einer in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten Mitteilung. Mehr hier.
- Angesichts von Ukraine-Krieg, Drohnenalarm und Luftraumverletzungen durch Russland sieht Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen Ähnlichkeiten zur Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Außerdem mahnte Frederiksen eine „starke Antwort“ auf Russlands „hybriden Krieg“ an. Mehr im Newsblog.
- In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat der französische Präsident Emmanuel Macron über die in seinen Augen unterschätzte Gefährdung aus Moskau gesprochen. Neben dem Terrorismus sei Russland „die größte strukturelle Bedrohung für die Europäer“.
- Die französische Justiz hat Ermittlungen zu einem Öltanker eingeleitet, der zur russischen Schattenflotte zählt und als Startplattform für die über Dänemark gesichteten Drohnen gedient haben könnte. Es werde wegen eines „fehlenden Nachweises der Nationalität“ und der „Weigerung, einer Anweisung zu folgen“ ermittelt, sagte der Staatsanwalt von Brest, Stéphane Kellenberger, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP.
- EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Auszahlung einer Milliardensumme für den Bau von Drohnen in der Ukraine angekündigt. Man stelle heute vier Milliarden Euro bereit, sagte sie bei einem informellen EU-Gipfeltreffen in Kopenhagen. Zwei Milliarden Euro davon sollen in unbemannte Flugkörper investiert werden.
- Staaten im Osten und Norden der EU drängen auf eine deutlich schnellere Aufrüstung in Europa. Papiere verteidigten Europa nicht, sagte Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda am Rande eines informellen EU-Gipfels in Kopenhagen.
- Die russischen Streitkräfte sollen im vergangenen September insgesamt 259 Quadratkilometer ukrainisches Territorium erobert haben. Das geht aus einem Bericht des Analyse-Projekts „DeepState“ hervor.
- Die russische Armee will sich in nächster Zeit offenbar vor allem auf die zwei Frontabschnitte Pokrowsk und Dobropillja konzentrieren. Das berichtete der Generalstabschef der ukrainischen Streitkräfte, Andrij Hnatowim, in einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur „Ukrinform“.
- In der von Russland annektierten südukrainischen Region Cherson ist laut den Besatzungsbehörden der Chef des Stadtrats von Nowa Kachowka tödlich verletzt worden. Wladimir Leontjew sei am Morgen im Krankenhaus an seinen Verletzungen nach einem ukrainischen Drohnenangriff gestorben, teilte der Besatzungschef des von russischen Truppen kontrollierten Teils der Region, Wladimir Saldo, bei Telegram mit.
- Russland hat seine Angriffe mit Raketen und Drohnen auf die Ukraine im September deutlich ausgeweitet. Die russische Armee setzte bei ihren nächtlichen Angriffen 185 Raketen und gut 5600 Drohnen ein, wie aus einer AFP-Analyse hervorgeht – ein Anstieg um 36 Prozent im Vergleich zum August.
- In der Ölraffinerie der russischen Großstadt Jaroslawl 300 Kilometer nordöstlich von Moskau ist nach Behördenangaben ein Großbrand ausgebrochen. Das Feuer habe rein technische Ursachen und sei nicht von Drohnenangriffen verursacht worden, betonte Gouverneur Michail Jewrajew bei Telegram.
Hintergrund und Analyse
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