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Ukraine-Invasion, Tag 1349: Das ist der neue Plan Kiews gegen den akuten Rekrutenmangel
Kampf um Pokrowsk spitzt sich zu, Russland verstärkt Einsatz von Gleitbomben und „Shahed“-Drohnen, Nordkorea soll weitere Truppen nach Russland geschickt haben. Der Überblick.
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Die Ukraine hat seit Monaten mit einem immer größer werdenden Problem des Rekrutenmangels zu kämpfen. An manchen Frontabschnitten ist die ukrainische Armee der russischen im Verhältnis 1:8 unterlegen. Diese Not scheint die ukrainische Regierung erfinderisch zu machen.
Die Ukraine plant, neben ihrem Wehrpflichtssystem nun auch befristete Militärverträge einzuführen, wie die „New York Times“ berichtet. Bislang dienen ukrainische Soldaten mit unbefristeten Verträgen, wodurch sie keine Kontrolle über ihre Zukunft haben. Viele Ukrainer lehnen den Wehrdienst ab, weil sie fürchten, dass dieser einem Einwegticket an die Front gleichkommt.
Unter dem neuen System könnten sowohl derzeitige Soldaten als auch Rekruten befristete Verträge mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren abschließen, erklärte Verteidigungsminister Denys Shmyhal der „New York Times“ zufolge.
Das neue System soll die Mobilmachung nicht ersetzen. Shmyhal sagte demnach jedoch, dass jeder Soldat, der einen Vertrag über zwei Jahre oder länger unterzeichne, nach Ablauf der Laufzeit eine einjährige Zurückstellung von einer möglichen zukünftigen Mobilmachung erhalte. Derzeit kann es sich die ukrainische Armee nicht leisten, erschöpfte Soldaten zu entlassen – wenn sie nicht genügend Ersatz rekrutiert.
Mykola Bielieskov, Militäranalyst am staatlichen Nationalen Institut für Strategische Studien der Ukraine, sagte der „New York Times“, die neuen Verträge könnten „einen soliden, positiven Anreiz für Ukrainer bieten, sich den Streitkräften anzuschließen“. Andere Analysten weisen allerdings darauf hin, dass der Plan nur wenige Details enthalte – und sein Erfolg von der genauen Umsetzung abhänge.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR kämpft nach eigenen Angaben nach der erfolgreichen Landung einer Spezialeinheit in der Stadt Pokrowsk im Gebiet Donezk weiter gegen die russischen Besatzer. Die Spezialeinheit „Timur“ des HUR setze ihre Operation in der für die Logistik an der Front wichtigen Stadt fort, teilte der Geheimdienst bei Telegram mit. Mehr dazu hier.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eigenen Angaben zufolge ukrainische Truppen nahe der umkämpften Stadt Pokrowsk im Osten des Landes besucht. Er habe die Kämpfer des ersten Korps der Nationalgarde „Asow“ getroffen, die sich in einem „defensiven Einsatz im Dobropillja-Sektor“ befänden, erklärte Selenskyj in Onlinediensten mit Blick auf eine etwa 20 Kilometer nördlich von Pokrowsk gelegene Stadt.
- Berichten der militärischen Partisanenbewegung „Atesh“ zufolge soll Russland wegen hoher Opferzahlen einen Fleischverarbeitungsbetrieb nutzen, um die Leichen seiner in Pokrowsk gefallenen Soldaten zu lagern. Via Telegram berichtete die Organisation, dass der Betrieb sich in der von Russland kontrollierten Stadt Mangusch in der Region Donezk befinde. Mehr dazu hier.
- Im Oktober haben die russischen Streitkräfte die Zahl ihrer Angriffe mit gelenkten Luftbomben auf die Ukraine deutlich erhöht. Auf ukrainische Militärstellungen und Städte nahe der Frontlinie wurden insgesamt 5328 Bomben abgeworfen – der höchste Monatswert seit Beginn des Jahres 2025. Das berichtete das ukrainische Verteidigungsministerium auf Telegram. Mehr dazu im Newsblog.
- Russland hat im Jahr 2025 zudem mehr als 44.000 Drohnen des Typs „Shahed“ und deren Varianten eingesetzt – das sind viermal so viele wie im gesamten Jahr 2024. Darüber berichtet „Sky News“ unter Berufung auf Daten des Center for Strategic and International Studies (CSIS). Nach Angaben der Analysten konnten in diesem Jahr etwa 64 Prozent der Drohnen abgeschossen werden – etwas weniger als 2024 (68 Prozent)
- Die russische Armee setzt ihren Vormarsch in der Ukraine langsam, aber stetig fort. Die Truppen Moskaus eroberten im Oktober 461 Quadratkilometer, wie aus Berechnungen der Nachrichtenagentur AFP auf Basis von Zahlen des in Washington ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) hervorgeht. Dies ist etwas mehr als im September, als es 447 Quadratkilometer waren.
- Die ukrainischen Truppen haben nach Angaben von Armeechef Olexandr Syrskyj nahe der Stadt Dobropillja 188 Quadratkilometer von Russland zurückerobert. Zudem sei die Kontrolle über weitere 250 Quadratkilometer übernommen worden, die zuvor von keiner Seite gehalten worden sei, teilt Syrskyj weiter mit. Der Vormarsch solle die russischen Streitkräfte zwingen, ihren Fokus von der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk abzulenken.
- Russische Truppen sollen nach ukrainischen Militärangaben bei einem Drohnenangriff im Gebiet Charkiw im Osten des Landes gezielt zwei unbewaffnete Zivilisten getötet haben. Eine Einheit der ukrainischen Streitkräfte veröffentlichte bei Facebook ein Video dazu. Tags zuvor hatten russische Medien Videos der gleichen Szene als angeblichen Beleg für die Tötung der Zivilisten durch ukrainische Drohnenpiloten veröffentlicht.
- Nordkorea soll laut Angaben des südkoreanischen Geheimdiensts weitere Truppen nach Russland mobilisiert haben. So sollen seit September rund 5000 Militäreinheiten für Aufbauarbeiten sowie weitere 1000 Pioniere für Minenräumarbeiten nach Russland verlegt worden sein, berichtete Südkoreas amtliche Nachrichtenagentur Yonhap.
- Bei neuen russischen Angriffen mit Drohnen und Raketen sind in der Ukraine mindestens ein Mensch getötet und 17 weitere Zivilisten verletzt worden. Die ukrainischen Luftstreitkräfte zählten insgesamt 130 russische Angriffe mit Drohnen, von denen 92 abgewehrt worden seien. Zudem habe Russland mit sieben Raketen angegriffen.
- Russland hat nach ukrainischen Angaben die Region Odessa in der Nacht massiv mit Drohnen angegriffen. Insbesondere zivile Energie- und Hafenstruktur sei das Ziel gewesen, teilte Gouverneur Oleh Kiper auf Telegram mit. Trotz des aktiven Einsatzes der Luftverteidigung, die die meisten Drohnen zerstört habe, habe es Treffer gegeben.
- Die Ukraine hat nach russischen Angaben ein Petrochemie-Werk tief im russischen Hinterland angegriffen. Eine Wasseraufbereitungsanlage in Baschkortostan sei dabei teilweise eingestürzt, teilen die örtlichen Behörden mit. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge sind in der Nacht zudem 83 ukrainische Drohnen in sieben anderen russischen Oblasten zerstört worden.
- Der jüngste Bericht der EU-Kommission zu den Reformfortschritten zeigt nach den Worten Selenskyjs, dass sich die Ukraine „zuversichtlich“ in Richtung EU-Mitgliedschaft bewegt. Die Ukraine sei bereit, die ersten drei Verhandlungskapitel zu eröffnen, schreibt Selenskyj auf der Plattform X. Mehr dazu hier.
- Aus Protest gegen die Haftbedingungen in einem italienischen Hochsicherheitsgefängnis ist der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge auf die Nord-Stream-Gasleitungen in einen Hungerstreik getreten. Der 49 Jahre alte Ukrainer verweigert bereits seit dem 31. Oktober die Nahrungsaufnahme, wie sein Anwalt mitteilte. Serhij K. soll an Deutschland ausgeliefert werden. Mehr dazu hier.
- Die Ukraine will nach den Worten Selenskyjs noch in diesem Jahr in Berlin ein Büro für den Export ihrer Rüstungsgüter sowie für eine gemeinsame Waffenproduktion eröffnen. Auch in Kopenhagen solle ein solches Büro bis Jahresende entstehen, sagt Selenskyj vor der Presse. Zu den Waffensystemen, die die Ukraine exportieren könne, gehörten Marinedrohnen und Artilleriesysteme.
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